03.05.2024

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Folge 05-23 vom 03. Februar 2023 / Zwischenruf / Ein Modell für die Ukraine?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-23 vom 03. Februar 2023

Zwischenruf
Ein Modell für die Ukraine?
Bodo Bost

Der im Dezember 2022 beendete Bruderkrieg in Äthiopien  hatte viele Parallelen zu dem slawischen Bruderkrieg Russlands gegen die Ukraine. Als die Monarchie in Russland 1917 und in Äthiopien 1974 gestürzt wurde, verloren beide Kirchen ihre Hauptstützen. Beide Kirchen brauchten lange, um sich mit den neuen Realitäten zurechtzufinden, die beiden innerorthodoxen Bruderkriege sind im Grunde noch ein Produkt dieser Suche.

Dabei spielte eine große Rolle, dass die Wiegen beider Christenheiten, Axum und Kiew, sich derzeit außerhalb des Machtzentrums der jeweiligen Kirchenzentrale befinden. Beide Kriege starteten deshalb mit Angriffen auf diese verlorenen Kirchenzentren, der äthiopische Krieg 2020 mit einem Angriff gegen Axum in Tigray und der russische Krieg 2022 mit einem Angriff gegen Kiew in der Ukraine. Der einzige Unterschied: Die Region Tigray war zwar eine autonome Region innerhalb Äthiopiens, aber kein völkerrechtlich anerkannter unabhängiger Staat wie die 

Ukraine. Wie Russland mit Weißrussland hatte auch Äthiopien mit Eritrea einen orthodoxen Waffenbruder im Krieg gegen das viel kleinere Tigray. Beide, Eritrea und Weißrussland, versprechen sich am Ende ein Stück der Beute vom großen Bruder. 

Wie der russische Präsident Putin am 24. Februar 2022 gegen die Ukraine eröffnete der äthiopische Präsident und Friedensnobelpreisträger von 2019, Abiy Ahmed, am 4. November 2020 den Krieg gegen das Volk von Tigray unter dem Deckmantel einer „klaren, begrenzten Strafverfolgungsmaßnahme“. Von Krieg war zunächst in beiden Fällen keine Rede. 

Die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche (EOTC) unterstützte zunächst diese Maßnahme gegen das tigrayische orthodoxe Brudervolk. Und dies, obwohl mit Abune Mathias (82) seit 2013 ein gebürtiger Eritreer auf dem Patriarchenstuhl in Addis Abeba sitzt. Axum in Tigray ist die heilige Stadt der Äthiopier und der Name des alten Reiches, in dem das Christentum im vierten Jahrhundert in Äthiopien eingeführt wurde. Seit dem vierten Jahrhundert bis zum Ende der Herrschaft des letzten Kaisers Haile Selassie, im Jahr 1974, wurden die äthiopischen Könige und Kaiser hier gekrönt.  

Waffenstillstand mit Fragezeichen

Analog zum russischen Patriarchen Kyrill hatte auch der äthiopische Patriarch Mathias zunächst mit keinem Wort die zahlreichen Kriegsverbrechen der äthiopischen Zentralregierung auch gegen Zivilisten in Tigray verurteilt. Die äthiopische orthodoxe Kirche (EOTC) war aktiv an der Legitimierung der Invasion und des Angriffs auf Tigray beteiligt. Auch von der EOTC begannen sich einige Auslandsgemeinden, etwa in Philadelphia oder London, abzuspalten, eine eigene tigray-orthodoxe Tewahdo-Kirche (TOTC) ist im Entstehen. Im Mai 2021 änderte der äthiopisch-orthodoxe Patriarch Abune Mathias jedoch seine Position. Er schmuggelte eine Videobotschaft aus Äthiopien heraus, in der er den Krieg gegen Tigray unmissverständlich als Völkermord verurteilte. Nachdem sich das Video verbreitet hatte, erklärte die äthiopisch-orthodoxe Synode, dass das Video des Patriarchen Abune Mathias nicht die Kirche repräsentiere. 

Durch die Distanzierung des Patriarchen vom Krieg stieg der Druck auf eine Lösung des Konfliktes. Im Dezember 2022 ist ein von der Regierung Südafrikas vermittelter Waffenstillstand in Tigray in Kraft getreten und hat das zweijährige Brudermorden beendet. Mit verantwortlich für diesen Waffenstillstand war wahrscheinlich auch der Ukrainekrieg, der die humanitäre Lage in Ostafrika stark verschärft hatte. Ein Rückzug aller Truppen aus dem Kampfgebiet wurde vereinbart und die Abrüstung der tigrayischen Rebellen verlangt. Aber die Frage der Kriegsschuld und der Reparationen wurde nicht geklärt. Die ersten westlichen Besucher in Äthiopien, die deutsche und französische Außenministerin, haben diese Fragen bei ihren Gesprächen mit Abiy Ahmed im Januar ausgeklammert. Hilfslieferungen dürfen wieder nach Tigray gelangen und Patriarch Abune Mathias darf wieder frei sprechen, aber er spricht nur noch für einen Teil seiner Kirche.