03.05.2024

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Folge 05-23 vom 03. Februar 2023 / Preußens Nil-Abenteurer / Berlin feiert den 200. Jahrestag der Ägyptologie mit einer Sonderschau über die „Königlich Preußische Expedition nach Ägypten“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-23 vom 03. Februar 2023

Preußens Nil-Abenteurer
Berlin feiert den 200. Jahrestag der Ägyptologie mit einer Sonderschau über die „Königlich Preußische Expedition nach Ägypten“
Helga Schnehagen

Der Eintritt ins Leben von Richard Lepsius am 23. Dezember 1810 in Naumburg an der Saale stand unter einem glücklichen Stern. Für seine spätere Karriere war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort genau der richtige Mann. Als der Franzose Jean-François Champollion 1822 als Erster verstand, dass die Hieroglyphen eine Mischung aus Laut- und Bilderschrift sind, ließen sich fortan alle altägyptischen Inschriften entziffern. Damit erhielt die Ägyptomanie, die zu seiner Zeit ganz Europa ergriffen hat, eine neue Dimension: Sie wurde zur Wissenschaft, zur Ägyptologie. Die Funde aus dem alten Ägypten wanderten aus den Kunst- und Kuriositätenkammern ins Museum. Der Wettlauf um die bedeutendsten ägyptischen Sammlungen nahm Fahrt auf.

1822 war Lepsius elf Jahre alt. Als Champollion 1832 im Alter von nur 41 Jahren starb, stand Lepsius kurz vor seiner sprachwissenschaftlichen Promotion, die er 1833 absolvierte. In Pisa lehrte damals Ippolito Rosellini orientalische Sprachwissenschaft und bot bereits ab 1825 Seminare auf dem Gebiet der Ägyptologie an. Er war Champollions einziger Schüler und Unterstützer bei der Entzifferung der Hieroglyphen. Durch ihn konnte Lepsius die Aufzeichnungen Champollions einsehen, sich davon Handkopien anfertigen und die altägyptische Schrift jahrelang weiter erforschen. Mit den daraus resultierenden Veröffentlichungen machte er sich einen Namen. Daneben besuchte er alle ägyptischen Sammlungen Europas. 

Lepsius sollte die Ägyptologie in Deutschland begründen, so wie vor ihm Champollion in Frankreich und Rosellini in Italien. In Friedrich Wilhelm IV., der seit Juni 1840 König von Preußen war, fand er bereits früh einen interessierten Förderer. Während einer politisch friedlichen Phase in Mitteleuropa beauftragte der König den profilierten jungen Ägyptologen, eine Expedition nach Ägypten zu organisieren. Alexander von Humboldt leistete dabei aufgrund der eigenen Reiseerfahrung wertvolle praktische Hilfe. Als Vertrauter Friedrich Wilhelms IV. unterstützte er Lepsius’ Reise an den Nil von Anfang an nach Kräften. 

Als sich die Mitglieder der „Königlich Preußische Expedition“ – bestehend aus dem erst 31 Jahre alten Lepsius als Leiter und einem Dutzend Experten – am 18. September 1842 im Hafen von Alexandria trafen, standen auch im Land der Pharaonen die Sterne für das Unternehmen günstig. Gouverneur der ägyptischen Provinz des Osmanischen Reichs war zu jener Zeit Mehmet Ali Pascha, der nach Unabhängigkeit von den osmanischen Machthabern in Konstantinopel strebte.

Auf der Suche nach politischen und wirtschaftlichen Verbündeten, die im Gegensatz zu England, Frankreich und Russland ihre Macht nicht vergrößern wollten, kam ihm das kleine, bis dahin neutrale Preußen gerade recht. Zwar hatte Ali Pascha schon 1835 ein Antikengesetz erlassen, das den Export von Antiken verbot und die Zerstörung der Monumente eindämmen wollte. Doch gelang es Lepsius, ihn von der rein wissenschaftlichen Motivation der Expedition zu überzeugen. Schon am 29. September 1842 erhielt er eine großzügige Sondergenehmigung, die zu Grabungen, zur beliebigen Ausfuhr von Originaldenkmälern nach Berlin und zur Aushebung von Arbeitskräften und Transportmitteln berechtigte.

Berlins meistbesuchtes Museum

Hätte sich das Team auf rein wissenschaftliche Arbeit beschränkt und auf die materielle Beute verzichtet, hätte Berlins Ägyptisches Museum wohl kaum Weltgeltung erlangt. Als Lepsius nach dreijähriger Forschungsreise 1845 nach Berlin zurückkehrte, betrug die Ausbeute nicht weniger als 7408 Papierabdrücke, 1315 Zeichnungen, 31 Skizzen- und Notizbücher, 75 Gipsabgüsse von ägyptischen Denkmälern und 1900 antike Objekte für das Ägyptische Museum. Erstmals sind Grabwände in Gänze abgerollt, gezeichnet und publiziert worden. Bis heute sind die vom erst 19-jährigen Lepsius-Schüler Max Weidenbach originalgetreu abgezeichneten Hieroglyphen eine zuverlässige Quelle für die Wissenschaft. 

Parallel zur Ägypten-Expedition verfügte Friedrich Wilhelm IV., die Berliner Spreeinsel zu einer „Freistätte für Kunst und Wissenschaft“ zu machen. 1843 begann der Bau des Neuen Museums, an dessen Ausgestaltung Lepsius von Ägypten aus maßgeblich mitwirkte. Eindrucksvolle Zeugnisse seiner Raumauffassung sind die Portale und die Decke des Mythologischen Saals und die Wandgemälde im Ägyptischen Hof. 1859 wurde das Museum als Erstes auf der Museumsinsel eröffnet und 1865 Lepsius zum alleinigen Direktor ernannt. Heute gehört die Museumsinsel zum Unesco-Weltkulturerbe, und das einst kriegszerstörte Neue Museum, das nach Plänen des britischen Architekten David Chipperfield wiederaufgebaut und 2009 wiedereröffnet wurde, ist mit seinen bis zu einer Million Besuchern pro Jahr Berlins meistbesuchtes Museum.

Die der Preußischen Expedition gewidmete Sonderschau „Abenteuer am Nil“ beginnt im Griechischen Hof und integriert sich dann anhand eines gelben Leitfadens zunehmend in die ständige Ausstellung. Gleich die ersten Exponate geben einen Eindruck von der umfassenden Bestandsaufnahme des altägyptischen Erbes sowie der altnubischen Kulturen: Neben der Palmsäule aus der Westkolonnade vor dem Isis-Tempel von Philae in Oberägypten liegt der makellose Widder vom Gebel-Barkal, einem kleinen Berg des antiken Napata in Obernubien im Nordsudan. 

Die Tierplastik hat Pharao Ameno-­phis III. um 1358 v. Chr. anlässlich seines Thronjubiläums für den Amun-Tempel im 300 Kilometer weiter nördlich gelegenen Soleb in Auftrag gegeben. Hier stand die Statue rund 650 Jahre lang, ehe Piye (746 bis 716 v. Chr.), der zweite Pharao der kuschitischen 25. Dynastie Ägyptens, sie in den Großen Amun-Tempel von Napata umsetzen ließ. Der „viel-gereiste“ Widder gehört neben den drei Opferkammern des Alten Reichs zu den besonders wertvollen Objekten der Expedition, auf der Lepsius bis Saba am Blauen Nil vordrang. So weit wie keine Expedition zuvor. 

Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842–45, bis 7. März, Neues Museum, Museumsinsel Berlin, Bodestraße, geöffnet: täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, Eintritt: 14 Euro. www.smb.museum