03.05.2024

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Folge 05-23 vom 03. Februar 2023 / Erdgeschichte / Klimaschwankungen prägen seit jeher die Entwicklung der Menschheit / Während warme Zeiten große Fortschritte ermöglichten, riefen kalte Phasen Not, Krieg und Tod hervor. Vom teils rasanten Auf und Ab der Temperaturen war schon der Ur-Mensch massiv betroffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-23 vom 03. Februar 2023

Erdgeschichte
Klimaschwankungen prägen seit jeher die Entwicklung der Menschheit
Während warme Zeiten große Fortschritte ermöglichten, riefen kalte Phasen Not, Krieg und Tod hervor. Vom teils rasanten Auf und Ab der Temperaturen war schon der Ur-Mensch massiv betroffen
Wolfgang Kaufmann

Aus klimawissenschaftlicher Sicht herrscht auf der Erde Eiszeit, wenn mindestens einer ihrer beiden Pole ganzjährig unter dem Eis liegt. Und das ist nun schon seit 34 Millionen Jahren permanent der Fall. Gleichzeitig wechselten sich aber kältere und wärmere Phasen kontinuierlich ab. Allein in den vergangenen 115.000 Jahren passierte dies um die 50 Mal. Dabei gab es vielfältige Ursachen für die Umschwünge: Zunahme oder Abnahme des Vulkanismus, Schwankungen der Sonnenaktivität, Veränderungen der Erdumlaufbahn um die Sonne, zyklische Variationen der Neigung der Erdachse, Einschläge von Kometen und Asteroiden sowie Wechsel der Strömungsverhältnisse in den Ozeanen. 

Seit dem Miozän, das vor 5,3 Millionen Jahren endete, waren davon immer auch der Ur-Mensch oder dessen direkte Vorfahren betroffen. So starben durch die Abkühlung während der Vallesium-Krise vor 9,6 Millionen Jahren viele archaische Hominiden-Arten aus, während in der Eem-Warmzeit, welche von 124.000 bis 113.000 v. Chr. währte, die Expansion des Neandertalers begann. Und auch sonst förderten die sogenannten Klimaoptima, also Phasen mit höheren Durchschnittstemperaturen, die Entwicklung unserer Spezies, während die Abkühlung in Zeiten der Klimapessima das Gegenteil bewirkte.

Dass der aus Afrika kommende Homo sapiens zunächst nur schwer auf dem eurasischen Kontinent Fuß fassen konnte, resultierte aus den klimatischen Bedingungen der letzten großen Kaltzeit, deren Höhepunkt vor rund 22.000 Jahren lag und der schließlich das Holozäne Optimum beziehungsweise Atlantikum folgte, welches alles veränderte. Um zirka 7200 v. Chr. setzte eine schlagartige Erwärmung ein, die bis etwa 4000 v. Chr. anhielt. Phasenweise schnellte die Durchschnittstemperatur innerhalb von nur 50 Jahren um zehn Grad hoch, wobei es vor allem ab 5000 v. Chr. ausgesprochen warm gewesen sein muss. 

Roms Blüte – auch eine Klimafolge 

Während des Atlantikums beschleunigte sich die neolithische Revolution mit ihren vielen gravierenden Innovationen, die am Ende zur Entstehung der ersten Hoch- beziehungsweise Schriftkulturen führten. Dazu zählten die Sesshaftwerdung der Jäger und Sammler in dauerhaften Siedlungen sowie der Übergang zu Ackerbau und Viehzucht, die Produktion von Keramik zum Zwecke der Vorratshaltung, die Entwicklung des Eigentumsbegriffs und soziale Ausdifferenzierungen.

Nach dem Atlantikum kam das bronzezeitliche Klimapessimum, das etwa von 3000 bis 600 v. Chr. dauerte und die kälteste Periode seit vielen Jahrtausenden darstellte. Die Folge waren Missernten, Seuchenwellen, Migrationsbewegungen und zahlreiche kriegerische Konflikte um Ressourcen, welche zunehmend blutiger ausfielen, weil parallel eine Perfektionierung der bronzenen und später dann auch eisernen Waffen stattfand.

Dieser Phase der Abkühlung schloss sich das Klimaoptimum der Römerzeit an, dessen zeitliche Begrenzung umstritten ist: Die Bandbreite reicht hier von 350 v. bis 450 n. Chr., wobei es aber bereits ab 150 n. Chr. langsam wieder kälter wurde. Auf jeden Fall begünstigte das Klima die Expansion des Imperium Romanum über die Alpen und auf die britische Insel, wo die Römer sogleich mit dem Weinanbau begannen. 

Darüber hinaus florierten auch die übrige Landwirtschaft und der Fernhandel. Dadurch war die Versorgung der stetig wachsenden Bevölkerung des Römischen Reiches für lange Zeit problemlos gesichert – vor allem durch Importe aus Nordafrika. Der römische Kaiser Trajan, in dessen Regierungszeit die größte räumliche Ausdehnung des Imperiums fiel und der unter anderem deshalb den Ehrentitel Optimus Princeps erhielt, herrschte genau auf dem Höhepunkt des damaligen Klimaoptimums zum Ende des 1. und Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr. 

Ebenso wie der Aufstieg Roms resultierte auch dessen Niedergang maßgeblich aus klimatischen Faktoren. Mit dem Klimapessimum der Völkerwanderungszeit, das bis etwa 750 n. Chr. währte, nahmen die Kämpfe und Migrationsbewegungen in weiten Teilen Europas, Asiens und Nordafrikas massiv zu, woraufhin es zum Zusammenbruch der antiken Zivilisation und dem Beginn des anfangs tatsächlich reichlich finsteren Mittelalters kam. 

So setzten zum Jahreswechsel 406/07 große germanische Kriegergruppen über den Rhein, was letztlich das Schicksal des Weströmischen Reiches besiegelte. Erleichtert wurde das Eindringen der Wandalen, Sueben und Alanen in Gallien wohl durch das Zufrieren des Flusses. Eine weitere Geißel der sogenannten spätantiken Kleinen Eiszeit waren die zwischen 541 und 770 n. Chr. ständig wiederkehrenden Wellen der Justinianischen Pest. Vermutlich hatten die damaligen Hungersnöte sowie die auch sonst sehr prekär gewordenen Lebensumstände das Immunsystem der Menschen geschwächt und die lang anhaltende Pandemie ermöglicht.

Not und Elend der „Kleinen Eiszeit“

Im Übergang vom 8. zum 9. Jahrhundert, also zur Zeit Karls des Großen, besserten sich die klimatischen Verhältnisse aufs Neue und ab etwa 900 setzte dann das Mittelalterliche Klimaoptimum ein, das bis ungefähr 1250 andauerte. In dieser Zeit explodierten die Bevölkerungszahlen, was aber kein Problem darstellte, weil die landwirtschaftlichen Erträge im gleichen Maße zunahmen. Die günstigen Bedingungen führten beispielsweise zu einer Verschiebung der Nordgrenze des Getreideanbaus bis zum Polarkreis. Und selbst in Regionen wie Ostpreußen entstanden plötzlich auch Weinberge. Typisch für jene Zeit war außerdem eine kulturelle Blüte, welche unter anderem die gotische Architektur hervorbrachte.

Mit der neuerlichen Abkühlung im 14. Jahrhundert dominierten wiederum Not und Elend. Während des Schwarzen Todes, einer weiteren Pest-Pandemie zwischen 1346 und 1353, starb jeder dritte Europäer. Die permanent fallenden Temperaturen kulminierten dann in der nächsten Kleinen Eiszeit, deren Höhepunkt im 16. und 17. Jahrhundert lag. In diese Phase fielen unter anderem der Dreißigjährige Krieg, mehrere Pestwellen, Agrarkrisen und Hungersnöte sowie die Münzentwertung während der Epoche der Kipper und Wipper. Insofern war die ab 1850 einsetzende wärmere Klimaperiode ein Segen. Auch deshalb wuchs die Zahl der Menschen auf der Erde von 1,5 auf inzwischen acht Milliarden.