03.05.2024

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Folge 05-23 vom 03. Februar 2023 / Gesundheit / Uralte Erreger lauern im Eis / Auftauende Permafrostböden setzen Viren und Bakterien frei – Wie gefährlich sind die prähistorischen Krankmacher?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-23 vom 03. Februar 2023

Gesundheit
Uralte Erreger lauern im Eis
Auftauende Permafrostböden setzen Viren und Bakterien frei – Wie gefährlich sind die prähistorischen Krankmacher?

Ein Viertel der Nordhalbkugel der Erde ist mit dauerhaft gefrorenem Boden bedeckt. Doch in manchen Regionen Nordsibiriens und Alaskas taut dieser Permafrostboden jetzt teilweise auf, wodurch auch Mikroorganismen wie Bakterien und Viren freigesetzt werden. Das wiederum führt zu dramatischen Warnungen vor „Zombieviren“, welche eine große Gefahr für die Menschheit darstellten.

Bis vor Kurzem kannte man allerdings nur das 2014 entdeckte Pithovirus sibericum und das 2015 aus 30 Metern Tiefe heraufgeholte Mollivirus sibericum. Beide gelten als ungefährlich für den Menschen, obwohl sie aufgetaut noch zur Reproduktion innerhalb von Wirtszellen fähig sind. Um herauszufinden, ob es weitere solcher Erreger gibt, haben zwölf französische, russische und deutsche Forscher um den Mikrobiologen Jean-Marie Alempic von der Université d’Aix-Marseille nun neun Substanzen aus verschiedenen Permafrostregionen Sibiriens untersucht. 

Gefahr durch „Gain of Function“

Zu diesen gehörten auch Mammutwolle und die Eingeweide eines seit Ewigkeiten toten Wolfes. Dabei fanden die Wissenschaftler insgesamt 13 bislang unbekannte Arten von vermehrungsfähigen Viren, welche allesamt vier verschiedenen Virenklassen angehören, nämlich den Pandoraviren, Cedratviren, Megaviren und Pacmanviren. 

Diese ungewöhnlich großen Erreger, von denen der älteste aus der Zeit vor 50.000 Jahren stammt, können jedoch genau wie die Pithoviren und Molliviren nur einzellige Organismen infizieren. Deshalb geht der renommierte niederländische Virologe Albert Osterhaus davon aus, dass lediglich solche Urzeit-Viren eine Gefahr darstellen, welche man im Körper von menschlichen Leichen aus dem Eis findet.

Deutlich problematischer sind hingegen die diversen Bakterien im auftauenden Boden. Wie Alempic und seine Kollegen in ihrem Aufsatz „Ein Update zu eukaryotischen Viren, die aus altem Permafrost wiederbelebt wurden“ auf dem Preprint-Server bioRxiv schrieben, gelang es ihnen auch, einige bis zu 120.000 Jahre alte bakterielle Erreger zu isolieren. Manche davon sind mit dem Bacillus anthracis verwandt, der Milzbrand auslöst und somit Tiere oder gar Menschen zu töten vermag. Aufgetaute Milzbrandsporen werden für mysteriöse Krankheitsfälle in Nordsibirien und wiederkehrendes Rentiersterben in heißen Sommern am Polarkreis verantwortlich gemacht. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass die heute zur Verfügung stehenden Antibiotika bei bakteriellen Infektionen meist gut anschlagen – wenn man sie denn einsetzt.

Im Gegensatz dazu bergen Viren das Potential für böse Überraschungen, weil ihre Bekämpfung sehr spezifische Arzneimittel oder Impfstoffe erfordert. Vor diesem Hintergrund ist es prinzipiell nicht ratsam, alte Viren vorsätzlich „wiederzubeleben“. Die größte Gefahr geht von Wissenschaftlern aus, die versucht sein könnten, im Rahmen der anlässlich der Corona-Pandemie stark in Verruf geratenen Gain-of-Function-Forschung Manipulationen an den Viren aus dem Eis vorzunehmen, um sie infektiöser zu machen – oder gar als Biowaffe zu missbrauchen. W.K.