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Folge 06-23 vom 10. Februar 2023 / Bildung / Schulen funken SOS / Immigranten und Flüchtlinge sind vom Bildungssystem kaum zu bewältigen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-23 vom 10. Februar 2023

Bildung
Schulen funken SOS
Immigranten und Flüchtlinge sind vom Bildungssystem kaum zu bewältigen
Hermann Müller

Wie Anfragen an die Kultusministerien der deutschen Länder zutage förderten, waren mit Stand zum 25. Januar bundesweit genau 12.341 Stellen für Lehrer nicht besetzt. Der massive Bedarf an Lehrpersonal ist nicht neu. Derzeit trifft der Mangel an Lehrern das deutsche Schulsystem allerdings in einer besonders schwierigen Situation. 

Durch den Zuzug von Kriegsflüchtlingen gehen hierzulande mittlerweile mehr als 200.000 ukrainische Kinder zur Schule. Für die ohnehin durch Bildungsreformen, Corona-Maßnahmen und Lehrermangel gebeutelten Bildungssysteme der Länder stellt die massive Erhöhung der Schülerzahlen möglicherweise eine entscheidende Belastung zu viel da. 

Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), warnte bereits im Januar gegenüber dem „Tagesspiegel“: „Das Bildungssystem steht vor dem Kollaps.“ Nach Angaben der GEW-Chefin ist die Situation der Lehrkräfte an deutschen Schulen mittlerweile dramatisch. 

Auch Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund wies auf den Mangel an Lehrpersonal hin: „Die ukrainischen Kinder haben einen sehr hohen Betreuungsbedarf, es fehlt an Fachkräften“, so der Pressesprecher des Städte- und Gemeindebundes. Besonders schwierig ist die Lage in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg. Allein NRW hat mittlerweile fast 38.000 Kinder aus der Ukraine in die „schulische Erstförderung“ aufgenommen. Zur Beschulung der Tausenden von Flüchtlingskindern hat das Land im aktuellen Schuljahr 1051 zusätzliche Lehrerstellen bereitgestellt. Weitere 1000 Stellen hat der Landtag per Nachtragshaushalt bereits bewilligt. 

Zunächst in Willkommensklassen

In Baden-Württemberg werden unterdessen bereits rund 28.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine beschult. Auch an Bayerns Schulen lernen mittlerweile mehr als 25.000 Kinder aus dem schwer umkämpften Staat. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schüler nahmen bislang Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen die meisten Kinder aus der Ukraine auf. In allen Bundesländern steht bei den ukrainischen Schülern vor allem das Erlernen der deutschen Sprache im Fokus. In Bayern ist es beispielsweise das Ziel, die ukrainischen Kinder spätestens nach zwei Jahren in das normale Unterrichtssystem integrieren zu können. Vielerorts sind zum Deutschlernen sogenannte Willkommensklassen oder Brückenklassen eingerichtet worden. Der Zustrom von 200.000 neuen Schülern innerhalb eines Jahres trifft das deutsche Bildungssystem, das eigentlich keine weiteren Belastungen verkraften kann, trotz aller Bemühungen hart.  

Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa gaben schon im vergangenen Herbst etwa ein Viertel der befragten Schulleiter an, die Aufnahmekapazitäten ihrer Schulen seien erschöpft. Weitere 27 Prozent der Schulleiter sahen die Kapazitätsgrenze sogar bereits überschritten. Insgesamt schätzte damit mehr als die Hälfte der befragten Schulleiter die Lage so ein, dass sie keine weiteren zugewanderten Schüler mehr aufnehmen können. 

Forderung nach Quoten

Im Januar wagte es der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, ein besonderes Tabuthema anzusprechen. Er wies darauf hin, dass ab einem Anteil von 35 Prozent Kindern mit Immigrationshintergrund in einer Klasse „die Leistungen überproportional“ abnähmen: „Wenn man Bildung so schleifen lässt und hier nicht massiv gegengesteuert wird, dann werden die Konflikte zunehmen.“ Meidinger forderte sogar die Einführung von Immigrantenquoten an Schulen und in Klassen. 

Eine Entspannung der Lage im deutschen Bildungssystem ist derzeit nicht absehbar. Die aktuelle Situation in der Ukraine spricht stattdessen ganz klar dafür, dass die Zahlen von Kriegsflüchtlingen, die nach Deutschland kommen, auch weiterhin hoch bleiben werden. Zudem wird sich aber auch der Mangel an Lehrpersonal nicht kurzfristig lösen lassen. 

Eine kürzlich vorgelegte Studie der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK), dem Beratergremium der Kultusministerkonferenz (KMK), sagte noch für 20 Jahre einen Lehrermangel in Deutschland voraus. Zur Abhilfe schlägt das Beratergremium vor, dass Lehrkräfte zeitweise mehr arbeiten sollten. Zu diesem Zweck sollten auch die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit eingeschränkt und überdies größere Klassen gebildet 

werden. 

Scharfe Kritik an den Empfehlungen kommt von der GEW. Der niedersächsische Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft, Stefan Störmer, nannte die Empfehlungen der Kommission „weltfremd und schädlich für das gesamte System Schule“. Franz-Josef Meyer vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) sprach sogar von einem „Offenbarungseid der Bildungspolitik“.