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Folge 06-23 vom 10. Februar 2023 / Wilhelm Conrad Röntgen / Der Entdecker der X-Strahlen / Der vor 100 Jahren gestorbene erste Physiknobelpreisträger revolutionierte mit seiner Entdeckung die medizinische Diagnostik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-23 vom 10. Februar 2023

Wilhelm Conrad Röntgen
Der Entdecker der X-Strahlen
Der vor 100 Jahren gestorbene erste Physiknobelpreisträger revolutionierte mit seiner Entdeckung die medizinische Diagnostik
Martin Stolzenau

Am 23. Januar 1896 stellte Wilhelm Conrad Röntgen im vollbesetzten Saal der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg den Wissenschaftlern vom Fach und Vertretern des Staates per Experiment die neu entdeckten X-Strahlen vor. Die Strahlen erlaubten einen „spukhaften Blick ins geheime Innere des Körpers“, machten zuvor Unsichtbares sichtbar und bedeuteten für die medizinische Diagnostik eine Revolution. 

Röntgens Entdeckung löste ein weltweites Stauen aus, wurde von Thomas Mann im Roman „Zauberberg“ literarisch genutzt und trug dem Erfinder 1901 den ersten Nobelpreis für Physik ein. Der Wissenschaftspionier sorgte für die Erforschung der Radioaktivität, veröffentlichte rund 60 wissenschaftliche Arbeiten. Die Anwendung seiner Strahlen-Entdeckung ist bis heute in der medizinischen Diagnostik unverzichtbar und wird ständig weiterentwickelt.

Das Einzelkind wurde am 27. März 1845 im heute zu Remscheid gehörenden Lennep geboren. Sein Vater sorgte als Tuchfabrikant für den Wohlstand der Familie. Die Mutter stammte aus den Niederlanden. Dort besuchte Röntgen zunächst Utrechts Technische Schule, die er ohne besondere Leistungen wegen disziplinarischer Gründe vor dem Abitur verlassen musste. Das sorgte für Ärger mit den Eltern, die ihn dann ohne Reifezeugnis als Gasthörer an die Universität Utrecht schickten, wo er Vorlesungen in Mathematik und Physik besuchte. Aber das war auf Dauer keine Lösung. 

Schulverweis in Utrecht

Deshalb durfte er mit 20 Jahren nach Zürich wechseln, wo Studenten ohne Abitur nach bestandener Aufnahmeprüfung an der Technischen Hochschule studieren konnten. Für den jungen Mann aus Lennep war das eine Alternative, die er nun fleißig nutzte. Er erschloss sich die Physik, wurde erfolgreich promoviert und mit dem Doktortitel von der Universität in Würzburg als Assistent übernommen. Das war sein Einstieg. Er forschte erfolgreich, bewährte sich mit seinen Erkenntnissen und wollte die Habilitation, um eine akademische Karriere zu begründen. Doch die Universitätsoberen in Würzburg verweigerten ihm wegen des fehlenden Schulabschlusses die Habilitation. Sein Abgang von der Technischen Schule in Utrecht hatte Spätfolgen.

Doch Röntgen ließ sich nicht unterkriegen, wechselte 1872 an die in jenem Jahr in Straßburg gegründete Kaiser-Wilhelm-Universität, wo er die nächsten Schritte seiner Karriere absolvierte. Der junge Physiker wurde außerordentlicher Professor, erlangte mit seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen erste Bekanntheit und wurde 1879 als ordentlicher Professor nach Gießen geholt, wo er erstmals ein festes Gehalt bezog und mit seinen Forschungen größere Bekanntheit erlangte. Damit wurde Röntgen, der inzwischen mit der Züricher Gastwirtstochter Anna Bertha Ludwig verheiratet war, für Würzburg wieder interessant. Man holte den aufstrebenden Gelehrten 1888 nach neunjähriger Tätigkeit in Gießen nach Würzburg zurück und erhob ihn mit verbesserten Konditionen zum Chef des Physikalischen Institutes. 

Fortan zog er in Würzburg seine Kreise, forschte und lehrte, fungierte zeitweilig als Rektor der Universität und entdeckte im Rahmen vielgestaltiger Experimente am 8. November 1895 die „X-Strahlen“. Bertha Röntgen, seine Frau, musste mit ihrer Hand als Versuchskaninchen herhalten. Die Strahlen machten „zuvor Unsichtbares sichtbar“. Röntgen selbst hat wohl erst schrittweise das ganze Ausmaß seiner Entdeckung erkannt.

Am 12. Januar 1896 stellte Röntgen sie bei einem Vortrag vor dem Kaiser öffentlich vor. Elf Tage später hielt er anlässlich einer Sitzung der Würzburger Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft einen Vortrag vor Zuhörern aus allen Kreisen der Wissenschaft und Gesellschaft im vollbesetzten Hörsaal des Physikalischen Instituts. Die „Neue Presse“ aus Wien schrieb darüber: „Wie die gewöhnlichen Lichtstrahlen durch Glas gehen, so gehen die neu entdeckten Strahlen durch Holz- und auch Weichteile des menschlichen Körpers.“ Röntgen betitelte seine Veröffentlichung darüber mit der Überschrift „Über eine neue Art von Strahlen“. Sie wurden in der Medizin in der Folge zur Erkennung von Knochenbrüchen, Tumoren und der Tuberkulose angewendet, in Varieté-Veranstaltungen einem staunenden Publikum präsentiert und in technischen Kabinetten gegen Eintritt vorgeführt. Damit begann eine neue Ära der Diagnostik in der Medizin.

Verzicht auf Patentierung

Der vom Elternhaus her wohlhabende Wissenschaftler verzichtete auf eine Patentierung, weil er das Wohl der Allgemeinheit im Sinn hatte und keinen persönlichen Profit erlangen wollte. Röntgen verzichtete damit auf Millionen von Mark. Sein Preisgeld vom Nobelpreis stiftete er der Universität Würzburg, die er dann als neuer Stern am deutschen Gelehrtenhimmel in Richtung München verließ, wo er noch zwei Jahrzehnte an der Ludwig-Maximilians-Universität forschte und lehrte. 

In München starb Röntgen auch vor 100 Jahren, am 10. Februar 1923, an Darmkrebs. Seine letzte Ruhe fand der Forscher auf eigenen Wunsch auf dem Alten Friedhof in Gießen, das er lebenslang immer in bester Erinnerung behalten hatte. Entgegen dem erklärten Willen des bescheidenen Mannes wurden die X-Strahlen in seinem Heimatland und auch im benachbarten Polen nun nach ihm benannt. Seitdem gilt sein Name als Synonym für eine entsprechende Untersuchung. Der Bedeutung seiner Person und seiner Entdeckung entsprechend ist auch die Anzahl der Ehrungen. Inzwischen gibt es in Lennep das Deutsche Röntgen-Museum, in Würzburg eine Röntgen-Gedächtnisstätte, in der Walhalla bei Regensburg eine Röntgen-Büste und in Berlin wie in Remscheid und Gießen ein Röntgen-Denkmal. Dazu tragen in vielen deutschen Orten Straßen, Plätze und öffentlichen Einrichtungen seinen Namen.