06.05.2024

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Folge 06-23 vom 10. Februar 2023 / Stanislaus II. August / Die große Enttäuschung Katharinas der Großen / Die Reformbemühungen des letzten polnischen Wahlkönigs scheiterten an inneren wie äußeren Widerständen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-23 vom 10. Februar 2023

Stanislaus II. August
Die große Enttäuschung Katharinas der Großen
Die Reformbemühungen des letzten polnischen Wahlkönigs scheiterten an inneren wie äußeren Widerständen
Manuel Ruoff

Als Polens späterer letzter Wahlkönig, Stanislaus II. August, am 17. Januar 1732 im damals polnischen und heute weißrussischen Wołczyn beziehungsweise Woutschyn zur Welt kam, schien er nicht nur geographisch meilenweit von der polnischen Krone entfernt. Stanisław Antoni Poniatowski gehörte nicht zum Hochadel. Andererseits war der polnische Landadelige im Ständesystem hoch genug angesiedelt, um die für sein weiteres Schicksal entscheidende Bekanntschaft mit der russischen Zarin Katharina II. zu machen.

Der polnische König August III. schickte den Polen, der bereits als 20-Jähriger auf dem polnischen Reichstag als Abgeordneter auftrat, an den Petersburger Hof zu Zarin Elisabeth. Dort lernte er die spätere Zarin Katharina kennen und lieben. Nach dem Tod Augusts III. 1763 sorgte sie – seit 1762 Russlands Alleinherrscherin – mit Unterstützung Friedrichs des Großen dafür, dass ihr Geliebter 1764 Augusts Nachfolger in Polen wurde.

Der polnische Günstling enttäuschte seine russische Förderin jedoch bitter. Statt ihre Marionette zu sein und nach ihrer Pfeife zu tanzen, versuchte der gebildete, fortschrittliche und aufgeklärte Monarch sein sehr zurückgebliebenes Land an die Spitze des Fortschritts zu katapultieren.

Damit stieß er jedoch nicht nur auf Widerstand bei einheimischen Adeligen, die um ihre Privilegien fürchteten, sondern auch bei der Zarin. Sie marschierte in sein Land ein. Da zwar ein russlandfreundliches, aber nicht ein russisches Polen mit dem europäischen Gleichgewicht vereinbar schien, kam es zur sogenannten ersten polnischen Teilung. Der Begriff „Teilung“ ist irreführend, da zwar alle Nachbarn einen Teil des Königreiches erhielten, der polnische Staat zumindest vorerst aber fortexistierte. 

Das gleiche gilt für die sogenannte zweite polnische Teilung von 1793. Stanislaus II. August wollte von seinem Reformkurs nicht lassen. 1791 erhielt sein Königreich eine Verfassung im Geiste der Aufklärung, die als erste moderne Europas gilt. Wieder marschierten die Russen ein und annektierten ein Stück des Nachbarlandes. Da Preußens König Friedrich Wilhelm II. Russlands Autokratin damit drohte, sie nicht mehr in deren Kampf gegen das ihr verhasste revolutionäre Frankreich zu unterstützen, erhielt auch Polens westlicher Nachbar ein Stück.

Aus Protest gegen diese sogenannte zweite Teilung kam es 1794 zu einem Militärputsch unter Führung des Generals Tadeusz Kościuszko, der sogenannte Kościuszko-Aufstand. Der König wurde entmachtet – und wieder marschierten die Russen ein. In der sogenannten dritten Teilung wurde Polen 1795 nun tatsächlich in seiner Gänze unter seinen Nachbarn aufgeteilt. Sein König wurde zur Abdankung gezwungen. Nach dem Tode der Zarin, die er so sehr enttäuscht hatte, berief ihn ihr Nachfolger nach Sankt Petersburg, wo der Exilant am 12. Februar 1798 starb. Nach der Wiederherstellung polnischer Staatlichkeit wurden seine sterblichen Überreste 1927 von der Zweiten Polnischen Republik (II. Rzeczpospolita) in seinen Geburtsort überführt und 1995 von der Dritten Polnischen Republik (III. Rzecz­pospolita) in die Kapelle des Warschauer Königsschlosses.