06.05.2024

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Folge 06-23 vom 10. Februar 2023 / Weltall / Atommüll vor dem Einsatz in der Raumfahrt / Radioaktiver Abfall aus Kernkraftwerken soll den Raumschiff-Antrieb revolutionieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-23 vom 10. Februar 2023

Weltall
Atommüll vor dem Einsatz in der Raumfahrt
Radioaktiver Abfall aus Kernkraftwerken soll den Raumschiff-Antrieb revolutionieren

Die meisten Raumfahrzeuge nutzen Solarzellen für die Stromversorgung. Allerdings gibt es auch Missionen in Gegenden, wo das Sonnenlicht nicht ausreicht oder komplett fehlt. So beispielsweise bei der Erkundung der sonnenabgewandten Seite des Mondes und tieferer Regionen des Weltalls. In solchen Fällen werden Atombatterien eingesetzt, welche mit radioaktivem Plutonium-238 bestückt sind. 

Diese bezog die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) bislang aus den USA oder Russland. Aufgrund des Abbruchs der Beziehungen zu Russland und der stetig steigenden Kosten für Plutonium will die ESA nun selbst langlebige Energiequellen für ihre Raumflugkörper entwickeln, die das strahlende Isotop Americium-241 enthalten.

Deren Verwendung bietet zwei große Vorteile: Zum einen verschlingt die Stromproduktion mit Americium nur ein Fünftel der Summe, die bei Plutonium anfällt. Und zum anderen ist das Radionuklid leichter verfügbar, denn es kann aus den Abfällen von Kernkraftwerken gewonnen werden. Das haben Experimente am britischen National Nuclear Laboratory (NNL) in Sellafield bereits gezeigt. Andererseits besitzt Americium ein Manko, nämlich die etwas geringere Energieausbeute im Vergleich zu Plutonium, was schwerere Batterien erfordert, wenn die gleiche Leistung erbracht werden soll. Dazu kommt, dass keine nennenswerten Erfahrungen mit der Verwendung von Americium in der Raumfahrt vorliegen. Deshalb beschloss der ESA-Ministerrat im vergangenen November, ein mit 29 Millionen Euro dotiertes Programm namens European Devices Using Radioisotope Energy (ENDURE) aufzulegen. 

In nur drei Monaten zum Mars

Das Programm steht unter der Leitung von Véronique Ferlet-Cavrois und wird vom Europäischen Zentrum für Weltraumforschung und -technologie im holländischen Noordwijk koordiniert. In den kommenden drei Jahren soll das ENDURE-Team verschiedene Prototypen von Americium-Batterien testen. Besonderes Augenmerk wird dabei der Sicherheit gelten, denn das hoch radioaktive Material darf selbst beim Absturz eines Raumflugkörpers oder der Explosion der Trägerrakete nicht in die Umwelt gelangen. Das erfordert eine äußerst solide Einkapselung des Americiums.

Der erstmalige Einsatz der neuartigen Radionuklid-Batterien ist für die frühen 2030er Jahre in der unbemannten ESA-Mondlandefähre Argonaut alias European Large Logistics Lander geplant. Deren Aufgabe würde unter anderem darin bestehen, den im Rahmen des Artemis-Programms der US-Raumfahrtbehörde NASA auf dem Mond arbeitenden Astronauten als Kraftwerk zu dienen. Was insbesondere während der 14 Tage währenden Mondnacht von überlebenswichtiger Bedeutung ist.

Während die ESA das ENDURE-Programm verfolgt, entwickelt die NASA ihrerseits die Testplattform DRACO (Demonstration for Rocket to Agile Cislunar Operations). DRACO soll 2027 fertiggestellt sein und einen nuklearen Antrieb besitzen, der später in Mars-Raumschiffen zum Einsatz kommen könnte. In diesem Fall rechnet die NASA mit Flugzeiten von lediglich drei Monaten bis zum Roten Planeten. Gestartet werden müsste dann allerdings vom Mond. W.K.