02.05.2024

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Folge 7-23 vom 17. Februar 2023 / Russland / Ein möglicher Rivale / Der Privatarmeechef und „Koch des Kreml“, Jewgenij Prigoschin, könnte Präsident Putin gefährlich werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 7-23 vom 17. Februar 2023

Russland
Ein möglicher Rivale
Der Privatarmeechef und „Koch des Kreml“, Jewgenij Prigoschin, könnte Präsident Putin gefährlich werden
Bodo Bost

Der russische Präsident Wladimir Putin scheint bemerkt zu haben, dass der Ukrainekrieg einen gefährlichen Konkurrenten für seine eigene Macht geschaffen haben könnte: Jewgenij Prigoschin, den Gründer des privaten Militärunternehmens Gruppe Wagner, dessen Truppen an der Seite der russischen Armee kämpfen. Prigoschin, der wie Putin aus St. Petersburg stammt und einst mit einer Restaurantkette dort seine Karriere begonnen hat, erlaubt sich als einziger im Umfeld von Putin, den Präsidenten offen zu kritisieren. Bislang durfte das sonst niemand wagen.
Seit Beginn des Ukrainekrieges hat Putin dafür gesorgt, dass keine Rivalen auftauchen können. Bisher sah Putin in Prigoschin nur ein Gegengewicht zu den Generälen. Bald könnte er ihm jedoch selbst gefährlich werden.

Bekannt wurde Prigoschin zunächst nur als „Putins Koch“ oder „der Koch des Kreml“, der es schaffte, mit seinem Gas­tronomieunternehmen Concorde Staatsbankette durchzuführen und die Schulspeisung russischer Kinder im ganzen Land zu übernehmen. Dann gründete er eine Trollfabrik, die dabei half, bei den Wahlen Putins Macht zu sichern. Schließlich gründete Prigoschin die paramilitärische Organisation Gruppe Wagner, deren Mitarbeiter in Afrika, Syrien und nun in der Ukraine an vorderster Linie kämpfen. Namensgeber soll der deutsche Komponist Richard Wagner sein, weil Prigoschins Vize, Dmitrij Utkin, ein großer Wagner-Bewunderer sein soll.
Russlands zweitwichtigster Akteur

Mit dem Ukrainekrieg ist Prigoschin in eine andere Liga aufgestiegen und hat alle anderen Freunde Putins überflügelt. Dazu gehören Verteidigungsminister Sergej Schojgu, der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolaij Patruschew, der Vorstandsvorsitzende des staatlichen russischen Rüstungskonzerns Rostec, Sergej Tschemesow, und Putins engster Freund, Jurij Kowaltschuk. Prigoschin wurde zum zweitwichtigsten Akteur in Russland hinter Putin.
Sein kometenhafter politischer Aufstieg wurde in diesem Sommer deutlich, als er begann, russische Straflager zu bereisen und Gefangene für seine Privatarmee zu rekrutieren. Denjenigen, die an der Front in der Ukraine kämpfen, bot er Begnadigungen an: sechs Monate Dienst und dann die Freiheit. Um dies zu erreichen, musste Prigoschin gleich mehrere wichtige russische Sicherheitsbehörden übergehen: den Föderalen Strafvollzugsdienst, den Föderalen Dienst für Sicherheit der Russischen Föderation (FDB), das Innenministerium, die Generalstaatsanwaltschaft und das Ermittlungskomitee. Alle diese Institutionen haben einen besonderen Status. Sie sind nur Präsident Putin unterstellt, und niemand wagte es bisher, ihnen zu widersprechen.
Offene Kritik an Autoritäten

Das nächste Anzeichen für den neuen Status von Prigoschin war seine offene Konfrontation mit dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab des Militärs. Seit dem Einmarsch in die Ukraine haben nur die Leute, die an der Front sind, direkten Zugang zu Putin. Ehemalige Mitglieder des inneren Kreises, die in der Nachhut gelandet sind, wurden weniger wichtig. Prigoschin hat es geschafft, sich das Image des effektivsten Kämpfers zu geben. Er ist nicht dem Verteidigungsministerium unterstellt und nicht in das System der Militärbürokratie eingebunden. Er bestimmt seine eigenen Aufgaben, Ziele und Zeitrahmen selbst.

Putin scheint mit dieser Regelung einverstanden zu sein. Er erlaubte Prigoschin, Generäle rüde und öffentlich zu kritisieren. Sogar der tschetschenische Staatschef Ramsan Kadyrow, der früher einen direkten Draht zu Putin, aber keine militärischen Erfolge hatte, ist jetzt Prigoschin unterstellt. Prigoschin scheint bereits ein völlig unabhängiger politischer Akteur zu sein.
Am 10. Januar meldete Prigoschin über den Telegram-Kanal seines Unternehmens die Einnahme der ukrainischen Stadt Soledar durch Kämpfer der Gruppe Wagner. Dies war sein größter Sieg, aber auch ein Beweis für den Kontrollverlust Putins. Mit der Einnahme von Soledar durch Prigoschin und dessen Gruppe Wagner, die von Putin zunächst verschwiegen wurde, wird deutlich, dass auch Putin erkannt hat, dass Prigoschin sein Konkurrent geworden ist.

Viele Russen, die sich von Putins Propaganda nicht mehr täuschen lassen, sind frustriert, dass die Armee nicht mehr gewinnt. Mit Prigoschins Aufstieg geht die Zeit der Propagandakrieger Putin und Kadyrow langsam zu Ende. Eine neue Realpolitik scheint sich in Russland durchzusetzen. Prigoschin durfte sogar als einziger führender Mann Russlands die Kampfmoral der ukrainischen Soldaten loben. Dieses Lob für den Gegner macht Hoffnung auf Deeskalation, auch wenn die USA Prigoschin auf die Terrorliste setzen wollen, weil bekannt wurde, dass er Deserteure in den eigenen Reihen hinrichten ließ.