02.05.2024

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Folge 7-23 vom 17. Februar 2023 / Erinnerungen / Von der Sehnsucht nach der geliebten Heimat angetrieben / Ursula Greschkowitz hat die Geschichten ihrer Mutter niedergeschrieben – Zahlreiche Reisen nach Masuren seit 1978

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 7-23 vom 17. Februar 2023

Erinnerungen
Von der Sehnsucht nach der geliebten Heimat angetrieben
Ursula Greschkowitz hat die Geschichten ihrer Mutter niedergeschrieben – Zahlreiche Reisen nach Masuren seit 1978
Dagmar Jestrzemski

Ursula Greschkowitz lebt seit über vierzig Jahren in Witten, doch ihr Herz hängt immer noch an ihrem geliebten Masuren, wo sie bis zu ihrem neunten Lebensjahr aufgewachsen ist.

Heute scheint der Süden Ostpreußens, der Landstrich von Ortelsburg [Szczytno] bis zur damaligen polnischen Grenze über Willenburg bis Flammberg, vergessen zu sein, vermutet sie zu Recht. Gegen dieses Vergessen hat sie für ihren Sohn und ihre anderen jüngern Verwandten ein romanhaft ausgestaltetes, sehr schön geschriebenes Erinnerungsbuch geschrieben, denn auch diese wussten nur wenig über „unser schönes Masuren“ und vom Leben der Vorfahren in den Dörfern, die weitab von den großen Städten Ostpreußens lagen.  „Masuren, mein Masuren. Erinnerungen an ein Paradies“ lautet der Titel des Buches der hoch betagten Zeitzeugin, die 1936 in Klein-Schiemanen (Kreis Ortelsburg) geboren wurde. Glücklicherweise hat Jeschonowitz ihren eigenen und großenteils mit Erzählungen ihrer Mutter bereicherten Erinnerungsschatz wunderbar lebhaft und anschaulich aufbereitet. Ihre Mutter Henriette wiederum kannte viele Geschichten von ihrer Mutter Auguste, die 1888 in Jeschonowitz (später Eschenwalde) geboren wurde. In Kutzburg bei Willenberg auf dem Abbau wohnte Ursulas Oma Katharina, die Mutter ihres Vaters. Dieser arbeitete in Königsberg auf der Schichau-Werft. Die Generation der Eltern war die letzte, die neben Deutsch auch Masurisch-Polnisch sprach. Das Buch ist mit Fotos aus der alten Zeit und von ihren Sehnsuchtsreisen nach Masuren ab 1978 ausgestattet.

Gelebtes Brauchtum

Greschkowitz war ein Einzelkind, doch es gab eine kinderreiche Verwandtschaft in der Nähe und in den umliegenden Dörfern. Auch mit den Kindern der Freundinnen ihrer Mutter hat Ursula gespielt. Sie erzählt vom Auf und Ab im Leben der Dorfbewohner und der Verwandten, die nach Westfalen auswanderten, um „auf Zeche“ zu arbeiten.

Nie war man untätig. Sie selbst wurde mit fünf Jahren schon zum Kühehüten auf die Weide geschickt und holte abends manchmal die Kühe von der Weide. In der Vorweihnachtszeit wurden beim Gänsefederrupfen Weihnachtslieder gesungen. Am Ostermorgen pflegte der Opa den alten masurischen Brauch Schmackostern. Manchmal nahm er sie mit, wenn er mit Pferd und Wagen zum Einkaufen nach Ortelsburg fuhr. Die Jugendlichen saßen nach der Arbeit bis Mitternacht am Wiesenrand und vertrieben sich die Zeit mit „Geschichten erzählen“, oder sie trafen sich im alten Masurenhaus eines verarmten Ehepaars, das reihum von den Dorfbewohnern versorgt wurde.  

Über den Krieg wurde oft gesprochen. In der Zeitung, die täglich von der Post geholt wurde, lasen die Erwachsenen als erstes die Todesanzeigen von den gefallenen Soldaten. Ihre Trauer übertrug sich auf das Kind. Ein Onkel von ihr verlor seine drei Söhne im Krieg. Bis zum 18. Januar 1945 war es der masurischen Landbevölkerung verboten auszureisen. Für Ursula, ihre Mutter und eine Kusine ergab sich in der Nacht zum 19. Januar die glückliche Gelegenheit, dass sie von Soldaten, die auf dem Rückzug waren, in einem Kastenwagen mit auf die Flucht genommen wurden. Nur Stunden später gab es auf dieser Straße kein Durchkommen mehr.

Der hinter ihnen losziehende Dorftreck wurde von den Russen eingeholt. Später erfuhr sie von den Massakern der russischen Soldaten an alten Leuten, Frauen und Kindern. Viele kamen auf unvorstellbar grausige Weise bei den Massakern ums Leben, die von den russischen Soldaten an alten Leuten, Frauen und Kindern begangen wurden. Einige versteckten sich in den Wäldern und in verlassenen, verwüsteten Höfen vor der marodierenden Soldateska.
Inmitten des Gedränges von Tausenden flüchtenden Menschen fuhren Ursula, ihre Mutter und die Kusine ab Allenstein mit verschiedenen Zügen zuerst zu Verwandten nach Brandenburg und von dort nach Essen-Schonnebeck. Dort lebte die Verwandtschaft der Mutter, „von denen irgendwer im Sommer immer die Ferien bei uns in Masuren verbracht hatte“.
Aus Sehnsucht nach ihrer geliebten, verlorenen Heimat ist Ursula Greschkowitz seit 1978 oftmals nach Masuren gereist. Über diese Reisen berichtet sie in mehreren Kapiteln.

Ursula Greschkowitz: „Masuren, mein Masuren. Erinnerungen an ein Paradies“, Pro BUSINESS, Berlin,  2013 (book-on-demand),
broschiert, 160 Seiten, 9,99 Euro