05.05.2024

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Folge 09-23 vom 03. März 2023 / Die große Energiekrise kommt erst noch / Dass Deutschland diesen Winter glimpflich übersteht, ändert nichts daran, dass die Energiewende scheitern wird. Doch steht zu befürchten, dass die Politik erst dann umlenkt, wenn die eigene Wirtschaft irreversibel geschädigt ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-23 vom 03. März 2023

Die große Energiekrise kommt erst noch
Dass Deutschland diesen Winter glimpflich übersteht, ändert nichts daran, dass die Energiewende scheitern wird. Doch steht zu befürchten, dass die Politik erst dann umlenkt, wenn die eigene Wirtschaft irreversibel geschädigt ist
Fritz Vahrenholt

Die Strom- und Gaspreise sind im Februar deutlich gesunken. Allerdings liegen sie noch doppelt so hoch wie 2021 und viermal so hoch wie im internationalen Wettbewerb. Ursachen für den leichten Rückgang sind der milde Winter, die bis April weiterlaufenden Kernkraftwerke sowie die wieder hinzugeschalteten Kohlekraftwerke. Aber nach wie vor haben wir die höchsten Strompreise der Welt nach Burkina Faso.

Die große Energiekrise steht uns aber erst noch bevor. Wenn die Kernkraftwerke im April vom Netz gehen und im nächsten Frühjahr die Ersatzkraftwerke auf Kohlebasis vom Netz gehen werden, wird es ein böses Erwachen geben. Der vom Bundeskanzler angekündigte Bau von täglich fünf Windkraftwerken wird das Problem nicht lösen.

Die Alternativen liegen vor unserer Haustür

Denn Windkraftwerke liefern nur ein Viertel des Jahres ihre volle Leistung. An 140 Tagen liefern sie nahezu keinen Strom. Die Bundesregierung glaubt, mit 40 neuen Gaskraftwerken diese Lücke ausgleichen zu können. Diese Kraftwerke sollen bis 2030 auf Wasserstoff umgebaut werden. 

Ausreichenden Wasserstoff wird es aber nicht geben. Es fehlen Elektrolyseure für Wasserstoff, Leitungen für Wasserstoff, Speicher für Wasserstoff und selbst Wasserstoffkraftwerke müssen noch entwickelt werden. Am Ende ist Wasserstoffstrom viermal so teuer wie Erdgasstrom. 

Was Kanzler Scholz nicht sagt: Wir steuern in eine langanhaltende Stromkrise. Sie wird Deutschland viele, viele Arbeitsplätze kosten. Aber auch klimapolitisch ist der Zubau von 40 neuen Gaskraftwerken kurzsichtig. Schon im letzten Jahr kaufte Deutschland auf den Gasweltmärkten massiv ein und trieb die Preise hoch. Das führte zum Ergebnis, dass sich Staaten wie Pakistan oder Bangladesh Gasimporte nicht mehr leisten können. Pakistan hat daher beschlossen, keine Gaskraftwerke mehr zu bauen, sondern die Kohlekraftwerkskapazitäten zu vervierfachen. Wir legen Kohlekraftwerke still, treiben unseren eigenen Strompreis hoch und Pakistan baut Kohlekraftwerke hinzu. Das ist das Ergebnis einfältiger Energiepolitik.

Stattdessen wäre es nötig, sich auf unsere eigenen Kräfte zu besinnen und die Erdgasvorräte in Norddeutschland zu fördern. Statt Frackinggas aus den USA zu importieren, könnten wir Erdgas aus dem Tiefengestein viel umweltfreundlicher fördern als es die USA tun. Die CO₂-Bilanz wäre um 25 Prozent niedriger und auch die Kosten wären deutlich geringer. Selbstverständlich müssen wir auch unsere eigenen Braunkohlevorräte nutzen und das bei der Verbrennung entstehende CO₂ aus den Kraftwerken abscheiden und in tiefes Basaltgestein verpressen. Wir wissen, dass sich das CO₂ innerhalb von zwei Jahren mit dem Basalt zu einem dolomitähnlichen Gestein verbindet. Und selbstverständlich müssen wir unsere Kernkraftwerke weiter laufen lassen, wenn wir eine bedrohliche Stromkrise vermeiden wollen.

Aus der Eindimensionalität des Klimaschutzes befreien

Natürlich müssen wir die CO₂-Emissionen senken. Aber wir sollten dabei auch alle verfügbaren und verantwortbaren Energiequellen nutzen, um Wohlstand zu sichern und eine breit angelegte Entwicklung möglich zu machen, von den Erneuerbaren Energien über die Kernkraft bis hin zum blauen Wasserstoff aus Kohle, Öl und Gas. Wir müssen das Angebot an Energie erweitern und nicht verknappen, wenn wir unsere industriellen Arbeitsplätze und bezahlbare Energiekosten behalten wollen. Wir müssen den ideologischen Feldzug gegen Kernenergie und fossile Energien einstellen und diese Quellen verantwortbar nutzen. Und wir sollten offen sein für neue Technologien wie etwa die Fusionstechnologie. Und wir müssen Energiepolitik aus der Eindimensionalität des Klimaschutzes befreien sowie der Versorgungssicherheit und der Bezahlbarkeit wieder den notwendigen Stellenwert geben.

Da sind, nicht zuletzt seit dem Ukrainekrieg, erhebliche Zweifel entstanden, ob Deutschland den richtigen Weg eingeschlagen hat, sich hierzulande allein auf Wind- und Sonnenenergie zu verlassen. Denn die Verstromung von preiswertem Erdgas aus Russland in Gaskraftwerken war die Lösung, um die unstete Stromversorgung durch Wind und Sonne auszugleichen. Dieser Weg ist vorerst versperrt, denn Russland lenkt seinen Export aus den Jamal-Feldern um nach China. Die Pipeline „Power of Siberia 2“ nach China wird gebaut und wird etwa soviel Gas nach China liefern wie Nord Stream 1 geliefert hat. 

Die alternative Belieferung mit Fracking-Gas aus den USA ist langfristig nicht belastbar, da der US-amerikanische Präsident Joe Biden die Erschließung neuer Fracking-Felder auf öffentlichem Grund untersagt hat und daher im Verlauf der nächsten Jahre die Förderung aus bestehenden Feldern zurückgehen wird. Was mit den Exporten nach Europa aus den USA passieren wird, wenn Erdgas in den USA knapp und (wegen des Exports) teurer wird, kann man leicht vorhersehen. Als Mitte letzten Jahres die Ölpreise in die Höhe schnellten, erwägte der Präsident ein Ausfuhrverbot für Öl. Bei Gas kann uns das schnell wieder passieren.

Die großen Tabus – die eigene Erdgasförderung, die CO₂-Abscheidung bei Nutzung heimischer Braunkohle und die Weiterentwicklung der Kernenergie – stehen auf dem Prüfstand. Und je länger an diesen Tabus festgehalten wird, desto offensichtlicher wird, dass der bisherige Weg der Energiewende gescheitert ist.

Symptome des Scheiterns

In ihrem in der letzten Woche verabschiedeten Bericht zur „Versorgungssicherheit Strom“ kommt die Bundesnetzagentur schon jetzt nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass die Stromversorgung in den nächsten Jahren nur gesichert ist, wenn steigende Importe aus Frankreich, Tschechien und Polen stattfinden und wenn „Lastmanagementpotentiale zur Lastreduktion in Knappheitssituationen“ erfolgen. Die vernebelnde Sprache bedeutet auf Deutsch, dass die Versorgungssicherheit nur gewährleistet werden kann, wenn industrielle und private Verbraucher jederzeit abgeschaltet werden können. Das ist eine beeindruckende neue Definition von Versorgungssicherheit.

Das liegt auf der Linie der von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Drosselung von E-Auto-Ladestationen und Wärmepumpenanschlüssen. Wie berichtet wurde, sollte in Mangelsituationen lediglich eine Reichweite von 50 Kilometern durch die Ladestation ermöglicht werden. Die Energiewende zeigt die Symptome des Scheiterns bereits bei 900.000 E-Autos und einer Million Wärmepumpen, also bei zwei Prozent Zielerfüllung. 

Wenn wir nicht auf einen Industriestrompreis von 4 Cent je Kilowattstunde kommen, wie ihn Kanzler Scholz im Wahlkampf versprochen hat, wird die stromintensive Industrie in Deutschland keine Zukunft haben.

Die Einsicht wird viel zu spät kommen

Mit diesen düsteren Aussichten befasse ich mich ausführlich in meinem neuen Buch „Die große Energiekrise“, das gerade erschienen ist. Darin heißt es: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch noch im Jahre 2045 den größten Teil unserer Energieversorgung durch Erdgas und Erdölprodukte abdecken werden. Das gilt allemal, wenn im Stromsektor, der für die Arbeitsplätze und Wertschöpfung entscheidend ist, weiter die Weichen falsch gestellt werden. Ein Land, das ökonomisch hart zurückfällt, wird sich viele Blütenträume, wie etwa von teurer Wasserstoffwirtschaft, nicht mehr leisten können. 

Ein Land auf dem Niveau eines Schwellenlandes – und auf das steuern wir zu – wird keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Energietechnologie erbringen können. Am Ende wird es sich auch Energieimporte immer weniger leisten können. Dann, viel zu spät, wird es notgedrungen die heimischen Quellen wie eigenes Schiefergas und heimische Braunkohle anzapfen müssen.“ 

Lernen durch Scheitern

Ich beschreibe in diesem Buch auch, wie sich durch die harte Krisenerfahrung das gesellschaftliche Bewusstsein wieder verändern wird: „Eine Gesellschaft, die nie Energieknappheiten kannte und die mit infantilen politischen Aussagen wie des Speicherns vom Strom im Netz oder der Speicherung von Strom durch Tiefkühlhähnchen oder der Kosten der Energiewende in Form von Eiskugeln für dumm verkauft wurde, muss erst die bittere Erfahrung machen, dass die Energiewende gescheitert ist. Erst dann ist sie bereit, neue Risken und Chancen zu ergreifen. 

Mit der Energiewende platzen andere politisch korrekte Mantras. Das E-Auto hat in einer Welt von 300 Euro pro Kilowatt keine Zukunft. Es geht schnell, Technologien, Unternehmen und Arbeitsplätze zu zerstören. Es wird lange dauern, bis in Deutschland wieder Verbrennungsmotoren entwickelt werden, um die uns die Welt beneidet. Es werden Jahre vergehen, bis für diese Entwicklung CO₂-armer synthetischer Kraftstoff politische Mehrheiten findet.“

Von Fallstricken befreien

Aber es gibt Alternativen und eine Zukunftsperspektive: „Es wird zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis wir uns aus den Trümmern dieser Politik hervorgearbeitet haben. Aber weltweit neue Wege in Forschung und Entwicklung würden zumindest der nächsten Generation helfen, eine Zehn-Milliarden-Menschheit mit zuverlässigen und preiswerten Energien zu versorgen und nicht wie die jetzige Generation in die selbstgestellte Falle einer langen Energiekrise zu stolpern. 

Aber um sich von all den Fallstricken zu befreien, braucht es eine Zeitenwende der Energiepolitik, eine Abkehr vom grünen Monster des Green Deal, der uns in diese missliche Lage gebracht hat. Der Krieg gegen den Kohlenstoff muss beendet werden. So wie es sogar der Weltklimarat gefordert hat: Ja zur Kernenergie, Ja zu fossilen Quellen mit CO₂-Abscheidung und Ja zu Erneuerbaren Energien.“

Erst wenn uns irgendwann wieder eine Energie zur Verfügung steht, die preiswert und umweltfreundlich ist und die Versorgungssicherheit verspricht – erst dann werden wir die selbstverschuldete Große Energiekrise endlich überwinden können.  

Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist auch erschienen auf www.dersandwirt.de.






Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war von 1991 bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg und anschließend Mitglied im Vorstand der Deutschen Shell sowie Vorstandsvorsitzender der REpower Systems und der RWE Innogy. Seit 1998 ist er Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Zu seinen Schriften gehört „Unerwünschte Wahrheiten. Was Sie über den Klimawandel wissen sollten“ (Langen Müller 2020).

www.vahrenholt.net

Debatte

Fritz Vahrenholt Die große Energiekrise ... und wie wir sie bewältigen können Langen Müller Verlag 2023, Breitklappenbroschur, 208 Seiten, ISBN: 978-3-7844-3658-6 22 Euro