05.05.2024

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Folge 09-23 vom 03. März 2023 / Salzburger Exulanten / Gelungene Integration in Ostpreußen / Protestanten wurden 1731 aus dem katholischen Salzburg vertrieben – Friedrich Wilhelm I. gab ihnen eine neue Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-23 vom 03. März 2023

Salzburger Exulanten
Gelungene Integration in Ostpreußen
Protestanten wurden 1731 aus dem katholischen Salzburg vertrieben – Friedrich Wilhelm I. gab ihnen eine neue Heimat
Wolfgang Kaufmann

Viele als typisch ostpreußisch geltende Familiennamen wie Brandtstädter, Degner, Forstreuter, Haasler, Pfundtner, Schlegelberger oder Turner haben ihren Ursprung eigentlich im Raum Salzburg. Das ist eine Folge der Vertreibung der evangelischen Christen aus dem Machtbereich des Fürsterzbischofs Leopold Anton Reichsfreiherr von Firmian. Dieser hatte sich zum Ziel gesetzt, die „alte Macht und Herrlichkeit“ der katholischen Kirche im Erzstift Salzburg wiederherzustellen. 

Deswegen erließ er am 31. Oktober 1731 auf Anraten seines Hofkanzlers Hieronymus Cristani von Rall ein sogenanntes Emigrationspatent, dessen Umsetzung von Rall mit größter Eindringlichkeit anmahnte: Die Befehle des Erzbischofs zur Ausweisung aller Protestanten „müssen vollzogen werden, es gehe, wie es wolle. Leide daran, wer leiden kann, keine Gnade, kein Mittel, ein anderes ist nicht zu hoffen, es koste Leben, Blut, Geld, und was es immer seyn wolle; und wird man alsobald mit den Ungehorsamen andern zum Abscheu ein Exempel machen, und auch wider die Widerspenstigen Gewalt brauchen.“ 

Insgesamt wurden damals mehr als 20.000 Menschen aus Salzburg vertrieben und zuvor in aller Regel auch noch enteignet. Viele mussten innerhalb nur weniger Tage den Marsch ins Ungewisse antreten und unter Androhung hoher Strafen bei Zuwiderhandlung ihre Kinder unter 14 Jahren zurücklassen. 

Fast ein Viertel der Vertriebenen starb an den Strapazen auf dem Weg ins Exil. Dies lag für einige in den Niederlanden oder Amerika. Die allermeisten gelangten jedoch nach Preußen. Dessen König Friedrich Wilhelm I. hatte am 2. Februar 1732 ein Einladungspatent für die Salzburger Exulanten erlassen und verkündet, dass er diese „Glaubensgenossen in seine Staaten aufnehmen“ wolle. Damit verband er das Ziel, jene Regionen in Ostpreußen zu „re-peuplieren“, welche während der Großen Pest von 1708 bis 1714 entvölkert worden waren. Der Soldatenkönig ließ es sich nicht nehmen, die ersten Salzburger, die im April 1732 in Berlin eintrafen, höchstpersönlich mit den Worten zu begrüßen: „Bei mir sollt ihr es gut haben, Kinder.“

Zwischen Mai 1732 und Juli 1733 segelten 33 Schiffe mit rund 10.600 der Exulanten von Stettin nach Königsberg. Weitere 5200 Vertriebene aus Salzburg erreichten Ostpreußen im Zeitraum von August 1732 bis November 1733 auf dem Landweg. In Königsberg selbst blieben nur 377 der Ankömmlinge, welche ein Handwerk ausübten, wohingegen die Mehrzahl der neuen Untertanen von Friedrich Wilhelm I. – nämlich etwa 12.000 Personen – in den Kreis Gumbinnen geschickt wurde, wo noch etliche Bauernhöfe leer standen. 

In der Zeit danach tat der Soldatenkönig einiges, um den „aus christ-königlichem Erbarmen und herzlichem Mitleid“ aufgenommenen Salzburger Exulanten den Neustart zu erleichtern. So gewährte er eine dreijährige Steuerbefreiung. Außerdem erreichte Friedrich Wilhelm I. 1740, dass die überlebenden Vertriebenen aus Salzburg von dem Erzstift zumindest teilweise für den Verlust ihres Eigentums entschädigt wurden.

Die Integration der Zuwanderer, welche keine eigenen Ortschaften gründen, sondern sich in schon bestehende Dorfgemeinschaften eingliedern sollten, verlief weitgehend problemlos, wie aus den jährlichen Berichten über „Betragen und Gebahren der Salzburger“ hervorgeht. Und es dauerte auch lediglich zwei Generationen, bis die typische Mundart der Neuankömmlinge verschwand und die Nachkommen der Exulanten ein lupenreines Ostpreußisch sprachen.

Dabei avancierten nicht wenige von diesen später zu bekannten Persönlichkeiten. Das gilt unter anderen für Agnes Miegel, die populärste ostpreußische Heimatdichterin, deren Vorfahren mütterlicherseits aus Filzmoos am Fuße des Dachsteins stammten. Des Weiteren zu erwähnen wären die Sprachwissenschaftler Franz Brandstäter und Carl Capeller, die Juristen und Politiker Wilhelm Brindlinger, Horst Haasler, George Turner und Hartwig Schlegelberger sowie die Pädagogen Adalbert und Hans Forstreuter. Dazu kommen prominente Mediziner wie der Chirurg Friedrich Haasler und der Generaloberarzt Franz Sinnhuber sowie Künstler wie der Maler und Bildhauer Arthur Degner. Ebenfalls familiäre Wurzeln im Salzburger Land hatten der General der Artillerie Johann Sinnhuber, der Jagdflieger und Generaloberst der Luftwaffe Bruno Loerzer sowie der Bundeswehr-Generalmajor Ruprecht Haasler. Dann sind da auch noch der Historiker Kurt Forstreuter, der Sozialphilosoph Günter Rohrmoser und der langjährige Vorstandsvorsitzende des Gerling-Konzerns, Walter Forstreuter.

Während Preußen also lange Zeit vom Zuzug der Salzburger Exulanten profitierte, erlitt das katholische Erzstift Salzburg einen empfindlichen Aderlass an talentierten und fleißigen Menschen. Möglicherweise verlor es sogar ein Fünftel seiner Bevölkerung. Dennoch dauerte es bis zum Jahre 1966, ehe der Erzbischof von Salzburg, Andreas Rohracher, zugestand, dass die Vertreibung der evangelischen Christen sowohl eine Sünde als auch ein Fehler gewesen sei.