05.05.2024

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Folge 09-23 vom 03. März 2023 / Geschichte Königsbergs / Burgbau nach dem Vorbild der Samen / Auf der Ostspitze der späteren Vorburg errichteten die Ordensritter eine Befestigung – Danach entstand die erste Stadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-23 vom 03. März 2023

Geschichte Königsbergs
Burgbau nach dem Vorbild der Samen
Auf der Ostspitze der späteren Vorburg errichteten die Ordensritter eine Befestigung – Danach entstand die erste Stadt
Fritz Gause

Es fiel kriegserfahrenen Ordensrittern nicht schwer, einen für die Anlage einer Burg geeigneten Platz am Pregelufer auszusuchen, denn das Gelände bot sich dafür an. An der Pregelmündung waren die Ufer weithin flach und versumpft, aber einige Kilometer flussaufwärts trat das trockene Steilufer ziemlich nahe an den Fluss heran, gerade an der Stelle, wo eine alte Handelsstraße von der Weichsel am Haffufer entlang nach dem samländischen Bernsteinstrand den Pregel überquerte und eine Insel (Kneiphof) ihn in zwei Arme teilte und so den Übergang erleichterte. Zudem lag hier der Hafen, das heißt die Stelle, bis zu der Seeschiffe in den Pregel hineinfahren konnten. 

Ein Stück des Steilufers gegenüber der Kneiphofinsel war durch zwei Bachschluchten (Kantstraße und Mühlengrund) aus dem Uferrand herausgeschnitten und besonders geschützt, und da die Schluchten sich nach oben zu einander näherten, stand dieser Berg nur an einem schmalen, leicht zu sperrenden Stück (zwischen Schlossteich und Tragheimer Kirchenstraße) mit der samländischen Hochfläche in Verbindung. Auf der Süd-westecke dieser Anhöhe hatten schon die Samen einen Burgwall, Twangste genannt, errichtet, und ihrem Vorbild folgten die Ritter bei  der Anlage ihrer Burg. 

Zunächst allerdings bauten sie eine provisorische Burg auf der Ostspitze (später Vorburg, Kürassierkaserne, Reichsbank), die durch eine Mulde (später aufgeschüttet als Schlossplatz) von dem größeren Teil des Hügels getrennt war. Fünf Meter dick waren die Erdmauern, die von kräftigen Planken aus Baumstämmen gehalten wurden. Sie umschlossen Block- oder Fachwerkhäuser, die Wohn- und Wirtschaftsgebäude der Besatzung. Außerhalb, aber dicht unterhalb der Befestigung lag im Mühlengrund die Ordensmühle, die für jede Burg notwendig war. Zu ihrem Betrieb stauten die Ritter den Katzbach durch einen Damm (Französische Straße) auf und gewannen aus dem Mühlenteich, dem späteren Schlossteich, die als Fastenspeise unentbehrlichen Fische. Außerdem diente er als Schutz der Hauptburg, an deren Erbauung sich die Ritter sofort nach der Errichtung der ersten Burg heranmachten. 

Sowohl der Orden als auch Lübecker Kaufleute hatten ein Interesse an einer befestigten Stadt

Einsam hielt die Burgbesatzung, ein Komtur mit wenigen Rittern und Knechten, Wacht auf diesem vorgeschobenen Posten. Nirgendwo in weitem Umkreis gab es deutsche Bauern. Die Samen waren unterworfen und bekehrt, aber keineswegs mit dem neuen Herrn und dem neuen Glauben ausgesöhnt. Ihr bäuerlicher Adel hielt es wohl mit dem Orden, aber die Masse des Volkes wartete in dumpfer Unzufriedenheit auf die Gelegenheit, das Neue abzuschütteln und zum Alten zurückzukehren. Sollte man in dieser Lage bei der Burg eine Stadt gründen?

Die Gunst des Ortes forderte dazu heraus, und sowohl der Orden hatte ein Interesse daran, seinen Vorposten durch eine Stadt zu verstärken, wie auch die Kaufleute, besonders die Lübecker, den natürlichen Hafen als Handelsplatz zu benutzen. Tatsächlich entstand auch sofort nach der Erbauung der Burg und in ihrem Schutze eine städtische Siedlung. Da über sie nur wenig überliefert und sie schon Ende 1262 von den aufständischen Samen zerstört worden ist, hat sie der Geschichtsforschung eine Reihe von Fragen hinterlassen, die seit Langem lebhaft diskutiert worden sind, aber nicht klar und erschöpfend beantwortet werden können. 

Mit diesem Vorbehalt lässt sich über die erste Stadt Königsberg Folgendes sagen: Sie lag nicht unmittelbar am Pregel, sondern beiderseits des Steindamms, der alten, zur Bernsteinküste führenden Handelsstraße, um die Nikolaikirche und den südlich von ihr gelegenen Markt, einen großen ländlichen Platz, der später als Pferdemarkt und bis in die neueste Zeit als Wochenmarkt benutzt worden ist. Die dem heiligen Nikolaus geweihte Kirche, die älteste Königsbergs außer der Burgkapelle, war wohl nicht nur Gemeindekirche der Siedler, sondern auch Taufkirche für die bekehrten Samen, denn sie war lange Zeit die einzige Kirche im ganzen Samland. Die Siedlung war keine Stadt im Rechtssinne; sie besaß weder eine Handfeste, noch eine Selbstverwaltung mit Bürgermeister und Rat. 

Erste „civitas“ war behelfsmäßig befestigt

Da sie aber in einer Urkunde civitas genannt wird und behelfsmäßig befestigt war, war sie mehr als ein ländlicher Marktort. Sie war sozusagen die Vorform einer Stadt. Die Bewohner waren noch nicht als bürgerliche, sondern erst als kirchliche Gemeinde organisiert, die auch an andern Orten des deutschen Ostens der Stadtgemeinde voraufgeht. Ihr Oberhaupt war der Pfarrer — 1258 hieß er Gerhard. Gemeindeglieder waren Deutsche und Prussen. 

Die Deutschen mögen Kaufleute und Handwerker gewesen sein, die Prussen arbeiteten wohl am Bau der Burg. Manche christlichen Samen mögen sich auch vor ihren noch heidnischen oder nur äußerlich bekehrten Nachbarn in den Schutz der Ordensburg begeben haben. Bei dem offenbar provisorischen Charakter der Siedlung ist auch zu fragen, wieweit diese Bevölkerung schon wirklich bodenständig war oder ob sie nicht je nach den Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten und auch nach der Kriegslage zu- und abwanderte.

In dem großen Aufstand, der im Herbst 1260 ausbrach, wurden von Anfang 1262 an Burg und Stadt belagert und die Stadt wohl noch in demselben Jahre erobert und zerstört. Viele Einwohner kamen dabei ums Leben, andere retteten sich in die Burg, die der Belagerung stand-hielt. Es ist nicht nachzuweisen, dass der Orden bis dahin die Absicht gehabt habe, eine Stadt am Pregel zu gründen. 

Wie diese Stadt dann entstanden ist, wissen wir im einzelnen nicht. Erbaut wurde sie nicht an der alten Stelle auf dem Steindamm, sondern auf dem feuchten Uferstreifen zwischen Burg und Pregel, also im Schutze der Burg unmittelbar am Hafen, planmäßig nach dem in Ostdeutschland üblichen gitterförmigen Straßennetz mit der Langgasse als Längsachse. Die Überlebenden des Prussen-aufstandes bildeten einen Teil der Einwohnerschaft, neue Einwanderer kamen hinzu, darunter auch Kaufleute aus Lübeck. Zuerst bildete sich wieder eine Pfarrgemeinde; 1277 ist ein Pfarrer Jakob genannt. Dann bekam Gerko von Dobrin den Auftrag, als Lokator die Stadtgemeinde zu organisieren. Er förderte das Unternehmen so weit, dass der Landmeister Konrad von Tierberg der jungen Stadt am 28. Februar 1286 die Handfeste erteilte. Schultheiß wurde Gerko; elf Ratsherrn standen ihm zur Seite. Die Altstadt Königsberg war entstanden und trat ihren Weg durch die Geschichte an.

Erschienen im Ostpreußenblatt Nr. 10 vom 5. März 1955, Seite 12