05.05.2024

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Folge 10-23 vom 10. März 2023 / Nordirland / Der Friede ist brüchig / Zum anstehenden 25-Jahre-Jubiläum des Karfreitagsabkommens gibt es getrübte Feierstimmung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-23 vom 10. März 2023

Nordirland
Der Friede ist brüchig
Zum anstehenden 25-Jahre-Jubiläum des Karfreitagsabkommens gibt es getrübte Feierstimmung
Claudia Hansen

Nächsten Monat wird im republikanischen (Süd-)Irland und in dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland hoher Besuch erwartet. Neben vielen europäischen Politikern wird sogar US-Präsident Joe Biden anlässlich der Jubiläumsfeiern zum 25. Jahrestag des „Good Friday Agreement“ durch (Süd-)Irland, die Heimat seiner Vorfahren, und Nordirland reisen. Im ganzen Land soll gefeiert werden.

Das Karfreitagsabkommen, unterzeichnet am 10. April 1998, hatte nach 30 Jahren mit blutigen Kämpfen zwischen irischen, katholischen Republikanern und protestantischen, pro-britischen Unionisten einen lang ersehnten Frieden gebracht. „The Troubles“, wie der Nordirlandkonflikt etwas verharmlosend bezeichnet wird, waren eine schreckliche Zeit gewesen. Bis zu 3500 Tote und fast 50.000 Verletzte sind die Bilanz der Anschläge der nationalistischen Irisch-Republikanischen Armee (IRA) und pro-britischer Paramilitärs. Das in der Regierungszeit des britischen Premiers Tony Blair ausgehandelte Abkommen setzte darunter einen Schlusspunkt. Es führte eine delikate politische Machtbalance zwischen den Lagern in Nordirland ein, die eine Allparteienregierung bilden sollen.

Allerdings ist es ein brüchiger Friede. Die Regierung in Belfast, der sogenannte Stormont (nach dem Schloss, in dem sie sitzt), ist chronisch gelähmt, weil sich die Lager nicht einigen können. Der Brexit hat die Lage nochmal verschärft. Die größte pro-britische Kraft, die Demokratische Unionistische Partei (DUP), weigert sich, einer Regierungsbildung zuzustimmen, solange das Nordirland-Protokoll nicht in ihrem Sinne überarbeitet wird. 

Der Londoner Premierminister Rishi Sunak hofft, der mit Brüssel vorige Woche ausgehandelte neue Brexit-Vertrag werde den gordischen Knoten zerschlagen. Durch das sogenannte Windsor-Abkommen fallen Zollkontrollen für den Großteil der Warenlieferungen aus Großbritannien nach Nordirland weg. Aber die DUP ist noch immer nicht überzeugt, weil in Streitfällen über EU-Binnenmarktfragen als letzte Instanz das EU-Gericht zuständig sein soll. Die DUP unter ihrem Vorsitzenden Jeffrey Donaldson zögert, ob sie dem neuen Brexit-Vertrag Ende März zustimmen soll – und ob sie ihren Widerstand gegen eine Regierungsbildung in Belfast aufgeben soll. Innerlich zerrissen ist die DUP auch deshalb, weil sie bei den Wahlen 2022 auf den zweiten Platz zurückfiel hinter die irisch-nationalistische Sinn Fein, die einst als politischer Arm der IRA galt. Michelle O’Neill von Sinn Fein soll Erste Ministerin werden. Für viele Unionisten ist das schwer erträglich.

Dass die alten Wunden nicht komplett geschlossen sind, zeigen auch gelegentliche Zwischenfälle. Ende Februar wurde ein leitender Polizist in der nordirischen Grafschaft Tyrone angeschossen, verantwortlich dafür soll eine „New IRA“ sein. Diese ist eng verflochten mit Drogenkriminellen, die Grenze zu Kokainbanden ist fließend. Durch Belfast ziehen sich bis heute kilometerlange „Friedensmauern“ – das sind hohe Mauern zwischen nationalistisch-katholischen und unionistisch-protestantischen Vierteln, deren Tore nachts geschlossen werden, um verfeindete Gruppen auseinanderzuhalten. Zwar erwartet niemand, dass der ganz große gewalttätige Konflikt wieder zurückkommen wird, doch auch kleine Nadelstiche schmerzen in einer traumatisierten Gesellschaft.