08.05.2024

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Folge 11-23 vom 17. März 2023 / „Regime Change“ / George Walker Bushs Angriffskrieg gegen den Irak / Mit Bomben auf Bagdad begannen vor 20 Jahren die Vereinigten Staaten von Amerika die „Operation Iraqi Freedom“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-23 vom 17. März 2023

„Regime Change“
George Walker Bushs Angriffskrieg gegen den Irak
Mit Bomben auf Bagdad begannen vor 20 Jahren die Vereinigten Staaten von Amerika die „Operation Iraqi Freedom“
Wolfgang Kaufmann

Die meisten Kriege beginnen mit Lügen. Das gilt auch und gerade für den auch Dritter Golfkrieg oder Zweiter Irakkrieg genannten Krieg zwischen einer „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA gegen den Irak, der vom 20. März bis zum 1. Mai 2003 dauerte und mit der Niederlage der Streitkräfte, der Eroberung der Hauptstadt sowie dem Sturz des Staats- und Regierungschefs des Irak endete. Zur Rechtfertigung dieser Intervention brachte die US-Führung gleich vier Unwahrheiten in Umlauf.

So wurde behauptet, der Irak besitze einsatzfähige biologische beziehungsweise chemische Waffen und könne die USA und deren Verbündete damit angreifen. Dass das nicht der Realität entsprach, bestätigte selbst die Iraq Survey Group der US-Regierung in ihrem Abschlussbericht vom 30. September 2004. Dem Bericht zufolge hatte das Saddam-Regime entsprechende Programme bereits 1995 gestoppt.

Vorgeschobene Gründe

Weiterhin hieß es aus Washington, der Irak arbeite am Bau von Atomwaffen und habe in diesem Zusammenhang den Versuch unternommen, 500 Tonnen Uranoxid im Niger zu kaufen. Wie die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) dem UN-Sicherheitsrat mitteilte, waren die Dokumente, die das beweisen sollten, eindeutig Fälschungen. Ebenso erwies sich die Behauptung, Bagdad sei es gelungen, Bauteile für Zentrifugen zur Uran-Anreicherung zu erwerben, als falsch.

Außerdem unterstellten die USA und deren engster Verbündeter Großbritannien dem Irak, er habe seine Massenvernichtungswaffen vor den Inspekteuren der Überwachungs-, Verifikations- und Inspektionskommission der Vereinten Nationen (UNMOVIC) versteckt und somit gegen die UN-Resolution 1441 vom 8. November 2002 verstoßen, der zufolge „ernsthafte Konsequenzen“ drohten, wenn Bagdad seinen Verpflichtungen gegenüber den Vereinten Nationen zur „Offenlegung aller Aspekte seiner Programme zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen und von ballistischen Flugkörpern“ nicht vollumfänglich nachkomme. Das war nicht nur ein Eingeständnis, dass niemand solche Waffen im Irak gefunden hatte, sondern auch gelogen. Denn auf das in der Resolution 1441 enthaltene Ultimatum hin konnten die Inspekteure wenige Tage später ungehindert einreisen und bis zum 7. März 2003 mehr als 500 Kontrollen durchführen. In deren Verlauf fanden sie nichts Verdächtiges.

Die Domino-Theorie

Schließlich lautete der Vorwurf an den Irak, er habe die für die Anschläge des 11. September 2001 verantwortlich gemachte islamische Terrororganisation al-Kaida unterstützt und deren Mitglieder beispielsweise im Bombenbau und dem Einsatz von Giftgas unterwiesen. Das wollte indes nicht einmal der US-Auslandsgeheimdienst CIA bestätigen, wie der Geheimdienstausschuss des Senats im September 2006 enthüllte. Saddam Hussein sei vielmehr ein strikter Gegner jeglicher Kooperation mit dschihadistischen Gruppierungen wie al-Kaida gewesen.

Da der Irak die USA weder angegriffen oder dies für die Zukunft geplant hatte noch in der Vergangenheit an Terrorakten gegen die USA beteiligt gewesen war, war das Vorgehen der Vereinigten Staaten gegenüber dem Irak auch nicht durch das Recht zur militärischen Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta gedeckt. Hieraus ergibt sich, dass die Intervention im Irak, die mit all ihren Begleiterscheinungen und Nachwirkungen möglicherweise fast 100.000 Kämpfern auf beiden Seiten und über eine Million Zivilisten das Leben gekostet hat, als Verstoß gegen das Völkerrecht beziehungsweise als Kriegsverbrechen einzustufen ist. 

In Wahrheit ging es der Regierung von George W. Bush darum, einen von ihm und seinen Beratern bereits am 30. Januar 2001 beschlossenen „Regime Change“ im Irak durchzuführen, die US-kritische Staatsführung durch eine US-freundlichere zu ersetzen. Dahinter stand eine neue Interpretation der Domino-Theorie. Gemäß der aus dem Kalten Krieg stammenden ursprünglichen Domino-Theorie bestand die Gefahr, dass ein Wechsel von einem westlichen beziehungsweise US-freundlichen zu einem sozialistischen beziehungsweise US-feindlichen Regime in einem Land entsprechende Regimewechsel in Nachbarländern nach sich ziehen könnte. Gemäß der Domino-Theorie von Bush bestand nun die Hoffnung, dass ein Wechsel von einem undemokratischen beziehungsweise US-kritischen Regime zu einem demokratischen beziehungsweise US-freundlichen entsprechende Regimewechsel in Nachbarländern nach sich ziehen könnte. So vertrat Bush die Ansicht, dass ein demokratischer beziehungsweise US-freundlicher Irak als Symbol für die „Kraft der Freiheit“ dienen und zu US- wie Israel-freundlichen politischen Veränderungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten führen würde.

Haltung der Bundesrepublik

Inzwischen wird die Domino-Theorie im US-geführten westlichen Lager wieder mehr im ursprünglichen, Eisenhowerschen Sinne einer Gefahr denn einer Chance vertreten, seit dem Beginn des Ukrainekrieges gerne in der Spielart, dass wenn es zugelassen würde, dass die Ukraine als Folge eines russischen Sieges wieder russisch oder pro-russisch würde, dieses nur der Anfang wäre und weitere Staaten folgen würden.

Weil die Völkerrechtswidrigkeit des Überfalls auf den Irak schon Anfang 2003 ins Auge stach, weigerten sich etliche Staaten, in die „Koalition der Willigen“ einzutreten. Darunter war selbst die Bundesrepublik. In den Krieg involviert war sie am Ende allerdings trotzdem, denn sie unterstützte die Angreifer durch die Erteilung von Überflugrechten über ihr Territorium, Transportleistungen, den Schutz der US-Militärbasen auf ihrem Territorium und die Teilnahme an der Überwachung des Luftraumes über dem Irak durch die NATO. Dazu kam die Bereitstellung eines ABC-Abwehrbataillons der Bundeswehr, das dem US-amerikanischen Marine Corps Forces Central Command unterstand und in Kuwait stationiert war. Ebenso gaben Agenten des Bundesnachrichtendienstes während der Kampfhandlungen wichtige Informationen aus dem Irak an den US-Militärgeheimdienst DIA weiter.

Folgen für Deutschland

Während die Kriegsbeteiligung der Bundesrepublik also eher indirekt war, sind die Kriegsfolgen für sie gravierend. Während des Krieges, der anschließenden Besatzungszeit und des Bürgerkrieges ab Ende 2011 verließen über zwei Millionen Menschen den Irak. Etliche von ihnen kamen nach Deutschland. Laut Auskunft des Statistischen Bundesamtes leben in der Bundesrepublik inzwischen etwa 277.000 Iraker. Von diesen meist männlichen Einwanderern werden jährlich um die 10.000 Straftaten begangen. 

Auch gehört die Bundesrepublik neben den USA und Japan zu den drei größten Geldgebern des aus dem „Regime Change“ hervorgegangenen Nachkriegsirak. Im letzten Jahrzehnt, seit 2014, zahlte Deutschland im Rahmen von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, inneren Stabilisierung und humanitären Hilfe über 3,4 Milliarden Euro.