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Folge 11-23 vom 17. März 2023 / Kultur verbindet / Die Villa Lentz in Stettin / Die wechselvolle Geschichte der prachtvollen Villa – Sie bereichert die kulturelle Landkarte von Stettin, Pommern und Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-23 vom 17. März 2023

Kultur verbindet
Die Villa Lentz in Stettin
Die wechselvolle Geschichte der prachtvollen Villa – Sie bereichert die kulturelle Landkarte von Stettin, Pommern und Deutschland
Brigitte Stramm

Das Stettiner Westend wurde im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts durch die von dem bekannten Stettiner Johann Quistorp, seinem Sohn Martin und weiteren Stettiner Persönlichkeiten gegründete „Gesellschaft Westend Stettin Bauverein auf Aktien“ erschlossen. Hier entstanden herrschaftliche Villen, eine davon ist die Villa Lentz, erbaut 1888/89.

Schamotte begründete Wohlstand

Bauherr war August Lentz, der vom einfachen Mechaniker in der Fabrik von A.H. Zander zum Aktionär und Direktor aufstieg, die Firma übernahm und sie als „Stettiner Chamotte Fabrik Aktiengesellschaft, vorm. Didier“ zum Erfolg führte. Durch das Patent auf Schamottöfen konnte er erfolgreich expandieren. Als sichtbares Zeichen des erarbeiteten Wohlstands ließ er die prächtige Villa erbauen. Der Architekt Max Drechsler verwirklichte den Traum und schuf die im Wilhelminischen Stil mit einer einzigartigen Innenausstattung eingerichtete Villa, die in jedem Detail den Reichtum und die damit verbundene Stellung der Familie repräsentierte. 

Die Familie Lentz zog 1890 in ihr neues luxuriöses Heim. Doch der umtriebige und erfolgreiche Unternehmer konnte die Pracht leider nicht lange genießen, er verstarb ganz plötzlich am 10. Mai 1895, zu dem Zeitpunkt hatte er seinen Wohnsitz bereits nach Berlin verlegt, von dort aus expandierte seine Firma auch auf dem Weltmarkt.

Bedeutende Kunstsammlung

Die Tochter Margarete Tegeder erbte den Besitz in Stettin. Da sie in Berlin verheiratet war und dort lebte, verkaufte sie die Villa an den Stettiner Kaufmann Romanus Conrad, der jedoch 1906 in Konkurs ging. Daraufhin erwarb Margarete Tegeder das Anwesen wieder. 

Das Karussell dreht sich weiter. Im Jahr 1911 erwarb der Getreidehändler und Eigentümer der Zementwerke Mercur AG in Jatznick bei Greifswald das Anwesen. Er modernisierte das Innere der Villa und baute technische Neuerungen ein, wie moderne Bäder, Zentralheizung, einen Zentralstaubsauger und im Keller einen Tresorraum. In diesem Jahr kaufte er 

22 bekannte Gemälde, was der Beginn einer der bedeutendsten Kunstsammlungen wat. Das Ehepaar Wilhelm und Frieda Doering trug unterschiedliche Kunstwerke zusammen, Gemälde, Graphiken und Skulpturen. 1911 waren sie Gründungsmitglieder des „Stettiner Museumsvereins“ und trugen somit maßgeblich zur Förderung von Kunst und Kultur in Pommerns Hauptstadt bei.

1925 stifteten sie dem „Städtischen Museum für Kunst und Gewerbe“ in Stettin 34 wertvolle Gemälde zeitgenössischer Impressionisten und Nachimpressionisten. Ein Teil der Gemäldesammlung überstand übrigens die Kriegszeit und befindet sich im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald, lediglich ein Kunstwerk verblieb in Stettin.

Unruhige Zeiten

Ab den 1930er Jahren brach eine für die prunkvolle Villa nicht glückliche Zeit an. 1935 starb Doering. Seine Witwe veräußerte den Besitz an die Stadt Stettin, die es an die NSDAP und später an die Wehrmacht vermietete. Der Städtische Denkmalpfleger Michał Dębowski schreibt: „Im Krieg wurde das Gebäude von dem Nachrichten-Regiment 3 genutzt. Es überstand den Krieg unbeschädigt“. 

Noch immer unfassbar: Pommerns Hauptstadt wurde 1945 zum polnischen Szczecin. Jetzt nutzte das sowjetische Militär das Gebäude, bis zum Abzug der Truppen im Jahr 1947. Nun war der Plan, dort einen Bischofspalast als Keimzelle der künftigen Stettiner Diözese einzurichten. Doch auch das währte nicht lange. Ende 1949 mussten die Priester zugunsten der Einrichtung eines Jugendpalastes weichen. Eine Einrichtung zur „Erziehung und außerschulischen Bildung“ fand hier jetzt Platz. Zahlreiche Ateliers boten Platz für verschiedene künstlerische Aktivitäten. 2008 kam das Ende des Jugendpalastes. Zahlreiche Stettiner, die das Angebot angenommen hatten, erinnern sich sehr gerne an diese Zeit. Für eine kurze Zeit wurde das Projekt „Baltischer Kulturhafen“ initiiert. Jetzt trafen sich hier internationale Künstler und welche, die es werden wollten. Auf sie wirkte das Haus außerordentlich inspirierend.

Stettin Kulturhauptstadt

„Europäische Kulturhauptstadt“ zu werden war jetzt das Ziel. Die Villa sollte in das Konzept eingebaut werden. Doch es wurde viel Geld benötigt, das Gebäude instandzusetzen, zu modernisieren und die Räumlichkeiten den neuen Erfordernissen anzupassen. Das ist perfekt gelungen, denn jetzt heißt es: „Der 1. Januar 2021 markiert den Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte der Villa Lentz. Die dort neu gegründete Kultureinrichtung zielt auf die kreative Interpretation der Geschichte und des Erbes des Ortes, der für die alte und moderne bürgerliche Kultur Stettins einzigartig ist.“

Die Villa Lentz bietet ständig ein reichhaltiges Kulturprogramm. Am 20. März findet um 18 Uhr unter dem Motto: „Künstlerische Familien des alten Stettin“ ein Orgelkonzert mit Synagogenmusik von Jakub Stefek statt. Besonderer Höhepunkt des Konzerts ist ein Treffen mit Uri Shani, einem israelischen Orgelbauer und Nachfahre des berühmten Kantors Jakub Sarasohn, der zwischen 1875 und 1912 in der Neuen Synagoge in Stettin tätig war. Die Geschichte der jüdischen Familie Sarasohn wird durch das Konzert lebendig, und die Zuhörer werden in die Welt der Synagogenmusik von damals eintauchen. Kantor Jakub Sarasohn und der christliche Organist Robert Lahmann haben die Stettiner Synagoge zu einem wichtigen Ort auf der kulturellen Landkarte von Stettin, Pommern und Deutschland gemacht. Eintrittskarten unter bilety.willa-lentza.pl., Adresse: Al. Wojska Polskiego 84, Szczecin. 

Weitere Information, Programm und Öffnungszeiten im Internet unter: 

www.willa-lentza.pl und 

www.visitszczecin.eu