18.05.2024

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Folge 12-23 vom 24. März 2023 / Analyse / Wieder nur der Anfang?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-23 vom 24. März 2023

Analyse
Wieder nur der Anfang?
Hans Heckel

Es ist genau das geschehen, was angeblich nach den Erfahrungen der Finanzkrise von 2008 nie wieder hätte passieren sollen. Wieder sprangen Regierungen und Notenbanken mit Milliardenspritzen und weitgehenden Garantien in die Bresche, um die Finanzindustrie vor einer Katastrophe zu retten.

Wie sich die Bilder ähneln: Im September 2008 traten Bundeskanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Peer Steinbrück vor die Kameras, um den Sparern zu versichern, dass das Geld auf ihren Konten sicher sei. Nach der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) musste US-Präsident Joe Biden ein solches Versprechen abgeben.

Steinbrück gab viele Jahre später zu, dass er noch immer nicht wisse, auf welcher rechtlichen Grundlage er und Merkel damals eigentlich gehandelt hätten. Ganz abgesehen davon, dass die riesigen Summen, die im Falle eines Flächenbrandes von Bankpleiten zu stemmen gewesen wären, die Möglichkeiten der Politik gesprengt hätten. 

In den USA liegen rund 17 Billionen Dollar als Spareinlagen auf den Konten, ein Zehntel davon bei den besonders gefährdeten, mittelgroßen Regionalbanken, die im Zuge der SVB-Pleite bereits einen Ansturm von Kunden erlebten, die ihre Konten räumen wollten, weil sie der Stabilität der Banken nicht mehr vertrauen. Es stand Spitz auf Knopf.

Wie vor 15 Jahren beklagen versierte Beobachter ein Versagen der Aufsichtsbehörden – sowohl im Falle von SVB wie auch der nur durch eine (mit Steuer- und Notenbankgeld abgesicherten) Notübernahme geretteten Credit Suisse. Die Krise beider Geldhäuser hätte viel frühzeitiger erkannt werden müssen und können.

Die Ursachen für die Schieflage beider Institute sind vielschichtig. Eine jedoch liegt in der Zinspolitik der Notenbanken selbst. Banken behalten das Geld ihrer Einleger nicht in bar im Hause, sie legen es an. Unter anderem in Anleihen, hier häufig in die als besonders stabil geltenden Schuldscheine großer Staaten. Genau diese Anleihen aber wurden nun, da die Häuser in akute Liquiditätsprobleme gerieten, zum echten Problem. Um schnell an Geld zu kommen, mussten sie Anleihen verkaufen, die sie in den vielen Jahren mickrigster Zinsen erworben hatten. Nunmehr aber haben die Notenbank die Zinsen zwecks Inflationsbekämpfung wieder massiv angehoben. Alte Anleihen mit langer Restlaufzeit wurden damit extrem unattraktiv und müssen mit großen Abschlägen verkauft werden.

Eine Beispielrechnung: Zum Verkauf steht eine Staatsanleihe zu einem Prozent Jahreszins und fünf Jahren Restlaufzeit. Der derzeitige Zins für neue Anleihen desselben Landes wirft aber vier Prozent ab. Wer die alte Anleihe dennoch kaufen soll, verlangt daher vom Verkäufer die Zinsdifferenz als Abschlag im Voraus. Bedeutet: Der Verkäufer verzichtet auf mindestens 15 Prozent vom Nennwert der Anleihe (drei Prozent mal fünf Jahre). 

Notenbanken in der Klemme

Hinzu kommt die Zinserwartung: Im Moment gehen die Marktteilnehmer von weiter steigenden Zinsen aus. Auch das führt noch einmal zu Abschlägen. Um rasch an Geld zu kommen, sind in akute Zahlungsschwierigkeiten geratene Banken also gezwungen, ihre Anleihe-Depots zu Schleuderpreisen zu plündern, woraus schnell eine existentielle Krise erwachsen kann.

Die neuerlichen Geldspritzen von den Notenbanken für notleidende Banken konterkarieren zudem die Anti-Inflationspolitik. Durch steigende Zinsen soll die umlaufende Geldmenge schließlich verringert werden – nur Geld, das auf dem Markt wirksam wird, führt zu Preisinflation. Durch ihre Geldspritzen zur Abwehr einer globalen Bankenkrise aber fluten die Notenbanken auf der anderen Seite den Markt wieder mit Liquidität. Sie sitzen in der Klemme: Um die Banken zu retten, müssen sie inflationstreibendes, zusätzliches Geld in den Markt pumpen. Um die Inflation zu bekämpfen, müssten sie das Gegenteil tun.

Zu allem Überfluss weist Börsenexperte Dirk Müller noch darauf hin, dass sich die Finanzindustrie längst wieder mit neuen „toxischen“ Wertpapieren eingedeckt haben, nämlich mit hochspekulativen Papieren auf fremdfinanzierte Firmenübernahmen. Die seien durchaus mit jenen „Massenvernichtungswaffen“ von 2008 vergleichbar. Demnach war das jüngste Bankenbeben, wie die Bear-Stearns-Pleite im März 2008, womöglich wieder nur der Vorbote einer wirklich großen Krise.