18.05.2024

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Folge 12-23 vom 24. März 2023 / Ökologie / „Sargnagel für die Ostsee“ / Der Anschlag auf Nord Stream hat in einem besonders empfindlichen Naturraum beträchtliche Schäden verursacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-23 vom 24. März 2023

Ökologie
„Sargnagel für die Ostsee“
Der Anschlag auf Nord Stream hat in einem besonders empfindlichen Naturraum beträchtliche Schäden verursacht

Die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines 1 und 2 nordöstlich und südöstlich von Bornholm hatten erhebliche ökologische Folgen. So bildete sich nach der Sprengung eine großräumige Methanwolke über der Ostsee, die laut Einschätzung des Integrated Carbon Observation System (ICOS) zur Messung von Treibhausgasen „den Methanemissionen eines ganzen Jahres in … einem Land wie Dänemark“ entsprach. 

Darüber hinaus kam es zu schweren Beeinträchtigungen der Unterwassertierwelt, wie aus einer aktuellen Studie dänischer, deutscher und polnischer Zoologen und Ozeanologen um Hans Sanderson von der Universität Aarhus hervorgeht. Infolge der Explosionen wurden wahrscheinlich alle Schweinswale, Kegelrobben und Seehunde in bis zu vier Kilometern Entfernung durch Knochenbrüche und innere Blutungen getötet. Und im Umkreis von 50 Kilometern könnte es bei den Schweinswalen zu massiven Hörschäden und damit Einschränkungen bei der Echo-Ortung gekommen sein, welche die Fähigkeiten zur Nahrungssuche beeinträchtigen. 

Das ist umso fataler, als die Schweinswalpopulation in der Ostsee ohnehin schon sehr klein und vom Aussterben bedroht ist und die Sprengungen während der Tragezeit der Weibchen erfolgten, die sich nordöstlich von Bornholm versammeln.

Giftige Kampfstoffe aufgewirbelt

Damit nicht genug. Die Anschläge fanden in einem Seegebiet statt, auf dessen Meeresgrund sich eine große Deponie für ausrangierte Chemiewaffen befindet. Diese wurde nach dem Ersten Weltkrieg angelegt, und 1947 versenkte die Sowjetarmee hier weitere drei Schiffe mit 11.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe an Bord. Aufgrund des Durchrostens der Gas- und Kontaktgift-Granaten sickerten diverse schädliche Substanzen in die Sedimentschichten auf dem Boden der Ostsee. Das Team um Sanderson geht davon aus, dass die Kontamination mittlerweile eine Fläche von der doppelten Größe Bornholms betrifft. 

Normalerweise kommt es in den kritischen Bereichen zu keiner nennenswerten vertikalen Vermischung des Wassers, und deswegen führten die Schadstoffe bislang nicht zu spürbaren Umweltproblemen. Nun aber wirbelten die Explosionen etwa 250.000 Tonnen der giftigen Ablagerungen auf und vermischten sie mit elf Kubikkilometern Wasser, und das im traditionellen Laich- und Aufzuchtgebiet der Dorschpopulation der östlichen Ostsee. Dadurch dürften die Fische erhebliche Mengen an toxischen Elementen wie Arsen und Blei sowie an ebenfalls giftigen organischen Verbindungen aufgenommen haben.

Angesichts all dessen gelangte der Generalsekretär der dänischen Sektion des World Wide Fund for Nature (WWF), Bo Øksnebjergs, zu dem deprimierenden Schluss, die Anschläge hätten sich „wirklich am schlimmsten Ort“ ereignet, den man sich vorstellen könne. „Es ist eine Tragödie, dass dies genau hier passiert ist, wo die Natur bereits vollständig auf den Knien liegt. Das ist ein weiterer Sargnagel für die Ostsee.“  W.K.