18.05.2024

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Folge 12-23 vom 24. März 2023 / Deutsch Eylau / Der Marktplatz von 1905 als Modell / Mit der Detailtreue eines Meisters schuf Rafał Kocięda eine detailgetreue Ansicht seiner Heimatstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-23 vom 24. März 2023

Deutsch Eylau
Der Marktplatz von 1905 als Modell
Mit der Detailtreue eines Meisters schuf Rafał Kocięda eine detailgetreue Ansicht seiner Heimatstadt
Uwe Hahnkamp

Der 18. Februar war ein großer Tag im Leben von Rafał Kocięda aus Deutsch Eylau. Er stellte im Konferenzsaal des Kinos seiner Heimatstadt sein Modell des Marktplatzes der Stadt in dessen Zustand im Jahr 1905 vor. Am Modell im Maßstab 1:100 hat der Modellbauer und Liebhaber der regionalen Geschichte sechs Jahre lang gearbeitet. Das Ergebnis: imponierend.

Was entsteht, wenn zwei bei einem Menschen so unterschiedliche Interessen wie Modellbau und lokale Geschichte aufeinandertreffen? Entweder geht eins davon unter oder sie gehen wie bei Kocięda eine besondere Symbiose ein. Er ist beides: Modellbauer seit 40 Jahren und Liebhaber der lokalen Geschichte seit seinem 23. Lebensjahr. Die jüngsten sechs Jahre seines Lebens widmete er dem Bau eines Modells des Marktplatzes seiner Heimatstadt Deutsch Eylau, wie er Anfang des 20. Jahrhunderts ausgesehen hat. 

Lange geplant, gut durchdacht

Den Anstoß für das nun entstandene imposante Bauwerk bekam Kocięda bei einer Dienstreise in den Süden der Republik Polen, als in seinem Hotel auf ein dort ausgestelltes Modell der Krakauer Altstadt stieß, das er mit dem Blick eines Kenners bewunderte, weil er wusste, wie viel Arbeit darin steckte. Die anschließenden Fragen an sich selber lauteten: Warum nicht Deutsch Eylau? Und was genau wollte er wie darstellen? Erste handschriftliche Gebäudeentwürfe auf Millimeterpapier waren zu ungenau. Deshalb sattelte er auf Computerprogramme um.

Die ganze Altstadt von Deutsch Eylau wäre zum einen zu umfangreich geworden, zum anderen gab es historische Postkarten und Luftbilder als Datenbasis für die Darstellung vor allem vom Marktplatz der Stadt. Der Dank von Kocięda geht dabei an seinen Kollegen Stanisław Baruchowski, der ihm sein Archiv für die detaillierte Vorarbeit zur Verfügung stellte.

Das nun fertiggestellte Modell umfasst die Grundmaße 1,30 mal 1,35 Meter. Es hat in der Werkstatt des Modellbauers, in der er während der Bauzeit lange Abendstunden verbrachte, entsprechend Platz eingenommen. Neben der grundsätzlich bereits angespannten Lage durch die Corona-Epidemie strapazierte Kocięda sowohl mit dem engen Platz als auch seiner zeitaufwendigen Arbeit die Geduld seiner Verlobten Asia, wie er im Gespräch mit der „Gazeta Olsztyńska“ zugab – und dafür sprach er ihr einen großen Dank aus.

Corona, korona, koronkowa…

Warum gerade das Jahr 1905? „Das Jahr habe ich bewusst gewählt, denn das war die Belle Époque mit ihrer Verbindung von Funktionalität und Schönheit auch in der Architektur“, sagte Kocięda im Interview mit dem Fernsehsender TVP3, „außerdem gibt es aus dieser Zeit besonders viele Postkarten als Vorlage.“ Das war wichtig, denn bei dem Bau handelt sich um ein so genanntes reduzierendes Modell: die möglichst detailgetreue Darstellung eines bestimmten Objekts für einen bestimmten Maßstab. Und wie er schon vor 40 Jahren von seinem Patenonkel eingetrichtert bekam: wenn schon, dann richtig. Ein ungenaues, „nur“ gutes Modell zu bauen, kam für ihn nicht in Frage.

Dreißig Gebäude in Einzelanfertigung

Auch wenn der Maßstab 1:100 nicht ganz an den für Modelleisenbahnen (1:89) herankommt – er forderte vom Modellbauer eine große Detailtreue. In Einzelanfertigung entstanden über dreißig Gebäude aus Papier, das zu über 95 Prozent als Baumaterial diente; dabei lassen sich Gesimse, Vorhänge, Türklinken, Reklame- und Straßenschilder sowie eine öffentliche Uhr genauso genau erkennen wie der Fahnenmast auf dem Platz und der Baum vor dem Biergarten des Hotels „Zum Kronprinzen“. Eine besondere Kleinarbeit und meisterhaft ist die Oberfläche des Marktplatzes, für die Pflastersteine nutzte Kocięda 1,7 Kilogramm Aquarium- Kies und setzte daraus wie früher die Straßenbauer Stein für Stein – das war mit Abstand der arbeitsintensivste Teil. 

In welcher kulturellen Einrichtung das Modell in Zukunft zu sehen sein wird, hat Kocięda noch nicht entschieden. Dafür aber, was sein nächstes Projekt betrifft – es wird ein weiteres Buch zur Geschichte Deutsch Eylaus geben. Denn das Interesse an der Stadtgeschichte nimmt weiter zu.