18.05.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Folge 13-23 vom 31. März 2023 / Frankreich / Den Kopf aus der Schlinge gezogen / Die französische Regierung übersteht nur knapp ein Misstrauensvotum wegen umstrittener Rentenreform

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-23 vom 31. März 2023

Frankreich
Den Kopf aus der Schlinge gezogen
Die französische Regierung übersteht nur knapp ein Misstrauensvotum wegen umstrittener Rentenreform
Peter Entinger

Ausgerechnet die „dicke Bertha“ könnte das politische Schicksal des französischen Präsidenten Emmanuel Macron besiegeln. So wird Artikel 49.3 der Verfassung Frankreichs in Anspielung auf ein gleichnamiges deutsches Geschütz aus dem Ersten Weltkrieg auch genannt. Der Ausdruck soll symbolisieren, dass etwas mit brachialer Gewalt durchgesetzt wird. So wie es die französische Regierung wohl auf Geheiß des Präsidenten in der vergangenen Woche getan hat. 

Die Rentenreform, die Macron und seine Regierung gegen den Willen der Parlamentsmehrheit per Dekret durchgedrückt haben, sieht unter anderem vor, das Renteneintrittsalter schrittweise von derzeit 62 auf 64 beziehungsweise 65 Jahre zu erhöhen. Seit Wochen gehen die Menschen in Frankreich dagegen auf die Straße, rufen die Gewerkschaften zu Streiks auf. Nach der Verabschiedung brannten in Paris Mülltonnen und wurden Ordnungskräfte angegriffen. Zuvor hatte die Regierung um Premierministerin Elisabeth Borne ein Misstrauensvotum im Parlament mit gerade neun Stimmen Vorsprung überstanden. 

Macron hatte für den Fall des Scheiterns Neuwahlen in Aussicht gestellt, und es dürften vor allem Parlamentarier der konservativen Republikaner gewesen sein, die den Super-GAU für Macron und Co. verhindert haben. Denn sie könnten bei Neuwahlen die großen Verlierer sein.

Und noch eine Variante wird in Frankreichs Medien heiß diskutiert. Auch Vertreter der äußersten Linken könnten sich dem Misstrauensvotum verweigert haben, da bei möglichen Neuwahlen die Nationalisten um Marine Le Pen als Sieger hervorgehen könnten. Die Fraktionsvorsitzende des Rassemblement National gibt sich in diesen Tagen staatstragend. Einerseits rief sie zu Protesten auf, andererseits verurteilte sie die Ausschreitungen. „Wir respektieren die Institutionen, im Gegensatz zum Präsidenten und seiner Regierung“, erklärte sie. 

Verfassungsrichter prüfen Reform

Zuletzt wurde eifrig über eine Kabinettsumbildung spekuliert. Dass Macron seine Premierministerin Borne opfern würde, gilt aber als nicht unbedingt wahrscheinlich. Es wäre ein Eingeständnis, dass er zu weit gegangen ist. Im vergangenen Frühjahr wurde Macron für eine weitere Amtszeit gewählt, in vier Jahren wird er den Elysée-Palast verlassen müssen. Sein Parteienbündnis sicherte sich bei den Parlamentswahlen, die in Frankreich traditionell nach den „présidentielles“ stattfinden, nur hauchdünn den ersten Platz. 

Das ist ungewöhnlich in der französischen Geschichte, vor allem, weil der Präsident nun in der Nationalversammlung lediglich über eine relative Mehrheit verfügt. Viele Wirtschaftsexperten haben Macron in den vergangenen Monaten dahingehend bestätigt, dass eine Anhebung des Renteneintrittsalters alternativlos sei.

Dennoch sind laut Umfragen drei Viertel der Franzosen dagegen. Auch, weil Präsident und Regierung wenig überzeugend agieren. Die Rentenreform landet ohnehin erst einmal vor dem Verfassungsrat der Republik. Den haben sowohl die Regierung als auch die Opposition angerufen. Die Richter des Conseil constitutionnel sollen prüfen, ob das Gesetz verfassungskonform ist. Bis dahin dürfte es unruhig bleiben.