18.05.2024

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Folge 13-23 vom 31. März 2023 / Massaker von Deir Jassin / Der „Sieg“, der laut Menachem Begin den Staat Israel erst ermöglichte / Vor 75 Jahren griffen paramilitärische Verbände der zionistischen Untergrundorganisationen Irgun und Lechi ein etwa 600 Einwohner zählendes Dorf an. Die Folgen waren von militärischer und ziviler sowie von kurz- und langfristiger Natur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-23 vom 31. März 2023

Massaker von Deir Jassin
Der „Sieg“, der laut Menachem Begin den Staat Israel erst ermöglichte
Vor 75 Jahren griffen paramilitärische Verbände der zionistischen Untergrundorganisationen Irgun und Lechi ein etwa 600 Einwohner zählendes Dorf an. Die Folgen waren von militärischer und ziviler sowie von kurz- und langfristiger Natur
Wolfgang Kaufmann

Am 30. November 1947 begann der Palästinakrieg, weil die arabische Seite den UN-Teilungsplan für Palästina ablehnte. Aus diesem Anlass sagte Matiel Mughannam vom Arabischen Hohen Komitee, einem zentralen politischen Organ der Araber im britischen Mandatsgebiet Palästina: „Ein jüdischer Staat hat keine Überlebenschance, jetzt, wo der Heilige Krieg ausgerufen wurde. Letztlich werden alle Juden massakriert werden.“ 

Daraufhin arbeitete die paramilitärische zionistische Untergrundorganisation Haganah, die später in der israelischen Armee aufging, den Plan Dalet aus, der dem geplanten jüdischen Staat das Überleben sichern sollte, wenn die britische Mandatsmacht abgezogen war. Zu den vorgesehenen Maßnahmen gehörte die Räumung aller palästinensischen Siedlungen, die eine strategische Bedrohung darstellten.

Das betraf auch das Dorf Deir Jassin im Nordwesten Jerusalems. Während der arabischen Blockade Jerusalems und der Kappung der Versorgung der dort lebenden jüdischen Bevölkerung ab März 1948 wurden von hier aus Jerusalem und die jüdischen Dörfer Beit Hakerem, Bayit Vagan und Yefe Nof sowie die Straße zwischen Jerusalem und Tel Aviv beschossen. Zur Aufhebung der Blockade starteten Kampfverbände der Haganah am 5. April die Operation Nachschon. 

100 bis 110 tote Araber

In diesem Zusammenhang genehmigte der örtliche Haganah-Kommandeur David Shaltiel auch einen Angriff zweier mit der Haganah kooperierender extremistischer jüdischer Untergrundorganisationen, der seit 1943 von dem späteren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin geführten Irgun Zwai Leumi und Lechi, auf Deir Jassin. Der Befehl lautete, das Dorf zu besetzen, um die von dort ausgehende Gefahr zu neutralisieren.

Vor dem Sturm auf die Siedlung nutzten viele der 700 Bewohner nach einer offiziellen Vorwarnung der jüdischen Seite die Fluchtkorridore in Richtung Ayn Karim, während sich die restlichen Palästinenser in ihren Häusern oder bunkerartigen Befestigungen verschanzten und von dort aus systematisch auf die Angreifer feuerten, als die am frühen Morgen des 9. April 1948 vorzurücken begannen. 

Was dann passierte, ist bis heute umstritten. Fest steht, dass zwischen 100 und 130 militärisch ungeschulte jüdische Kämpfer unter dem Kommando des Irgun-Mannes Ben-Zion Cohen Deir Jassin eroberten und dabei zwischen 100 und 110 Araber sowie vier oder fünf Irgun- oder Lechi-Angehörige starben. Umstritten ist, ob es sich auf arabischer Seite um Gefallene und eventuell auch zivile Kollateralopfer während der verbissenen Nah- und Häuserkämpfe handelte oder um Menschen, die von den Siegern gezielt exekutiert wurden.

Vier oder fünf tote Angreifer

Glaubt man der arabisch-palästinensischen Geschichtsschreibung, trifft Letzteres zu. Die jüdischen Milizionäre sollen unschuldige Dorfbewohner enthauptet, ausgeweidet, verstümmelt und vergewaltigt haben. Außerdem sei es zu mehrfachem Kindesmord gekommen. Der israelische Historiker, Professor an der Universität Exeter und Autor der Monographie „Die ethnische Säuberung Palästinas“, Ilan Pappe, geht von einem geplanten Massaker aus, das als Blaupause für den künftigen Umgang mit den Arabern im Heiligen Land gedacht war.

Die israelische Regierung spricht hingegen bis heute von zahlreichen Scharfschützen und teilweise aus dem Irak stammenden Freischärlern, die sich oftmals als Frauen verkleidet und die Angreifer derart massiv unter Feuer genommen hätten, dass die Hinzuziehung zweier Einheiten der Haganah-Elitetruppe Palmach unter Mordechai Weg und Moshe Eren mit gepanzerten Fahrzeugen und Granatwerfern nötig gewesen sei. Ebenso wird auf die etwa drei Dutzend verwundeten jüdischen Milizionäre verwiesen, zu denen auch deren Befehlshaber Cohen zählte. Es ist nicht möglich, diese Angaben unabhängig zu überprüfen, weil viele Dokumente über die Vorgänge vor einem Dreivierteljahrhundert nach wie vor unter Verschluss gehalten werden.

Palästinensischer Exodus

Die Folgen des Massakers waren von militärischer wie ziviler, von kurz- wie langfristiger Natur. Am 5. Mai 1948 griffen Ägypten, Syrien und Jordanien sowie der Libanon und der Irak den neu proklamierten Staat Israel an, nachdem der Beschluss hierzu auf einem Treffen des Politischen Ausschusses der Arabischen Liga am 10. April gefasst worden war. Zuvor begingen arabische Milizen noch mehrere Massaker an Juden wie am 13. April beim Überfall auf einen Sanitätskonvoi am Berg Skopus, bei dem zahlreiche Ärzte und Krankenschwestern starben, und am 13. Mai im Kibbutz Kfar Etzion.

Außerdem löste das Massaker von Deir Jassin eine Massenflucht der arabischen Bevölkerung aus. Bis zur Ausrufung des Staates Israel beziehungsweise dem Beginn des Angriffs der Arabischen Liga strömten bereits zwischen 250.000 und 300.000 Palästinenser aus dem britischen Mandatsgebiet in die Nachbarländer.