18.05.2024

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Folge 14-23 vom 06. April 2023 / Asylpolitik / Kommunen sind überfordert / Nach zwei Flüchtlingsgipfeln: Keine Lösung der Kostenfrage in Sicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-23 vom 06. April 2023

Asylpolitik
Kommunen sind überfordert
Nach zwei Flüchtlingsgipfeln: Keine Lösung der Kostenfrage in Sicht
Hagen Ritter

Deutschlandweit sehen sich Bürgermeister und Landräte bei der Bewältigung der Flüchtlingskosten vom Bund im Stich gelassen. In vielen Kreisen und Kommunen macht sich mittlerweile ein Gefühl der Überforderung breit. 

Auf einem Kommunalgipfel der Unionsfraktion mit gut 200 Bürgermeistern und Landräten zur Asyl- und Flüchtlingspolitik beklagte etwa der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Achim Brötel (CDU): „Wir fühlen uns alleingelassen.“ Gemünzt war dies auf die Bundesregierung, die nach Ansicht des Landrats ihrer Verantwortung nicht gerecht wird. Der eigentliche „Gipfel“ sei gewesen, dass der Kanzler während des Migrationsgipfels des Innenministeriums eine Bäckerei in Hannover besucht habe, so der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises.

CDU-Chef Friedrich Merz warnte auf dem Treffen, die große Zahl von ukrainischen Flüchtlingen und von Asylbewerbern werde Deutschland „an die Grenzen dessen bringen, was die Gesellschaft noch bereit ist zu akzeptieren“. Der CDU-Fraktionschef konstatierte, die Bundesregierung habe zwar zwei Mal zu einem Flüchtlingsgipfel eingeladen. Die Ergebnisse beider Treffen seien für die Kommunen aber „unverändert sehr unbefriedigend und unzureichend“, so Merz. 

Regierung enttäuscht Hoffnungen

Der Unionspolitiker spielte damit auf die beiden sogenannten Flüchtlingsgipfel an, zu denen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im vergangenen Herbst und im Februar dieses Jahres geladen hatte. Länder und Kommunen hatten vom Bund konkrete Zusagen zur Übernahme von Kosten erwartet. Diese sind offenbar so hoch, dass sie von den Betroffenen nicht einfach nebenbei gestemmt werden können. 

In welchen Dimensionen sich die Gesamtkosten bewegen, lässt ein Positionspapier der hessischen Kommunalverbände vom vergangenen Jahr erahnen. In dem Papier heißt es mit Blick auf die ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die nach Deutschland gekommen sind: „Städte, Landkreise und Gemeinden in Hessen setzen einen Forderungsbetrag gegenüber dem Bund von 3500 Euro pro Flüchtling und Monat an.“ 

Nach der Berechnung des Hessischen Städtetags müssen im Durchschnitt pro Person täglich mit 75 Euro für „Unterbringung, Verpflegung, Betriebskosten“ aufgewendet werden. Als weitere Kosten führte der Städtetag 25 Euro für „psychosoziale Betreuung“, 15 Euro für „Sozialarbeit“ und zehn Euro für „Sicherheitsdienst“ an. Das macht zusammen 125 Euro pro Tag und Peron. Brandenburgs Städte- und Gemeindebund teilte gegenüber der „Welt am Sonntag“ mit, er teile „im Grundsatz die Kosteneinschätzung des Hessischen Städtetages“. 

45 Milliarden Euro Zusatzbelastung

Seit dem Februar 2022 haben sie nämlich bereits mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Insgesamt entstehen für die Städte und Gemeinden damit jährliche Zusatzkosten von mehr als 45 Milliarden Euro. 

Bleiben die Kommunen am Ende auf diesen Kosten sitzen, wird sich das sehr umfassend auf den Alltag der Bürger auswirken. Marcel Fratzscher, der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sieht sogar den Wohlstand in Gefahr. In einem Beitrag in der „Augsburger Allgemeinen“ forderte der Ökonom den Bund dringend auf, zu handeln. Laut Fratzscher sind die Kommunen eine Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand in Deutschland: „Knapp die Hälfte aller öffentlichen Investitionen in Deutschland wird von den Kommunen getätigt.“

Gemeinden sorgen für Wohlstand

Fratzscher erinnerte daran, dass die deutschen Kommunen einen großen Teil der Infrastruktur für Schulen, für den Verkehr, für Energie- und Wassernetze, für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bereitstellen. Diese Grundversorgung ermöglicht es Unternehmen, Produktionsstätten aufzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen. Werden die Kommunen nun aber vom Bund auf den Kosten für die Flüchtlinge sitzen gelassen, müssen sie bei anderen Ausgaben sparen und Mittel in ihrem jeweiligen Haushalt umschichten. Einen Teil der Kommunen trifft diese Herausforderung nach Angaben des DIW-Chefs in einer ohnehin schon sehr schwierigen Lage: Diese Städte und Gemeinden sind nämlich bereits überschuldet.

In Brandenburg kämpfen viele Kommunen noch mit einem sehr speziellen Problem. Ein Großteil der märkischen Gemeinden hängt bei der Prüfung ihrer Jahresabschlüsse nämlich weit zurück. Im uckermärkischen Amt Brüssow datiert der jüngste geprüfte Jahresabschluss aus dem Jahr 2014 vor. 

Laut der brandenburgischen Kommunalverfassung droht diesen Kommunen ab Ende 2024 eine automatische Verhängung einer Haushaltssicherung, wenn sie keinen geprüften Jahresabschluss vorlegen, der  sich maximal auf einen drei Jahre zurückliegenden Haushalt bezieht. 

Fallen die Gemeinden unter den Status einer „Haushaltssicherung“, dürfen sie nur noch Geschäfte der laufenden Verwaltung tätigen, aber keine freiwilligen Leistungen, etwa Förderungen für Vereine, zahlen. Oliver Hermann, der Vorsitzende des Städte- und Gemeindebundes, warnte, dass in Brandenburg flächendeckend Kommunen drohe, in eine vorläufige Haushaltsführung zu geraten. Als Grund für die schleppende Erledigung der Jahresabschlüsse gilt vor allem die Personallage vieler Kommunen.