19.05.2024

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Folge 15-23 vom 14. April 2023 / Ökologie / Großbritannien ächzt unter einem stinkenden Umweltproblem / Fäkalien, benutzte Kondome und Schlimmeres: Die Küsten und Seen des Landes sind hochgradig verdreckt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-23 vom 14. April 2023

Ökologie
Großbritannien ächzt unter einem stinkenden Umweltproblem
Fäkalien, benutzte Kondome und Schlimmeres: Die Küsten und Seen des Landes sind hochgradig verdreckt

Ein Shitstorm ist eine Flut von Negativkritiken oder Beleidigungen an die Adresse von Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen. Wörtlich aus dem Englischen übersetzt, handelt es sich dabei um einen „Scheißesturm“. Und manchmal lösen tatsächlich auch Exkremente einen solchen aus. 

So geschehen im Sommer 2021, als Umweltverbände, Wassersportler und Fachleute für Gewässer- beziehungsweise Naturschutz die britische Regierung in unzähligen wütenden Wortmeldungen dafür kritisierten, dass in den Flüssen und an den Küsten des Vereinigten Königreichs immer mehr Fetzen von gebrauchtem Toilettenpapier, benutzte Kondome sowie noch deutlich ekelhaftere Dinge treiben.

Und tatsächlich hat sich die Qualität der insgesamt 4679 Binnen- und Küstengewässer Großbritanniens in jüngster Zeit auf dramatische Weise verschlechtert. Beispielsweise müssen die Seebäder ihre Strände im Durchschnitt alle sechs Tage wegen Verschmutzung durch Abwässer sperren. 

In der Badesaison 2022 gab es 2053 solcher Vorfälle. Planschenden Kindern, Schwimmern, Surfern und Tauchern drohen permanent Infektionen durch Fäkalbakterien. Dazu kommt der Kontakt mit multiresistenten Keimen aus Tierzuchtbetrieben, wo zu viele Antibiotika eingesetzt werden. Ebenso irritiert ein mancherorts massives Artensterben – und wo sich dies noch in Grenzen hält, können Fische, Muscheln und Krebse wegen der Schadstoffbelastung nicht mehr verzehrt werden.

Ein Erbe der Privatisierung

Der Grundstein für diese Misere wurde Ende der 1980er Jahre gelegt, als die Regierung von Margaret Thatcher die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung privatisierte. Seitdem gingen die Investitionen in das Kanalnetz zurück, wodurch die sogenannten Overflows und Dry Spills zunahmen. Bei Ersterem handelt es sich um das Austreten von Schmutzwasser aus den unterirdischen Kanälen, in denen das Regenwasser sowie die Abwässer aus den Haushalten und der Industrie gemeinsam in Richtung Kläranlage fließen. Overflows entstehen durch starke Niederschläge, aber neuerdings kommt es auch schon bei Trockenheit zu solchen „Überflutungen“, die eigentlich gar keine sind, sondern eben Dry Spills: Abwassereinleitungen in Flüsse und Bäche bei niedrigem Wasserstand, die zu besonders starken Verschmutzungen und Keimbelastungen führen. 

In Reaktion auf diese buchstäblich zum Himmel stinkenden Zustände hat London inzwischen ein neues Umweltschutzgesetz verabschiedet. Es sieht unter anderem hohe Geldstrafen für Entsorger vor, die unberechtigte Abwassereinleitungen vornehmen. Das hinderte diese aber nicht daran, 2022 fast eine Milliarde Pfund Dividende an ihre Anteilseigner auszuschütten. 

Gleichzeitig muss der britische Steuerzahler bis 2027 5,3 Milliarden Pfund für den vom Staat finanzierten Gewässerschutz aufbringen. Durch das Investitionspaket sollen bis 2030 drei Viertel der Gewässer des Königreichs wieder in einen ökologisch gesunden Zustand versetzt werden. Dass dies gelingt, bezweifelt derzeit freilich sogar die oberste Aufsichtsbehörde Water Services Regulation Authority. W.K.