19.05.2024

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Folge 15-23 vom 14. April 2023 / Philosophie / Wenig plausible Gegenüberstellung / Peter Neumann stellt in seinem Buch „Feuerland“ Utopien von Persönlichkeiten der Kunst und Literatur aus den vergangenen 200 Jahren vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-23 vom 14. April 2023

Philosophie
Wenig plausible Gegenüberstellung
Peter Neumann stellt in seinem Buch „Feuerland“ Utopien von Persönlichkeiten der Kunst und Literatur aus den vergangenen 200 Jahren vor
Dirk Klose

Utopien haben die Menschen immer fasziniert, da sie meist eine bessere Welt versprechen, was eine Verheißung aus dem jetzigen Jammertal wäre. Vielleicht hat Peter Neumann, Philosoph und Publizist, beim Untertitel seines Buchs „Feuerland. Eine Reise ins lange Jahrhundert der Utopien 1883–2020“ auch ein wenig darauf spekuliert. Der hier genannte Zeitraum war in der Tat bis 1945 die Zeit grundlegend-revolutionärer politischer als auch künstlerischer und ästhetischer Entwürfe von großer Zug- und Sprengkraft.

Der Autor geht es aber anders an. Er stellt jeweils ein Paar aus Kunst oder Dichtung gegenüber, in dem sich Hoffnungen und Erwartungen ihrer Zeit ausdrücken.  Beispielsweise Käthe Kollwitz und Gerhart Hauptmann im gleichermaßen saturierten wie unsicheren Kaiserreich; Gräfin Reventlow und Thomas Mann als Gegensätze  in der Bohème-Welt von Schwabing; in den 1920er Jahren dann James Joyce und Marcel Proust mit ihren bahnbrechenden Romanen; 1938 das Treffen von Sigmund Freud und Salvador Dalí als Konfrontation von Psychoanalyse und Surrealismus; in der Nachkriegszeit Gottfried Benn und Theodor W. Adorno vor dem neuen Medium Radio; schließlich die über das vereinte Deutschland nachdenkenden Christa Wolf (Ost) und Jürgen Habermas (West).

Der utopische Kern dieser faktenreich gezogenen Parallelen wird oft nur wenig ersichtlich. Am ehesten noch im Gegenüber von Ernst Bloch und Max Weber, die beide mit Macht das ab 1914 im Kriegstaumel versinkende Deutschland zu einer liberalen (Weber) beziehungsweise sozialistischen (Bloch) Republik umgestalten wollten. Dieses informative Kapitel hätte Vorbild für andere, vielleicht plausiblere Gegenüberstellungen sein können. 

Gar nicht ersichtlich wird, was eine Griechenlandreise des missmutigen Martin Heidegger von 1962 mit dem Fiasko einer angeblichen Griechenlandtour Friedrich Hölderlins zu tun hat, und was das gänzlich „unutopische“ Kapitel über die Sanierung des Goethe-Sargs in der Weimarer Fürstengruft oder das letzte über den mutigen Stéphane Hessel („Widerstand“) und den 1940 im Selbstmord endenden Walter Benjamin im Kontext des Buches bedeuten.

Neumanns Buch würde man etwas geneigter folgen, wäre der große Anspruch „Utopie“ etwas niedriger gehängt. Die oft geistreichen Kapitel entschädigen dann etwas, vielleicht noch mehr, hätte der Autor auf eine mitunter allzu saloppe Sprache (Wilhelm II. als „Fatzke“) verzichtet.

Peter Neumann: „Feuerland. Eine Reise ins lange Jahrhundert der Utopien 1883–2020“, Siedler Verlag, München 2022, gebunden, 304 Seiten, 24 Euro