18.05.2024

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Folge 16-23 vom 21. April 2023 / Ostzone / Auferstanden aus den Fluten / „Planübererfüllung“ nach nur dreieinhalb Monaten – Das Berliner DDR-Museum ist mit neuem Konzept wiedereröffnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-23 vom 21. April 2023

Ostzone
Auferstanden aus den Fluten
„Planübererfüllung“ nach nur dreieinhalb Monaten – Das Berliner DDR-Museum ist mit neuem Konzept wiedereröffnet
Silvia Friedrich

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach’ Limonade daraus. So wenig sich diese inhaltlich mit Südfrüchten befassende Weisheit mit der realexistierenden Versorgungslage der DDR vereinbaren lässt, so stimmig ist sie bezüglich der Wiedereröffnung des Berliner DDR-Museums im April dieses Jahres. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, ließ der Direktor Gordon Freiherr von Godin kurz vor der Neueröffnung wissen. Viele Inhalte, die Godin und sein Team inhaltlich schon lange in der Schublade hatten, konnten nun durch den misslichen Umstand einer Havarie umgesetzt werden. 

Allen steckt der Schock noch in den Knochen beim Gedanken daran, dass am 16. Dezember in den frühen Morgenstunden eine Schadensmeldung kam: Das 

16 Meter hohe Großaquarium im Gebäudekomplex des Dom-Aquarées in Berlin-Mitte war urplötzlich geplatzt, wobei sich etwa eine Million Liter Salzwasser in der gesamten Umgebung verteilten. Sofort war klar, dass dieses Unglück auch das direkt benachbarte DDR-Museum betraf. 

Bei erster Besichtigung um kurz nach 7 Uhr wateten alle knöcheltief im Wasser. Obwohl die Wassermassen die Wände herunterliefen, von oben durch die Decke kamen und sich das Salz in Stromverteiler und Exponate fraß, konnten die meisten Objekte beinahe unbeschadet gerettet werden. Schwer getroffen hatte es nur die original eingerichtete DDR-Wohnung aus dem Jahre 1984. Insgesamt belief sich der Schaden auf 1,5 Millionen Euro. 

Zum großen Teil wird die Summe aus Mitteln privater Gesellschafter übernommen. Gebäudeversicherungsgelder müssen abgewartet werden. Das privat geführte Museum bekommt keine öffentlichen Gelder und will den Schaden auch nicht auf die Besucher in Form von Eintrittspreiserhöhungen abwälzen.

Nach Schließung des Museums im Dezember wurde sofort mit dem Trocknen der Räume begonnen. Prüfgutachter und Sachverständige machten sich an die Arbeit. Es waren Sanierungskonzepte zu erstellen, die insgesamt von 16 Gewerken an Ort und Stelle umgesetzt wurden. Das Modell einer alten Erika-Schreibmaschine, die durch die Salzkristalle komplett korrodierte, wird als Erinnerungsstück nun in die Schau übernommen. 

8000 Ausstellungsstücke sind zu bewundern, die mit Sonderausstellungen aus einem reichhaltigen Depot des Museums, das weitere 300.000 Stücke beherbergt, erweitert wird. Den Anfang macht dabei der „DDR-Alltag in 200 Objekten“. Menschen aus Ost und West sind sehr spendierfreudig und geben ihre Schätze aus DDR-Zeiten gerne unentgeltlich weiter. Ab dem Eingang ist das Museum jetzt außerdem barrierefrei, da nach der Sanierung ein Fahrstuhl für Rollstühle installiert wurde.

Der „Nischel“ darf nicht fehlen

Wer die Räume betritt, steht vor einem sechs Meter langen originalen Mauerstück und sucht zunächst einmal den Weg. Man denkt sofort an alte Zeiten, als Visa und Kontrolle den innerdeutschen Austausch behindern sollten. Ein Trabant 601 Deluxe macht sich vor dem Betonklotz breit und lädt, mit typisch knatternden Geräuschen, Besucher zur virtuellen Fahrt ein. Gut, dass man auf den Abgasgestank verzichtet hat, ansonsten ist alles wie dereinst. 

Die Ausstellungsmacher ließen wissen, dass man sich bei der Neukonzeption viele Jahre nach dem Mauerfall nun auch auf nachgewachsene Generationen besonnen habe, die von der DDR nicht viel oder gar nichts wüssten, aber auch auf Touristen aus dem Ausland, denen völlig unklar sei, dass und warum Deutschland einmal geteilt war. 

Endlich erfährt gleich im vorderen Teil des Museums auch der historisch eher unkundige Besucher durch das Modul „Deutsche Teilung“, wie es zur Teilung Deutschlands, den Besatzungszonen und zum Mauerbau kam. Das Modul „DDR kompakt“ zeigt auf einer großen Fläche die 15 Bezirke des mitteldeutschen Staates, verziert mit kleinen Landmarken wie dem „Nischel“, also dem Karl-Marx-Kopf, an der Stelle, wo sich die nach ihm benannte Stadt befand. 

Regelrecht erdrückt steht der Besucher gleich im Anschluss vor einer Plakatwand mit „Propaganda“ aus den 1980er Jahren. Auch dieses Modul ist neu eingerichtet worden und lässt jeden Gast eine Weile verharren. Beinahe benommen von all den „roten Sprüchen“ zieht es einen dann zu den Aufbauten, die, als Plattenbauten angelegt, viele Schubladen enthalten, die nach Herzenslust und Interesse geöffnet und angeschaut werden sollen.

So mancher betritt danach erstmals eine original „WBS 70“-DDR-Plattenbauwohnung, kann es sich in den Einheitsmöbeln bequem machen oder in den Küchenschränken nach Vorräten schauen. Neu hinzukommen wird noch ein Modell des Palastes der Republik, ein Kino und eine Konsum-Situation. Eine Stellwand erinnert schon vorab an die teils katastrophale Versorgungslage mit Zitaten, wie: „17.8.84 Alter Konsum. Bis 11:30 Uhr wegen Fliegenbekämpfung geschlossen“, oder: „Riesige Schlangen in Dessau wegen Apfelsinen und Bananen“.

Das Haus ist mit 585.000 Gästen im Jahr 2019 eines der meistbesuchten Museen der Stadt und das Interesse ungebrochen stark. Regelmäßig zur „Langen Nacht der Museen“ warten Besucher in langen Schlangen bis zur „Karl-Liebknecht-Brücke“ hin auf Einlass. Grund dafür ist, dass sich nur jeweils 350 Personen in den Räumen aufhalten dürfen. Doch eigentlich erinnert es dadurch sogar schon draußen massiv an alte DDR-Zeiten mit Schlangestehen.

Buchtipp Quirin Graf Adelmann/Gordon Freiherr von Godin: „DDR-Alltag in 200 Objekten“, DDR Museum Verlag, 256 Seiten 20 Euro. DDR-Museum täglich von 9 bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt: 12,50 Euro www.ddr-museum.de