18.05.2024

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Folge 17-23 vom 28. April 2023 / Verstolperte Kampagne / Eine abstruse Affäre um Springer-Chef Mathias Döpfner: Während die „Zeit“ versucht, den Verleger mit der Veröffentlichung privater Chat-Nachrichten bloßzustellen, will ihn ein ehemaliger Freund mit einem Schlüsselroman kompromittieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-23 vom 28. April 2023

Verstolperte Kampagne
Eine abstruse Affäre um Springer-Chef Mathias Döpfner: Während die „Zeit“ versucht, den Verleger mit der Veröffentlichung privater Chat-Nachrichten bloßzustellen, will ihn ein ehemaliger Freund mit einem Schlüsselroman kompromittieren
Holger Fuss

Einem Axel Cäsar Springer wäre so etwas gewiss nicht passiert. Als sein Verlag 1967/68 zur Zielscheibe der Studentenunruhen wurde, standen die „Bild“-Redakteure geschlossen hinter ihrem Verleger. Auf den Straßen wurde skandiert: „Enteignet Springer!“ Oder: „Leute, macht die Fackeln aus, die brauchen wir fürs Springer-Haus!“ Die „Bild“-Zeitung keilte zurück und kommentierte den tödlichen Schuss eines Polizisten auf den Studenten Benno Ohnesorg: „Er wurde Opfer von Krawallen, die politische Halbstarke inszenierten.“ Über die Demonstranten hieß es: „Ihnen genügte der Krach nicht mehr. Sie müssen Blut sehen.“ Die aufmüpfigen Studenten nannte „Bild“ eine „Rote SA“.

Von solch einer Gefolgschaft kann der heutige Chef des Springer Verlages nur träumen. Nachdem die „Zeit“ in der vorvergangenen Woche über den Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner eine doppelseitige Enthüllung privater digitaler Kurznachrichten zum landesweiten Skandal emportrompetete, fiel tags darauf die erst vier Wochen zuvor inthronisierte „Bild“-Chefredakteurin Marion Horn ihrem Vorgesetzten mit einem Kommentar in den Rücken: „Eigentlich ist eine Entschuldigung fällig, Chef!“

Zu Zeiten des Verlagsgründers Axel Cäsar Springer wäre diese pausbäckige Dame auf kurzem Dienstweg entfernt worden. Mathias Döpfner jedoch knickte ein und ließ anderntags auf „Bild“-Online verlauten: „Stimmt! Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich mit meinen Worten viele gekränkt, verunsichert oder verletzt habe. Ein Beispiel: ,Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten.‘ Das ist verletzend. Und wörtlich genommen natürlich Quatsch.“

Der Rohrkrepierer der „Zeit“ 

Dabei ist dieses Zitat eine erkennbare Übertreibung, eine verbale Alltagskarikatur, wie sie in Gesprächen immer mal stattfinden und von einem unsichtbaren Augenzwinkern begleitet werden. Wer diesen Kontext ignoriert, ist entweder humorlos oder böswillig. Oder er verfolgt eine politische Absicht, wie eben die „Zeit“-Autoren. Sie werfen Döpfner eine „radikalisierte Sichtweise“ auf die Kanzlerin Angela Merkel vor, wenn er nach der desaströsen Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen im Februar 2020 schreibt: „Das Land hat jeden Kompass verloren. Und M den Verstand. Sie ist ein sargnagel der Demokratie. Bald hat die afd die absolute Mehrheit.“ (Die Tippfehler veröffentlichte die „Zeit“ aus Bosheit im Original.) Der „Zeit“-Artikel wirft Döpfner „eine konstante Verachtung der Eliten“ vor – eigentlich die Aufgabenbeschreibung für jeden Verleger, dessen publizistische Erzeugnisse den Mächtigen kritisch auf die Finger schauen sollen.

Als anstößig brandmarkt die „Zeit“ auch Döpfners Bekenntnis zum Westen: „free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs.“ Inhaltlich vertritt Döpfner hier einfach die Werte der freien Welt, inklusive rüder Ausdrucksweise. Auch seine Corona-Nachrichten sind nicht zu beanstanden: „Corona ist eine Grippe gefährlich für alte und kranke“, schrieb er im März 2020. Politik und Wirtschaftsführer würden „unsere offene Gesellschaft für immer zerstören“. Mehr noch: „Das ganze ist so surreal. Kollektiver Verstandes Verlust. Der Coup der Gefühligkeit. Das absolute scheitern der Eliten. Es ist ein Endpunkt.“ Nichts viel anderes besagt drei Jahre später das Resümee, das nicht nur die Mehrheit der Gesellschaft zieht, sondern auch Wissenschaftler und Politiker – bis hin zu Karl Lauterbach.  

Als er befürchtet, dass Markus Söder 2021 Kanzlerkandidat der Union wird, schreibt Döpfner: „Er wird es. Aber es wird noch viel schlimmer für Deutschland. Es ist ein ständiges downgrading. Schröder, Merkel, Söder. Das sind Leute die hätten früher nicht mal ne Sparkasse führen dürfen. Ich Wander aus.“ Welcher Leitartikler hat dies je so knapp und präzise formuliert?

Und dann die Nachricht an den damaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt: „Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in der Ampel so autoritär auftreten dass sie platzt. Und dann Jamaika funktioniert.“ Daraus strickte die „Zeit“ einen Angriff auf die Pressefreiheit. Ein lachhafter Anwurf – als ob ein politisch engagierter Verleger keine meinungsstarken Hinweise an seine Chefredakteure richten dürfe. Der selige „Zeit“-Verleger Gerd Bucerius hatte einst seiner Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff seitenlange Meinungsbriefe geschickt. Die Gräfin hat die Texte einfach in der Zeitung abgedruckt und nannte die Rubrik: „Gerd Bucerius zu Fragen der Zeit.“

Zur Schau gestellte Entrüstung bei den selbsternannten Qualitätsmedien 

Das Frivolste indes dürfte Döpfners Bekenntnis zu Israel gewesen sein: „Und natürlich: Zionismus über alles. Israel my country.“ Nun ist die Solidarität mit dem jüdischen Staat bekanntlich ein Vertragsbestandteil, den jeder Mitarbeiter bei Springer unterschreiben muss. Außerhalb des Hauses gilt diese Haltung in der zunehmend von Wokeness und linksgrüner Doppelzüngigkeit durchtönten Bundesrepublik als obszön. Gesellschaftsfähig ist längst ein schleichender Antisemitismus, der sich als Kritik an Israel tarnt und den Kampf gegen Antisemitismus beteuert. Der die muslimischen Judenfeinde auf deutschem Boden verniedlicht, antijüdische Tendenzen in der Kunst als kulturelle Freiheit verteidigt und insgesamt ein Klima schafft, in dem das Merkelsche Diktum von der Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson ebenso seinen Platz hat wie der Jude, der wieder unter Verdacht steht.

Und so ist es kein Wunder, dass sich die regierungstreuen sogenannten Qualitätsmedien auf die holprig konstruierte „Zeit“-Enthüllung stürzten, um die Sturmböen des Skandals tagelang übers Land fegen zu lassen. Für die „Tagesschau“ um 20 Uhr waren erst die „Zeit“-Zitate und dann Döpfners Entschuldigung bei „Bild“-Online eine Meldung wert, Döpfner wurde „geschichtsvergessen, respektlos, diffamierend“ genannt. In der „FAZ“ war die Rede von einer Doppelrolle Döpfners als seriöser Verlagschef und ausgeflippter SMS-Schreiber – und der „Spiegel“ wusste von einem „Spatzenhirn“ in Döpfners Kopf zu berichten.

Der „Stern“ indes rief sich am Kiosk in Erinnerung mit einer Titelgeschichte, in der das Magazin den Springer-Boss der Radikalisierung überführen wollte. In Ermangelung brauchbarer Belege behalf sich der „Stern“-Schreiber mit dem Hinweis auf Döpfners „Kunstsammlung mit Darstellungen weiblicher Geschlechtsteile“. Wohlgemerkt, jene Illustrierte, die in ihren besseren Zeiten legendäre Po- und Busen-Cover druckte, bezichtigte auf einmal einen konkurrierenden Zeitungsverleger als Vulva-Extremisten.

Für die „Neue Zürcher Zeitung“ indes war der „Zeit“-Bericht eine einzige Blamage. Er würde illustrieren, „wie ein Medium durch einen Mangel an Distanz und Differenziertheit zum Spielball von Informanten werden kann. Das Ergebnis ist schlechter, unfairer Journalismus.“ Eine Ohrfeige für das renommierte Hamburger Blatt.

Ballade des Machtmissbrauchs

Dabei steht die Kampagne gegen Döpfner wegen rechtslastiger Umtriebe ohnehin auf tönernen Füßen. Das einst konservativ auftrumpfende und vom Gründer patriarchal geführte Verlagshaus hat sich längst zur publizistischen Adresse der Homosexuellenbewegung entwickelt. Unter der Marke „Queer Bild“ wird in den sozialen Medien „über die Top-Themen der LGBTQ-Community und was uns sonst noch bewegt, informiert und diskutiert“. Als im Juni 2022 fünf Biologen und Mediziner in einem Gastbeitrag der „Welt“ analysiert haben, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk „unsere Kinder“ mit Transgender-Ideologie indoktriniert, lehnte Döpfner zwei Tage später in einem offenen Brief die Diagnose der Wissenschaftler als „intolerant und ressentimentgeladen“ ab und nahm Partei für die Pride-Aktivisten. Seit Jahren würde sein Unternehmen „unterschiedliche Identitäten und Lebensformen nicht nur akzeptieren, sondern sogar ausdrücklich fördern. Von Safezones und All-Gender-Toiletten bis hin zu einer zutiefst freiheitlichen Unternehmenskultur.“ 

Kurze Zeit darauf kündigte der Leiter des „Bild“-Parlamentsbüros, Ralf Schuler, seinen Job, weil ihm die Nähe des Hauses Springer zur Homo- und Trans-Lobby allzu unjournalistisch anmutete.

Aus welcher Quelle die Döpfner-Zitate zur „Zeit“ gelangten, ist ungeklärt. In „Bild“ wird Ex-Chefredakteur Reichelt als Informant angedeutet. Ein anderer Strippenzieher hinter den Kulissen ist der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre, der sechs Tage nach der „Zeit“-Veröffentlichung seinen neuen Roman herausbrachte: „Noch wach?“ (Kiepenheuer & Witsch). Seit Monaten wurde im Tuschelton für das Buch geworben, Videoclips flatterten durchs Internet, in denen Prominente wie Caren Miosga, Katja Riemann, Frank Schätzing oder Jürgen Vogel eine Kapitelüberschrift intonierten: „Dann müssen sich die Frauen auch nicht wundern.“

Ein Schlüsselroman sei das Buch, so wurde geraunt, über Döpfner und die MeToo-Affäre bei Springer anno 2021. Mehrere Mitarbeiterinnen hatten über amouröse Affären mit „Bild“-Chef Reichelt berichtet und ihm Machtmissbrauch vorgeworfen. Reichelt wurde im Oktober 2021 entlassen und bestreitet die Vorwürfe bis heute. Tatsächlich hat Stuckrad-Barre eine wirr erzählte Story vorgelegt, in der er in Gestalt des ungenannten Ich-Erzählers seine jahrelange enge Freundschaft zu Mathias Döpfner schildert. Döpfner ist im Roman der Chef eines Berliner Krawallsenders nach dem Vorbild von „Bild“-TV, und dessen Chefredakteur ist wohl dem Ex-„Bild“-Mann Reichelt nachempfunden. Dieser Chefredakteur hetzt gegen alles Woke, Linke und Grüne im Lande und bringt es trotz eines offenbar beachtlichen Arbeitspensums fertig, tagsüber wie nächtens sich unzähligen jungen Frauen in seinen Redaktionen sexuell zu widmen. Der Sender-Chef weiß davon, lässt ihn gewähren und vertuscht am Ende alles.

Das Scheitern der „Belastungszeugen“

Mit dieser Ballade des Machtmissbrauchs hat es Stuckrad-Barre auf einen „Spiegel“-

Titel mit dreistündigem „Spiegel“-Gespräch geschafft. So begeistert waren die Redakteure dort darüber, den ungeliebten Springer-Konzern vorführen zu können. Hätten sie aufmerksamer gelesen, wäre ihnen aufgefallen, dass Stuckrad-Barre ein Eigentor geschossen hat. Eine Lektüre gegen den Strich nämlich ergibt eine triste Angestellten-Novelle, in der karrierehungrige Jungredakteurinnen ihren vermeintlichen Aufstieg ins Bett des Chefredakteurs verstolpern, um hernach mit ihrem Opportunismus zu hadern, mit ihrer Autoritätshörigkeit und ihrer Feigheit davor, sich aus ihren Abhängigkeiten zu befreien. Die Geschichte bewegt sich zwischen Raucherpausengeschwätz, Drogenkonsum, Selbsthilfegruppen und Therapiesitzungen sowie absurd-dekadenten Fluchten an einen Hotelpool in Los Angeles inmitten von Hollywood-Celebrities.

So geraten unbeabsichtigt die Bösewichter des Romans, realiter Döpfner und Reichelt, zu den faszinierenderen Gestalten, weil sie in ihrer Verworfenheit und Skrupellosigkeit immerhin Restbestände an persönlicher Lebensorientierung und Tatkraft bezeugen, während ihre vermeintlichen Opfer, im Roman zu „Belastungszeugen“ aufgehübscht, nur ihre Bitterkeit und einen sich selbst beschwindelnden Moralismus dagegenhalten können.

Immerhin: Mit seinem ästhetisch eher misslungenen Roman kann sich Stuckrad-Barre als Rhapsoden eines dysfunktionalen Deutschland begreifen.