18.05.2024

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Folge 17-23 vom 28. April 2023 / Kommentar / Die Oder wird Streitfall

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-23 vom 28. April 2023

Kommentar
Die Oder wird Streitfall
Hermann Müller

Im vergangenen Sommer sind in der Oder massenhaft Fische, Muscheln und Schnecken zu Grunde gegangen. Innerhalb kurzer Zeit wurden im August an den Oder-Ufern Brandenburgs und Pommerns Hunderte Tonnen toter Fische angeschwemmt. Als wahrscheinliche Ursache dieser Umweltkatastrophe hatte eine Expertenkommission unter der Leitung des Umweltbundesamtes im Herbst die massive Ausbreitung giftiger Brackwasseralgen genannt. Ausbreiten konnte sich die Algenart, die normalerweise in Küstengewässern vorkommt, weil in der Oder eine ungewöhnlich hohe Salzkonzentration vorhanden war. 

Inzwischen wachsen in Potsdam und Schwerin Befürchtungen vor einer erneuten derartigen Umweltkatastrophe, wenn im Sommer die Temperaturen wieder steigen und die Wassermenge in der Oder wieder sinkt. Manuela Schwesig und Dietmar Woidke, die Regierungschefs von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, setzten sich dafür ein, dass noch vor dem Sommer eine deutsch-polnische Oder-Konferenz zustande kommt. Dazu haben beide SPD-Politiker einen Brief an Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) geschrieben. Woidke und Schwesig erinnerten in ihrem Brief daran, dass Fischer und Tourismusanbieter in der Oder-Region noch immer unter den Folgen des Fischsterbens leiden.

Mittlerweile scheint ein Termin für die Oderkonferenz festzustehen. Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) berichtet, ist für den 6. Juni in Schwedt ein Treffen mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Praxis geplant. Teilnehmen will auch Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne). 

Mehr Salz als in der Ostsee

Bislang liegen keine Informationen vor, ob auch polnische Vertreter zur Oder-Konferenz nach Schwedt kommen werden. Deren Teilnahme wäre allerdings besonders wichtig, wenn eine Wiederholung des Fischsterbens verhindert werden soll. 

Schon im vergangenen Jahr hatten selbst polnische Medien als mögliche Verursacher der hohen Salzkonzentration im Oder-Wasser Unternehmen in Schlesien genannt. Im März dieses Jahres machte Greenpeace ganz konkret die beiden polnischen Bergbaukonzerne für das Fischsterben im vergangenen Jahr verantwortlich. Greenpeace berief sich dabei auf Wasseranalysen in der unmittelbaren Nähe von Bergbauunternehmen, die in der Region Schlesien Steinkohle fördern. Nach Angaben der Organisation sollen die Bergbaubetriebe in großen Mengen salzhaltige Grubenabwasser in Zuflüsse der Oder einleiten. Dies geschieht offenbar mit Genehmigung der polnischen Behörden. 

Bei den Untersuchungen stellten Toxikologen fest, dass die Salzkonzentration an mehreren Einleitungsstellen sogar höher als in der Ostsee war. Bei der Präsentation der Befunde warnte Greenpeace vor der Wiederholung einer Umweltkatastrophe wie im vergangenen Jahr. Als besonderes Problem benannte die Organisation, dass von den massiven Salzwassereinleitungen der schlesischen Bergbauindustrie neben der Oder auch die Weichsel betroffen ist.

Schiffbarmachung oder Ökologie

Mit Ausbauplänen für die Oder existiert noch ein zweites großes Problem im Verhältnis zu Warschau. Auf östlicher Seite haben polnische Baufirmen bereits im März vergangenen Jahres mit Arbeiten zur Sanierung oder zum Neuaufbau von Hunderten Buhnen begonnen. Das für den Ausbau zuständige polnische Amt begründet die Arbeiten mit dem Ziel, den Hochwasserschutz verbessern zu wollen. Berufen kann sich Warschau dabei auf ein Abkommen zum Hochwasserschutz im Winter, das man 2015 mit der Bundesregierung abgeschlossen hat. Damals herrschte zwischen beiden Seiten Einigkeit, die Oder zu vertiefen, damit im Winter größere Eisbrecher eingesetzt werden können. 

Naturschutzverbände vermuten allerdings, dass die Vertiefung der Fahrrinnen nur Teil eines größer angelegten Projekts sind, die Oder vor allem auch für die Binnenschifffahrt auszubauen. Ganz offen hat der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sek vergangenes Jahr vom Ziel gesprochen, die Schiffbarkeit der Oder zu verbessern. „Das hat nicht nur ökonomische, sondern auch strategische Gründe“, sagte der Pole. Naturschützer verweisen dagegen darauf, dass die Oder einer der letzten frei fließenden und naturnahen Flüsse in Europa ist.