18.05.2024

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Folge 17-23 vom 28. April 2023 / Kunst / „Kinder, ich habe gesündigt“ / Vor 100 Jahren wurde der Maler Günther Fruhtrunk geboren – Aldi-Tüten machten ihn bekannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-23 vom 28. April 2023

Kunst
„Kinder, ich habe gesündigt“
Vor 100 Jahren wurde der Maler Günther Fruhtrunk geboren – Aldi-Tüten machten ihn bekannt
Veit-Mario Thiede

Vor fünf Jahren zog der Discounter Aldi-Nord die von Günther Fruhtrunk 1970 entworfene Einwegeinkaufstüte aus dem Verkehr, um den Umlauf von Plastik zu verringern. Aber das vom Handelsriesen als „ikonisch“ bezeichnete Erscheinungsbild der Tüte lebt fort. Es wird bestimmt von blauen und weißen Diagonalen in unterschiedlicher Breite, die in vier gegeneinander verschobenen Reihen angeordnet sind.

Man findet es bis heute in allen Filialen auf Mehrweg-Tragetaschen und Tiefkühl-Tragetaschen. Fruhtrunk sorgte somit für die preiswertesten und auflagenstärksten Kunstwerke der Welt. Zu Unrecht schämte er sich jedoch für seinen Deal mit dem Handelsriesen. Seinen Schülern an der Münchner Kunstakademie machte er das Geständnis „Kinder, ich habe gesündigt“ und legte 100 Mark in die Klassenkasse, um seinen Entwurf der Aldi-Tüte zu sühnen.

Selbstverständlich befinden sich Fruhtrunks Einkaufstüten längst in den Sammlungen von Kunstmuseen. Etwa in der des Münchner Lenbachhauses. Es ehrt den am 1. Mai 1923 in München geborenen Künstler mit einer am 21. November startenden Sonderausstellung ebenso wie das Kunstmuseum Bonn mit einer ab dem 16. November laufenden großen Retrospektive. 

Die Schau konzentriert sich auf Werke, die Fruhtrunk während seines Aufenthalts 1954 bis 1967 in Paris schuf. Er hatte sich der konkreten Kunst verschrieben, schuf also gegenstandslose Bilder, deren geometrische Farbformen nur von sich selbst und ihren wechselseitigen Beziehungen erzählen. Sein Gemälde „Gestaltung im Quadrat“ (1959) wirkt noch wie ein starres, auf der Bildfläche ausgebreitetes Arsenal geometrischer Grundformen.

Im Zentrum befindet sich ein graues Quadrat, dessen rechter oberer Teil das linke untere Viertel eines weißen Kreises überdeckt. Bald schon gewinnen die aufgereihten und gegeneinander verschobenen farbigen Diagonalen seiner Bilder eine ungeheure Komplexität und Dynamik. Darüber gemalte Kreise wie etwa im Gemälde „Umkehrende Reihe, Etude No 4“ (1962/63) sorgen für optische Unruhe.

Stephan Berg, Intendant des Kunstmuseums Bonn, urteilt: „Die Pariser Jahre sind die Phase, in der Günther Fruhtrunk zu den für ihn typischen Bildfindungen kommt, und dabei die zunächst noch erkennbare Dualität zwischen Motiv und Bildgrund aufhebt.“ 

In den späten Schaffensjahren des 1982 durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Künstlers nahm die Komplexität der Bildkonstruktionen ab. Die nun oft vertikal gezogenen Bahnen werden breiter und „die Farbe gewinnt deutlich an Eigengewicht“, so Berg. Verfolgen lässt sich das im Herbst in der vom Bonner Kunstmuseum Bonn präsentierten Retrospektive mit Werken des Künstlers von 1952 bis 1982.

„Günter Fruhtrunk, Die Pariser Jahre (1954–1967)“ vom 21. November bis 7. April 2024: www.lenbachhaus.de; „Günter Fruhtrunk, Retrospektive 1952–1982“ vom 16. November bis 10. März 2024: www.kunstmuseum-bonn.de