18.05.2024

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Folge 17-23 vom 28. April 2023 / Steinkohlen- und Kalisalzgewinnung / Niemand bohrte tiefer / Vor 125 Jahren starb der Leiter der preußischen Zentralbohrwerkstätte Karl Köbrich in Bozen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-23 vom 28. April 2023

Steinkohlen- und Kalisalzgewinnung
Niemand bohrte tiefer
Vor 125 Jahren starb der Leiter der preußischen Zentralbohrwerkstätte Karl Köbrich in Bozen
Martin Stolzenau/E.B.

Karl Köbrich wurde am 5. Januar 1843 im Dorf Kleinalmerode im Kaufunger Wald bei Witzenhausen östlich von Kassel geboren. Seine Mutter war eine Tochter des Hersfelder Gymnasialprofessors Heinrich Wilhelm Kraußhaar. Sein Vater fungierte als örtlicher Schulleiter und Pfarrer. Seine Eltern ermöglichten dem vielseitig interessierten Jungen zunächst den Besuch der Gewerbeschule in Kassel und dann das Studium am Polytechnikum in Karlsruhe. Dort beschäftigte er sich verstärkt mit dem Berg- und Hüttenwesen. 1865 legte er die erste Staatsprüfung ab.

Nach dem Studium bekam Köbrich 1866 eine Anstellung auf der Saline Luisenhall bei Göttingen. Dort sorgte der junge Bohrwerktechniker für die Einführung eines neuartigen amerikanischen Seilbohrgerätes, wie es in Pennsylvania für Ölbohrungen entwickelt worden war. Damit und mit weiteren eigenen technischen Neuerungen erregte er erstes überregionales Aufsehen. 

1869 bis 1874 leitete Köbrich die Bohrarbeiten der späteren Gewerkschaft Neu-Staßfurt. Dabei lernte er das neue Diamant-Bohrverfahren kennen und erschloss sich die Vorzüge der neuen Technik.

Nach weiteren Bohrerfolgen wurde er 1874 in den preußischen Staatsdienst übernommen und mit der Leitung der bei der Saline Schönbeck bei Magdeburg neu eingerichteten Zentralbohrwerkstätte betraut, die für alle Bohraktivitäten in Preußen zuständig war. Zuerst noch unter Oberbohrinspektor Karl Zobel konnte er dort mit vielen Freiheiten so richtig loslegen.

Erstmals 1875 setzte er mit Zobel die in Dänemark entwickelte, aber von ihnen selbstständig abgewandelte Bohrtechnik mit Wasserspülung ein. Unweit der ostpreußischen Hafenstadt Memel wurde 1876/77 erstmals in Preußen dieses Verfahren mit dem Einsatz eines Diamantbohrers kombiniert. Die Kombination aus der Bohrtechnik mit Wasserspülung mit dem Einsatz von Diamantbohrern ermöglichte bisher ungewöhnliche Tiefenbohrungen. In Schladebach bei Merseburg gelang es ihm bei einer Untersuchungsbohrung zur Erforschung der geologischen Verhältnisse in der Norddeutschen Tiefebene zwischen 1880 und 1886 mit 1748 Metern die tiefste Bohrung der Welt niederzubringen. 

Der Bohrtechnikpionier galt in seinem Technikbereich weltweit als Schrittgeber, pflegte mit führenden Bohrtechnikern in anderen Industrieländern eine Art Tiefen-Wettbewerb und leitete mit seiner ständig wachsenden Zentralbohrwerkstätte in Schönebeck bald nicht mehr nur in Preußen, sondern darüber hinaus auch in dem 1871 gegründeten Deutschen Reich die Tiefbohraktivitäten. Besondere Erfolge gelangen ihm bei Tiefenbohrungen zur Erschließung der Kalifelder in Mitteldeutschland und der Steinkohlenfelder in Oberschlesien. Bis 1889 wurden zwölf der 13 tiefsten Bohrlöcher in Deutschland von ihm beziehungsweise seiner Zentralbohrwerkstätte abgeteuft. 1903 wurde auf sein Anraten hin die Schönebecker Dienststelle von der Saline getrennt und als selbstständige Preußische Bohrverwaltung eingerichtet.

Tiefenbohrungen waren Köbrichs Lebensinhalt. Er selbst kletterte im Sog zahlreicher Ehrungen in der Behördenhierarchie zum Oberbergrat hinauf. Parallel veröffentlichte er seine Erkenntnisse über viele Jahre regelmäßig in der „Berg- und Hüttenmännischen Zeitung“. Überall in Deutschland und international übernahmen Bohrtechniker die Erfahrungen von Köbrich. 

Doch sein ununterbrochener Einsatz untergrub seine Gesundheit. Darüber starb der inzwischen weltbekannte Bohrtechniker bei einem Aufenthalt in der heutigen Landeshauptstadt Südtirols, Bozen, am 1. Mai 1898 im Alter von gerade einmal 55 Jahren.

Über der wissenschaftlichen sollte die volkswirtschaftliche Bedeutung Karl Köbrichs nicht übersehen werden. Nach dem Erlass des Allgemeinen Berggesetzes und der darin enthaltenen Bergfrei-Erklärung der wichtigsten Mineralien 1865 hatte sich der preußische Staat im Wesentlichen auf die wissenschaftliche Erforschung des Untergrundes beschränkt. Im Angesicht der Erfolge Köb­richs fing der Fiskus jedoch an, sich aktiv am Auffinden von Steinkohlen- und Kalisalzlagerstätten zu beteiligen. So hatte Preußen bis 1905 bereits 150 Steinkohlenfelder in Oberschlesien und einen bedeutenden Besitz an Kalifeldern in Mitteldeutschland erworben.