18.05.2024

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Folge 17-23 vom 28. April 2023 / Raumfahrt I / Auf der Suche nach Leben / Mit der Raumsonde JUICE ist die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) zu neuen Ufern aufgebrochen. Organische Verbindungen außerhalb der Erde machen Hoffnung auf spektakuläre Entdeckungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-23 vom 28. April 2023

Raumfahrt I
Auf der Suche nach Leben
Mit der Raumsonde JUICE ist die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) zu neuen Ufern aufgebrochen. Organische Verbindungen außerhalb der Erde machen Hoffnung auf spektakuläre Entdeckungen
Wolfgang Kaufmann

Temperaturen von durchschnittlich minus 160 Grad Celsius, hauchdünne Atmosphären mit Luftdrücken unter zehn hoch minus sechs Bar, unglaublich hohe Dosen kosmischer Strahlung, aber dafür minimale Mengen an Sonnenlicht: Die drei großen Jupitermonde Europa, Ganymed und Kallisto sind wahrlich keine sonderlich freundlichen Orte. Dennoch vermuten Wissenschaftler anhand der bislang gewonnenen Daten, dass unter den zwischen 15 und 250 Kilometer dicken Eisschichten auf der Oberfläche dieser Trabanten Ozeane mit flüssigem Salzwasser liegen. 

Und wo Wasser ist, könnte es theoretisch auch Leben geben. Um dieser Vermutung nachzugehen, startete die Europäische Weltraumorganisation (ESA) am 14. April die Raumsonde JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer; zu deutsch: Jupiter-Eismonde-Erkunder).

Die 6350 Kilogramm schwere, bislang größte Sonde der ESA mit ihren zehn riesigen Galliumarsenid-Solarzellen zur Stromversorgung wurde mit einer ebenfalls europäischen Trägerrakete vom Typ Ariane 5 ECA vom Raumfahrtzentrum CSG bei Kourou in Französisch-Guayana ins All geschossen und soll den Jupiter im Juli 2031 erreichen. Zuvor führt ihre Bahn bis Januar 2029 mehrmals um die Sonne sowie auch dreimal um die Erde und einmal um die Venus herum, damit die Gravitation dieser drei Himmelskörper JUICE den erforderlichen finalen Schwung für die 6,6 Milliarden Kilometer lange Reise zu dem Riesenplaneten und seinen insgesamt 92 Monden verleiht. Dann sieht der Flugplan zwei Umrundungen von Europa, 21 Umkreisungen von Kallisto und einen zwölfmaligen Orbit um Ganymed innerhalb von vier Jahren vor, bevor die Sonde im November 2034 oder Ende 2035 kontrolliert auf den letztgenannten Mond stürzt.

Zwischenstation an der Venus

An Bord von JUICE befinden sich neun Instrumente aus Europa, den USA und Japan zur Untersuchung der Atmosphäre und des Magnetfeldes der Jupiter-Begleiter sowie zur Kartierung von deren Oberflächen. Außerdem sind zwei Spektrometer an Bord, um die Zusammensetzung der Eise und Mineralien auf den drei Monden näher zu bestimmen. Dabei könnten sich auch Hinweise auf biologische Vorgänge ergeben. 

Als besonders wichtig gilt darüber hinaus der Laserhöhenmesser GALA, dessen Aufgabe darin besteht, Hebungen und Senkungen der Eisdecke zu erfassen, die aus den Gezeitenkräften in den angenommenen Ozeanen darunter resultieren. So erwartet man auf dem Ganymed zyklische Variationen bei der Höhe der Eisschicht von bis zu sieben Metern – sofern es das erhoffte flüssige Wasser in der Tiefe tatsächlich gibt.

Aufgrund der besonders hohen Strahlenexposition bei der Umkreisung von Europa muss sich JUICE von diesem viertgrößten Mond des Jupiter weitgehend fernhalten. Dessen nähere Erkundung obliegt der deutlich stärker abgeschirmten US-amerikanischen Sonde „Europa Clipper“, die im Oktober 2024 starten und im April 2031 das Jupiter-System erreichen soll.

Wenn JUICE im August 2025 die Venus passiert, werden ihre Instrumente auch hier nach Zeichen von Leben Ausschau halten beziehungsweise die Frage zu klären versuchen, ob die optisch vollkommen undurchdringliche Venusatmosphäre tatsächlich Monophosphan enthält, wie die Beobachtungen einiger Astronomen nahelegen. Das Spurengas entsteht auf Gesteinsplaneten nur bei Stoffwechselprozessen in Mikroorganismen. Neben den großen Jupitermonden und der nicht sonderlich weit von der Erde entfernten Venus existieren allerdings noch weitere Himmelskörper im Sonnensystem, die ebenfalls niedere Lebensformen beherbergen könnten. Hierzu zählen der Mars sowie die Saturn-Monde Titan und Enceladus.

In der Atmosphäre des Mars wurden durch die ESA-Sonde „Mars Express“ erhebliche Mengen an Methan nachgewiesen, für die bislang keine plausible nichtbiologische Erklärung vorliegt. Darüber hinaus bietet der Rote Planet mit seinen Wasservorkommen auch gute Bedingungen für die Entstehung von Leben.

Leben ohne Licht und Sauerstoff

Auf dem Titan wiederum fanden sich bereits Spuren von einem Dutzend organischer Verbindungen, darunter das hochreaktive mögliche Vorläufermolekül für Leben, Cyclopropenyliden. Zudem ergab die Simulation der Verhältnisse in der Gashülle des Titan, dass hier die Entstehung der Aminosäuren Glycin und Alanin sowie aller fünf Basiskomponenten der Nukleinsäuren RNA und DNA, also Cytosin, Adenin, Thymin, Guanin und Uracil, möglich wäre. Und Enceladus ist mit einem Durchmesser von nur 500 Kilometern nach der Erde der wohl lebensfreundlichste Ort im Sonnensystem überhaupt. Auf diesem Saturnmond gibt es vulkanische Wärme, flüssiges Wasser und ebenfalls jede Menge organischer Stoffe.

Doch damit nicht genug: Die Aminosäure Glycin, die zu den Grundbausteinen des Lebens zählt, wurde inzwischen auch auf dem Kometen 81P/Wild 2 nachgewiesen, nachdem dieser 2004 Besuch von der NASA-Raumsonde „Stardust“ erhalten hatte, welche Materialproben aus dem Kometenschweif entnahm. 

Und in den „Sternschnuppen“, die ständig auf die Erde niederfallen, entdeckten Forscher ebenfalls schon diverse Aminosäuren. Dazu kommen Strukturen, die wie Versteinerungen außerirdischer Mikroorganismen anmuten, in den Meteoriten Nakhla, Alais, Ivuna und Orgueil. Ttrotzdem wird oft das Argument vorgebracht, dass die Bedingungen auf anderen Himmelskörpern im Sonnensystem einfach zu extrem seien, als dass dort Leben entstehen könnte. 

Indes zeigen die Verhältnisse auf unserem Planeten, was alles möglich ist. So entdeckte man drei Kilometer tief im grönländischen Eis Bakterien, die in völliger Dunkelheit sowie unter weitgehendem Nährstoffmangel Methan produzieren und deren Kolonie wahrscheinlich bereits 300.000 Jahre alt ist – eine Erklärung für die mysteriösen Methankonzentrationen auf dem Mars? Ähnlich „außerirdisch“ präsentieren sich die Mikroorganismen in den hydrothermalen Quellen auf dem Grund der Tiefsee. Im Wasser der sogenannten Schwarzen oder Weißen Raucher, deren Temperatur aufgrund des Umgebungsdrucks bis 460 Grad Celsius erreicht, leben urtümliche Bakterien, welche weder Sauerstoff noch Sonnenlicht benötigen, wie sie im Prinzip auch auf Europa oder Enceladus existieren könnten.