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Folge 17-23 vom 28. April 2023 / Bulgarien / Wo Königin Maria ihr Herz verlor / Mit dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen verbandelt – Einstige Residenz der Rumänin in Balchik ist heute Bulgariens ganzer Stolz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-23 vom 28. April 2023

Bulgarien
Wo Königin Maria ihr Herz verlor
Mit dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen verbandelt – Einstige Residenz der Rumänin in Balchik ist heute Bulgariens ganzer Stolz
Helga Schnehagen

Die Familie des rumänischen Königshauses liefert bis heute Schlagzeilen. Bereits im vorigen Jahrhundert sorgte das Königspaar Maria und Ferdinand I. für reichlich Gesprächsstoff. Während Ferdinand I. den Beinamen „der Treue“ erhielt, stürzte sich seine schöne Gattin schon kurz nach der Hochzeit in zahlreiche Affären, da sie ihren Mann nicht liebte. Das Paar hatte sechs Kinder, wobei man besonders bei dreien Ferdinands Vaterschaft anzweifelt – allein schon wegen der optischen Unterschiede.

Marie von Edinburgh, genannt Missy, als Königin von Rumänien Maria, war als Enkelin der britischen Königin Victoria und des russischen Zaren Alexander II. in Adelskreisen eine gute Partie. Doch die Hochzeit mit dem Prinzen ihres Herzens, Cousin George, später Georg V., König von Großbritannien und Irland, hatte man ihr verwehrt. Dafür wurde sie als 17-Jährige 1893 zu einer dynastischen Verbindung mit dem Kronprinzen des rumänischen Königshauses aus dem Haus Hohenzollern-Sigmaringen „verurteilt“. 1914 wurde sie Königin von Rumänien.

Ihre schillernde Persönlichkeit liefert viel Stoff für Legenden. Ob sie allerdings noch in reifen Jahren, wenn sie von dem Marmorthron vor ihrer Villa in Balchik aus aufs Meer blickte, immer noch von der großen Liebe träumte, mag dahingestellt bleiben. Tatsache ist, dass das kostbare Möbel ein Fund aus dem 2. Jahrhundert ist, von dem man annimmt, dass es einst einem römischen Patrizier gehörte. Die Königin hatte es extra aus Florenz nach Balchik bringen lassen.

1921 war Königin Maria mit ihrem Sohn Nikolaus zum ersten Mal in den Küstenort am Schwarzen Meer gekommen und sofort verzaubert. Später schrieb sie: „Mein ganzes Leben lang habe ich von einem solchen Ort geträumt und mir vorgestellt, dass er nur in Italien zu finden ist, und hier ist er in Balchik.“ 

So spontan die Liebe zu dem Ort war, so gewichtig waren auch die politischen Gründe. Im dritten Balkankrieg hatte Bulgarien 1913 die Region um Balchik, genauer die südliche Dobrudscha, an Rumänien verloren. Der Sommersitz markierte dessen südlichsten Punkt und bekräftigte den Besitzanspruch.

Rumäniens eigentliche Herrscherin

Die verträumte Prinzessin Marie war als Königin Maria, zu der sie 1914 gekrönt worden war, längst zu einer ausgewiesenen Nationalistin geworden. Im Ersten Weltkrieg hatte sie als Krankenschwester den Verwundeten geholfen und die rumänischen Truppen bei ihrem Kampf unterstützt. Nach dem Krieg war sie als Vertreterin ihres Landes nach Versailles gereist, um für die Rechte der Rumänen zu kämpfen, hatte vor dem Völkerbund Reden gehalten und war zu Spendensammlungen in die Vereinigten Staaten gereist. Viele Historiker behaupten daher, nicht Ferdinand I., sondern seine Gattin hätte Rumänien regiert.

Es verwundert daher nicht, dass die Königin die Planung ihrer Sommerresidenz selbst in die Hand nahm und diese nach ihren Vorstellungen bauen ließ: „Ein weißes Haus, solide, einfach in der Linie, im türkischen Stil; ein Haus, dessen obere Etage über die unteren hinausragen würde; ein Haus mit Flachdach und mit den Füßen fast im Meer; ein Haus, umgeben von Steinterrassen, die nach und nach in ein Blumenparadies verzaubert würden.“ 

So entstand ab 1924 das „Stille Nest“, ihre Sommerresidenz in Balchik. Nur der minarettartige Turm lässt bis heute viel Platz für Spekulationen. Das Innere des unprätentiösen königlichen Strandhauses mutet asketisch an und zeugt nur in Marias Badezimmer von einem gewissen Luxus. Gatte Ferdinand, mit dem sie inzwischen gut Freund geworden war, konnte seine Räume im Erdgeschoss jedoch leider nicht mehr nutzen. Er starb 1927. 

Die Vollendung der zehn Hektar großen, terrassenähnlichen Anlage an den Hängen über der Bucht von Balchik dauerte bis 1936. Den alten Baumbestand aus Eichen, Ulmen und Zypressen behielt man bei, um in ihrem Schatten eine Vielzahl kleiner Villen für die Familie, Freunde und Gäste, kunstvolle Gärten, bezaubernde Allen und verschiedene Wasserläufe anzulegen. Auch an deren Planung war Maria beteiligt.

Die reich begabte, vielseitig interessierte Königin verwirklichte sich auf vielen Gebieten. Sie malte und schrieb, entwarf Möbel und Kleider. Die Kosten für den Palast in Balchik wurden zum Teil durch den Verkauf ihrer zahlreichen literarischen Werke finanziert. Ihre dreibändige Autobiographie „Traum und Leben einer Königin“ wurde vor allem im Vereinigten Königreich und in den USA verkauft. Heute werden die Bände im Internet antiquarisch zu Preisen von 300 Euro und mehr angeboten.

Umzug von Marias Herz

Nach ihrem Tod 1938 hat man Marias Herz auf ihren eigenen Wunsch hin in der Kapelle von Balchik beigesetzt. Nach der Rückgabe der Süd-Dobrudscha an Bulgarien 1940, wurde die silberne Herzurne auf die Trötzburg in Siebenbürgen verbracht. Seit dem Jahr 2015 befindet sie sich auf Schloss Pelishor. Die königliche Parkanlage mit über 3000 Pflanzenarten aus aller Welt betreut und pflegt heute das Botanische Institut der Universität Sofia. Allein die Kakteensammlung mit über 

250 Arten ist nach der in Monaco die zweitgrößte in Europa.

Rumäniens Königreich existierte insgesamt 66 Jahre. Sein erster König Karl I. beziehungsweise Carol I. war ein Sohn von Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, sein letzter Michael I. Im Jahr 1947 musste er unter den Kommunisten abdanken und ins Ausland flüchten. Erst 1992 wurde er wieder rumänischer Staatsbürger. Als Michael I. 2017 im Alter von 96 Jahren starb, bekam er in Rumänien ein Staatsbegräbnis, obwohl er in der Schweiz gelebt hatte und dort auch verstorben war. 

Wie seine Großmutter Königin Maria ruht Michael I. in der Familiengruft der Kathedrale von Argisch (Curtea de Argeș) in den Südkarpaten. Schon 2011 hatten die rumänischen Hohenzollern beschlossen, den Namen Hohenzollern-Sigmaringen nicht mehr zu tragen.

Anmerkung: Es gibt verschiedene Schreibweisen für Balchik. Oft wird auch Baltschik oder Balčik benutzt. Deutschsprachig Reiseinformationen im Internet: www.bulgariatravel.org/de/balchik