18.05.2024

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Folge 18-23 vom 05. Mai 2023 / „Macht Raum Gewalt“ / Die NS-Spielart monumentalen Planen und Bauens / Ausstellung über nationalsozialistische Architektur und Architekten in der Berliner Akademie der Künste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-23 vom 05. Mai 2023

„Macht Raum Gewalt“
Die NS-Spielart monumentalen Planen und Bauens
Ausstellung über nationalsozialistische Architektur und Architekten in der Berliner Akademie der Künste
Dirk Klose

Mit monumentalen Bauten wollte der Nationalsozialismus die großen Städte in Deutschland verändern. Zahlreiche Vorhaben waren in der Planung bereits weit gediehen, etwa die als größter Kuppelbau der Welt von Albert Speer geplante „Große Halle“ in Berlin, die Ost-West-Achse in München, ein 250 Meter hohes „Gauhochhaus“ in Hamburg oder Adolf Hitlers pompöser Alterssitz am Donauufer in Linz. 

Über Planen und Bauen im Nationalsozialismus informiert derzeit eine Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste. Unter dem Titel „Macht Raum Gewalt. Planen und Bauen im Nationalsozialismus“ werden NS-Institutionen im Bau- und Planungsbereich thematisiert sowie in Bildern, Filmen und Zeitdokumenten viele ausgeführte oder geplante Bauten gezeigt. 

Die Ausstellung ist das Ergebnis eines vor sechs Jahren vom Bundesbauministerium in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes, an dem mehrere Disziplinen wie Architektur, Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte mit 15 Projekten beteiligt waren. Deren Arbeitsergebnisse wurden in einer vierbändigen Dokumentation zusammengefasst, die jetzt im Hirmer Verlag vorliegt.

Nicht nur Bauwerke

Bewusst hat man keine reine Bilderschau nationalsozialistischer Architektur vorgenommen. Vielmehr sollte die Struktur der NS-Baupolitik in all ihren Auswirkungen gezeigt werden, also neben Bauwerken die Verantwortlichen in der Fülle der für das Regime typischen zersplitterten Zuständigkeiten. Auch sollte nach dem Willen der Aussteller deutlich werden, wie sich der verbrecherische Charakter des Regimes auch in der Architektur niederschlug, etwa indem für viele Bauvorhaben bis 1939 Häftlinge aus Konzentrationslagern, ab Kriegsbeginn mehr und mehr Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.

Zahlreiche Bilder zeugen von der Gigantomanie damaligen Bauens. Grundlage war ein „Gesetz über die Neugestaltung deutscher Städte“ vom Juni 1937. Vielerorts sieht man sie bis heute: etwa in Berlin das Olympiastadion, der Flughafen Tempelhof, das heutige Bundesfinanzministerium in der Wilhelmstraße, die italienische Botschaft im Tiergarten, aber auch neue Wohnblöcke mit „Volkswohnungen“ etwa am Grazer Damm; in München Bauten am Königsplatz; in Nürnberg das Reichsparteitagsgelände mit Kongresshalle und Resten des Zeppelinfeldes; in Hamburg die Bebauung des Elbufers, aber auch ganz neue Städte wie das heutige Salzgitter. Die Münchner Ost-West-Achse wird, ein besonderes Unikat in der Ausstellung, in einem erhalten gebliebenen Holzmodell gezeigt. Die ersten Planungen für die ab 1933 forcierten Reichsautobahnen, die in Fotografien und Reklametafeln zu sehen sind, gehen freilich schon auf die Weimarer Republik zurück.

Zahlreiche Abbildungen und Entwürfe illustrieren das wohl ambitionierteste Vorhaben des Regimes, die Nord-Süd-Achse mitten durch Berlin mit ihrem sechs Kilometer langen Teilstück einer Prachtstraße. An deren Enden sollte im Süden ein Triumphbogen stehen, im Norden die vielzitierte „Große Halle“, die 320 Meter hoch sein und im Grundriss jeweils mehr als 300 Meter im Quadrat umfassen sollte. Bis zu 180.000 Menschen hätten darin Platz finden können. Um zu ergründen, ob der sandige Untergrund solche Massen überhaupt trägt, wurde ein Rotunden-förmiger „Schwerbelastungskörper“ entwickelt, der übrigens noch heute im Bezirk Tempelhof zu sehen ist. Eine Auswertung der Berechnungen und Proben ergab, dass der Bau ohne eine Bodenverfestigung mehr als zehn Zentimeter pro Jahr eingesunken wäre. 

Der Betrachter sieht auch, wie unterschiedlich beim Bauen gewichtet wurde. Bauten für Partei und Staat waren in klassizistischem Stil gehalten. Bei Siedlungen und Ordensburgen galt ein volkstümlicher Heimatgedanke. Für Wohnungen und reine Verwaltungsgebäude galt eine moderate Moderne. Viel Pathos strahlten Kasernen und Sportstätten aus. 

Baumaterial war häufig der harte Granitstein. Die Ausstellung dokumentiert dessen Abbau am Beispiel des KZ Flossenbürg, wo Inhaftierte zu schwerster Arbeit in Steinbrüchen herangezogen wurden, wie große Fotobilder an den Wänden zeigen. Überhaupt wurden seit Kriegsbeginn Häftlinge und Kriegsgefangene zu härtester Arbeit eingesetzt, wovon Aufnahmen von unterirdischen Stollen für neue „Wunderwaffen“ zeugen. Viele Häftlinge haben diese Strapazen nicht überlebt. 

Suche nach Kontinuitäten

Nachdem Hitler 1940 in Paris eine Parade der siegreichen Wehrmacht abgenommen hatte, schrieb er beeindruckt von der Stadt an Speer: „Paris ist schön, aber Berlin muss schöner werden.“ Die Ausstellung zeigt einen persönlich gezeichneten Befehl vom 25. Juni 1940, Berlin als „Welthauptstadt“ auszubauen. „Ich erwarte die Vollendung bis zum Jahr 1950.“ 

Am Ende stehen „Kontinuitäten in Architektur und Städtebau in Ost und West“. Unter dem Druck des Wiederaufbaus der kriegszerstörten Städte entstanden erstmals in Deutschland regelrechte Bauministerien. Gezeigt werden die verantwortlichen Akteure hüben und drüben, nicht selten, wie man es auch aus anderen Ministerien kennt, vormalige NSDAP- und SS-Angehörige. Auf einer Fotowand sieht man 150 Architekten und Ingenieure, die fast alle im NS-System Karriere gemacht hatten und diese nach 1945 fast bruchlos fortsetzten. Viele von ihnen wie etwa Hannovers Stadtplaner Rudolf Hillebrecht erlangten internationales Renommee. 

Der Besucher kann sich am Ende dem Resümee der Veranstalter nicht verschließen, dass das NS-Bauen ein ins Maßlose gesteigerter Monumentalismus war, der die vorhandene Dimension der Städte bewusst ignorierte und diese nur als Kulissen zur eigenen Machtinszenierung benutzte.

Bis zum 16. Juli ist die Ausstellung „Macht Raum Gewalt. Planen und Bauen im Nationalsozialismus“ in der Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 Berlin, Telefon (030) 20057-1000, zu sehen.