18.05.2024

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Folge 19-23 vom 12. Mai 2023 / Politik / Bremen verheißt mehr Spannung als gewöhnlich / Erstmals seit Jahrzehnten könnte ein Landtagswahlergebnis an der Weser bundespolitische Konsequenzen haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-23 vom 12. Mai 2023

Politik
Bremen verheißt mehr Spannung als gewöhnlich
Erstmals seit Jahrzehnten könnte ein Landtagswahlergebnis an der Weser bundespolitische Konsequenzen haben
René Nehring

Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft gehören gewöhnlich nicht zu den spannendsten Ereignissen des politischen Lebens der Bundesrepublik Deutschland. Und das liegt weniger an der Größe des kleinsten deutschen Bundeslandes als vielmehr an der Konstanz der dortigen politischen Verhältnisse. Seit der Sozialdemokrat Wilhelm Kaisen im Juli 1945 die erste demokratische Wahl nach 1933 gewann, stellte die SPD durchgehend die Bürgermeister der Freien Hansestadt. Selbst der Niedergang vom reichsten Bundesland bei Gründung der Bundesrepublik zum zuverlässigen Bittsteller im Länderfinanzausgleich hat jahrzehntelang kaum etwas an den politischen Verhältnissen an der Weser zu ändern vermocht. 

Doch damit könnte es nach der Bürgerschaftswahl an diesem Sonntag vorbei sein. Zwar wird die SPD sehr wahrscheinlich auch künftig das Stadtoberhaupt stellen, doch zeigen jüngste Entwicklungen und Umfragen, dass von Bremen diesmal echte Veränderungen ausgehen könnten. 

So wird mit Spannung das Ergebnis der Grünen erwartet. Standen diese noch vor einem Jahr bei 21 Prozentpunkten in den Umfragen, sind es derzeit nur noch zwölf Prozent. Grund für den Einbruch ist der Unmut vieler Bürger über das geplante Gebäudeenergiegesetz, das Hausbesitzern und Mietern gleichermaßen drastische Kosten für die Zwangssanierung ihres Wohnraums auferlegen wird. Hinzu kommen die Berichte über Clan-ähnliche grüne Strukturen im für die Energiewende zuständigen Wirtschaftsministerium, das immer mehr Bürger glauben lässt, hier habe eine Lobbygruppe den Staat gekapert. 

Die Umfragen deuten darauf hin, dass die Verärgerung über die grüne Energiepolitik nicht nur in der allgemeinen Bevölkerung groß ist, sondern längst auch die Stammwählerschaft der Öko-Partei erreicht hat. Sollte sich das derzeitige Stimmungsbild am Wahlabend in konkreten Ergebnissen niederschlagen, könnte auch die bisher demonstrativ zur Schau gestellte Unbeirrbarkeit von Wirtschaftsminister Habeck und seinen Staatssekretären ins Wanken geraten. Schließlich stehen im Herbst weitere Landtagswahlen in Bayern und Hessen an. Und die eigene Position im Bund würde eine Wahlklatsche an der Weser auch nicht stärken. 

Bewegung könnte es auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums geben. Von der bundesdeutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt formierte sich vor einigen Monaten eine neue Partei namens „Bündnis Deutschland“ mit dem Ziel, ein Sammelbecken für jene Wähler zu sein, die sich bei Union und FDP nicht mehr wohlfühlen, denen die AfD jedoch inzwischen zu weit nach rechts gerückt ist. 

Bis dato schien „Bündnis Deutschland“ freilich ohne Chance zu sein. Doch dann vermasselte die Bremer AfD die Zulassung zur Bürgerschaftswahl – und hinterließ damit ein Stimmenvakuum von rund zehn Prozent. Dieses wird von den Demoskopen inzwischen der Bremer Regionalpartei „Bürger in Wut“ zugeschlagen, die 2004 aus den lokalen Resten der Schill-Partei hervorgegangen ist und sich selbst als bürgerlich-konservative Wählervereinigung ansieht. 

Da „Bündnis Deutschland“ vor Ort auf die Aufstellung eigener Kandidaten verzichtete und stattdessen eine Partnerschaft mit „Bürger in Wut“ schloss, die unter anderem eine finanzielle und personelle Unterstützung beinhaltet, könnte somit die bisherige Kleinpartei am Wochenende ihren ersten indirekten Einzug in ein Landesparlament feiern. 

Und so verheißt die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft diesmal weitaus mehr Spannung als in den 75 Jahren zuvor.