18.05.2024

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Folge 19-23 vom 12. Mai 2023 / Leitartikel / Ein heiliger Akt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-23 vom 12. Mai 2023

Leitartikel
Ein heiliger Akt
René Nehring

Dieses Ereignis war nicht nur selten, sondern auch aufschlussreich. Am vergangenen Sonnabend fand in London die Krönung von König Charles III. statt. Die erste Krönung eines britischen Monarchen in diesem Jahrhundert und die 40. in der Westminister Abbey seit dem Jahr 1066. 

Natürlich war das Wochenende ein Spektakel für die Klatschpresse. Wieder einmal widmeten sich selbst anspruchsvolle Medien mitsamt ihren selbstgekürten „Adelsexperten“ ihren Lieblingsthemen, allen voran dem Schicksal des zweiten Sohnes des neuen Königs, Prinz Harry. 

Wer sich von diesem Getuschel freimachte, konnte einem ganz anderen Ereignis beiwohnen – der Selbstvergewisserung einer alten europäischen Staatsform, die es seit der ersten Tagung des englischen Parlaments im Jahre 1265 über alle Kriege und Abrisse in den Ahnenreihen hinweg immer wieder vermochte, demokratische und royale Elemente miteinander zu vereinen. 

Der eindrucksvolle Höhepunkt dabei war der Krönungsakt in der Westminster Abbey, geleitet durch den Erzbischof von Canterbury, Justin Welby. In dieser Zeremonie offenbarte sich das ganze Selbstverständnis der britischen Monarchie als einer tief im Christentum fußenden Staatsform. So bekam Charles nach der Huldigung der Anwesenden eine Bibel überreicht, auf die er anschließend den Eid leistete, sowohl jedes seiner Länder mit Gerechtigkeit und Milde zu regieren, als auch den Protestantismus im Vereinigten Königreich aufrechtzuerhalten und die Church of England mitsamt ihren Bischöfen und Geistlichen zu verteidigen. 

Der intimste Moment war – eingerahmt in liturgische Gesänge, Lesungen aus der Heiligen Schrift, die Predigt des Erzbischofs und die „Krönungshymnen“ von Georg Friedrich Händel – die Salbung des Monarchen. Zur Wahrung der Heiligkeit dieses Momentes wurde von Gardesoldaten ein dreiseitiger Wandschirm um den Krönungsstuhl aufgebaut, auf dem der Monarch, der zuvor einem Büßer gleich sein Gewand abgelegt hatte, saß und die Salbung des Erzbischofs entgegennahm. Das Öl dafür stammte aus Jerusalem und war vom dortigen Patriarchen der Orthodoxen Kirche gesegnet worden. 

„God save the King“  

Es folgte die Präsentation und Anlegung der königlichen Insignien: der Sporen, des Staatsschwertes, des Armreifens, des Krönungsmantels, des Reichsapfels, des Krönungsrings, des Krönungshandschuhs sowie des Zepters mit dem Kreuz und des Zepters mit der Taube. Schließlich wurde dem König die durch den Erzbischof gesegnete St.-Edwards-Krone aufgesetzt, gefolgt von lauten „God save the King“-Ausrufen. Mit der Huldigung des Erzbischofs, dem Treueschwur des neuen Prinzen von 

Wales, der Krönung der Königin Camilla (siehe unten) und einem Abendmahl endete das denkwürdige Ereignis. 

Es ist bedauerlich, dass die übertragenden deutschen Fernsehsender all dies zwar zeigten, in seiner Bedeutung jedoch kaum zu würdigen wussten. Stattdessen philosophierten sie abwechselnd über die Stimmung in der königlichen Familie oder ob die Briten wieder zurück in die EU kommen sollten oder ob diese überhaupt noch eine Monarchie haben wollten. 

Die Antwort auf die letzte Frage gaben die Briten selbst. Nachdem der König und die Königin im Anschluss an den Gottesdienst mit tausenden Gardesoldaten in der Krönungsprozession zurück zum Buckingham-Palast gezogen waren, folgten binnen weniger Minuten hunderttausende Bürger in endloser Schar über die königliche Mall vor den Sitz des Königs in London, um ihn und seine Gemahlin hochleben zu lassen. Kein Bundeskanzler, kein Präsident und kein Premierminister würde je einen solchen Auflauf hervorrufen. 

Gemeinsam zeigten das britische Königshaus und seine Anhänger, dass eine Monarchie weit mehr ist als bunte Bilder. Es ist eine Staatsform, die auf einem anderen Verständnis von Gemeinschaft fußt als die modernen Verfassungsstaaten – und gerade deshalb eine Tiefe und Bindung erreicht, die letzteren zumeist verwehrt bleibt.