18.05.2024

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Folge 19-23 vom 12. Mai 2023 / Ernst von Ihne / Der Wilhelminist unter den Architekten / Vor 175 Jahren kam der typische Vertreter der historisierenden wilhelminischen Barockarchitektur im preußischen Elberfeld zur Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-23 vom 12. Mai 2023

Ernst von Ihne
Der Wilhelminist unter den Architekten
Vor 175 Jahren kam der typische Vertreter der historisierenden wilhelminischen Barockarchitektur im preußischen Elberfeld zur Welt
Martin Stolzenau

Ernst Eberhard von Ihne verdankt seinen Ruf seiner Zeit als Hofarchitekt der Hohenzollern. Nach seinen Plänen entstanden in Berlin, Elberfeld, Frankfurt am Main, Essen, Straßburg, Leipzig und Dessau überaus repräsentative Bauten. Vom Baustil her bevorzugte er die Neorenaissance und den Neobarock, doch auch beim englischen Landhausstil nahm er Anleihen. Er wurde vom preußischen König Wilhelm II. 1906 für seine Leistungen in den erblichen Adelsstand erhoben und gilt bis heute als ein Hauptrepräsentant des sogenannten Wilhelminismus.

Vor 175 Jahren, am 23. Mai 1848, wurde der Architekt in Elberfeld geboren. Sein Vater war der einst bekannte Historiker und Anglist Wilhelm Ihne. Seine Mutter war eine geborene Engländerin und hieß ursprünglich Mary Hull Allen. Die Familie wechselte bald nach London, wo Vater Ihne als Anglist tätig war und Sohn Ernst englische Schulen besuchte. 1863 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. 

Deutsche Renaissance 

An der Universität Heidelberg hielt der Vater Vorlesungen und der Sohn studierte. Später wechselte der Junior an das Polytechnikum in Karlsruhe, die Berliner Bauakademie und École des Beaux Arts zu Paris. Er war mit der Architekturgeschichte sowie mit allen Kunst- und Baustilen bestens vertraut und eröffnete 1877 zusammen mit Paul Stegmüller ein „Atelier für Kunstgewerbe“. Zwei Jahre später gründeten die beiden mit anderen den Verein Berliner Architektenverein (VBA), eine Abspaltung des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Berlin, die den Standpunkten der Freiberufler gegenüber denen der Baubeamtenschaft mehr Gehör verschaffen sollte.  

1880 bekamen die beiden Partner vom damaligen Herzog von Sachsen-Altenburg, Ernst I., den Auftrag für den Bau des Neuen Schlosses Hummelshain. Das 1885 fertiggestellte Jagd- und Residenzschloss bei Kahla in Ostthüringen machte Ihne schlagartig bekannt. Es folgten in Berlin die Einrichtung für das Café Keck, das Wohn- und Geschäftshaus Schwartz mit einer neuartigen Eckhauskneipe, die viele Nachahmer fand, und mehrere Villen um Berlin sowie in Halberstadt, Gleiwitz und Leipzig. 1886 folgte die Trennung von seinem Partner. 

Neobarock

Parallel übernahm er den ersten Auftrag für die Hohenzollern. Ihne gestaltete das Offizierskasino des Leib-Garde-Husaren-Regiments in Potsdam. Dessen Kommandeur war seit 1885 der spätere Kaiser Wilhelm II., der sich mit der Besteigung des Thrones 1888 zum Chef des Regiments ernannte. Das Kasino gedieh zum Volltreffer. Wilhelm und dessen Eltern waren begeistert. In der Regierungszeit Friedrichs III. am 24. Mai 1888 wurde der Künstler königlich preußischer Hofarchitekt. Friedrich III. und seine Ehefrau Victoria sorgten für Aufträge. Nach dem Tod Friedrichs III. waren Kaiserin Friedrich und der neue Kaiser Wilhelm II. seine wichtigsten Förderer.

Ihne gestaltete den Weißen Saal des Berliner Stadtschlosses neu, schuf den Neuen Marstall, das Kaiser-Friedrich- Museum, das heutige Bode-Museum, das Palais Arnim als Sitz der Akademie der Künste, die Staatsbibliothek Unter den Linden und die ersten Institutsgebäude für die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Zwischendurch gab es auch immer wieder Bauten außerhalb Berlins. Der Hofarchitekt war gefragt. 

Englischer Landhausstil

Nach dem Schloss Friedrichshof bei Kronberg im Taunus für Kaiserin Friedrich realisierte er verschiedene Landhäuser für Bankiers, das Gutshaus Hemmelmark bei Eckernförde für den Prinzen Heinrich, die Villa Böttinger in Elberfeld, die Villa Born in Frankfurt am Main, die Villa Guillaume in Köln, den Kaiserbahnhof in Potsdam sowie den Kavalierspalast im oberschlesischen Neudeck. Vom riesigen Schlosskomplex des Adelsgeschlechtes Henckel von Donnersmarck in Neudeck blieb nach den Zerstörungen von 1945 allein der Kavalierspalast von Ihne erhalten. Er gilt jetzt als Kleinod der schlesischen Architekturgeschichte. 

Ihne fand auch Zeit für einen Bau in Dessau. Dort entstand 1896 bis 1898 die Villa Meinert im Stil des Historismus. Sie zeigt das goldene Händchen des begnadeten Architekten bei Stilvermischungen. Das Spektrum reicht von anglisierender Spätgotik bis zur Neorenaissance. Der Bau beherbergt heute das Seniorenheim Krötenhof.

Ihnes Wirken sorgte für Anerkennung über die Ernennung zum Hofarchitekten und Erhebung in den erblichen Adelsstand hinaus. Er wurde 1896 Geheimer Oberhofbaurat, 1912 Wirklicher Geheimer Oberhofbaurat, 1913 Träger der Großen Goldenen Medaille für Kunst und 1914 Excellenz. Trotzdem bewahrte der Aufsteiger im persönlichen Umgang mit Zeitgenossen eine demonstrative Bescheidenheit und Zurückhaltung.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges waren weniger Ihnes Prachtbauten als Waffen gefragt. Noch vor dem Ende des Krieges, am 21. April 1917, starb Ihne in Berlin. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale.