18.05.2024

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Folge 19-23 vom 12. Mai 2023 / Zündhölzer / Ein globales Produkt, lokal in Allenstein hergestellt / Vortragsreihe „Exponat des Monats“ im Museum der Moderne – Vom Phosphorhölzchen zur Streichholzschachtel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-23 vom 12. Mai 2023

Zündhölzer
Ein globales Produkt, lokal in Allenstein hergestellt
Vortragsreihe „Exponat des Monats“ im Museum der Moderne – Vom Phosphorhölzchen zur Streichholzschachtel
Uwe Hahnkamp

Im Rahmen der Vorträge zu den Exponaten des Monats im Museum der Moderne des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein stellte Rafał Bętkowski vom Museum unter dem Titel „Zündhölzer aus Allenstein“ die erfolgreiche Firma „J. Ladendorff“ vor. Präsentiert wurden Streichholzschachteln, -etiketten sowie ein Luftbild der Fabrik in Allenstein.

Fast jeder auf der Welt kennt es und braucht es, doch kaum einer weiß, wie es hergestellt wird: das Zündholz. Ähnliche Hölzer gab es schon im alten China, in Europa wird es seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts industriell hergestellt. Damals wurden die Stäbchen aus weichem Holz mit einem Ende in geschmolzenen Schwefel getunkt und getrocknet, danach in eine Zündmasse, die weißen Phosphor enthielt. Es ließ sich an jeder rauen Fläche entzünden.

Manchmal kam es bei der Produktion zu Explosionen, giftige Phosphordämpfe führten zu Krankheiten wie etwa dem Absterben des Unterkiefers. Auch erloschen die Hölzchen nicht nach dem Gebrauch und verursachten so Brände. Dennoch war der weiße Phosphor im Deutschen Reich bis 1907 erlaubt. Die Änderung kam um 1850 mit den „Sicherheits-Zündhölzern“ mit rotem statt weißem Phosphor, der darüber hinaus in die Reibefläche verlagert wurde. Die beiden Komponenten zur Entzündung wurden so getrennt, das Kaliumchlorat blieb am Streichholz selber.

In dieser Zeit kam es auch zu einer weiteren Erfindung, wie Bętkowski erklärte: „Mit ihrer genau in die Hülle eingepassten Schublade und der seitlichen Reibefläche ist die Streichholzschachtel ein Stück wahre Ingenieurskunst.“ Die Schachtel bot außerdem mit ihrem Etikett Platz für Botschaften über das Produkt selbst hinaus – wie etwa die Hindenburg-Zündhölzer oder das Design der „Ostpreußen-Hölzer“ zur Volksabstimmung 1920 zeigen.

Von Ostpreußen in die Welt

Produzent dieser genannten Zündhölzer war ihr damals einziger Hersteller in Ostpreußen, die „Fabrik Chemischer Zündwaaren von J. Ladendorff“. Gegründet wurde diese 1853 von Josef Ladendorff, einem jüdischen Essigfabrikanten in Königsberg. 1876 verlegte der Unternehmer die Produktion nach Allenstein, die Leitung übernahm sein Sohn Julius. „Hier gab es den neuen Anschluss an die Eisenbahn, billige Arbeitskräfte und genügend Weichholz, vor allem Espe“, so Bętkowski über die Motive des Umzugs. 

Die Fabrik an der Kleeberger Straße produzierte drei Arten Zündhölzer: traditionell mit Phosphor, paraffiniert ohne Schwefel und Phosphor, und schwedische Sicherheitszündhölzer. Darüber hinaus verkaufte sie auch klein geschnittenes, unbearbeitetes Holz. Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte sie über 100 Arbeitskräfte und hatte Vertretungen bis nach Danzig, Gumbinnen und Memel.

Nach Julius’ Tod übernahm seine Witwe Julia und später Sohn Otto die Firma Ladendorff. Im Jahr 1939 fiel die Firma im Rahmen der Arisierung dann an Richard Horstmann von der Allensteiner NSDAP. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie unter dem Staatlichen Zündwarenmonopol als erste Fabrik in Allenstein wieder in Gang gesetzt, beschäftigte über 100 Mitarbeiter und produzierte 3,5 Millionen Schachteln Zündhölzer im Jahr. Wegen fehlender Qualität durch zu wenig Espenholz und abgenutzte Maschinen wurde der Betrieb 1948 geschlossen und die Produktion nach Zanow in Pommern verlegt. „Für die Allensteiner war das eine vollkommen unverständliche Entscheidung von oben“, sagte Bętkowski dazu, „danach wurden die Gebäude erst anderweitig genutzt und Anfang der 70er Jahre abgerissen.“ Auch die Fabrikstraße als einzige verbliebene Spur verschwand 2005 unter dem Neubau des Einkaufszentrums. Was bleibt, ist eine urbane Legende.