19.05.2024

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Folge 20-23 vom 19. Mai 2023 / Polen / Die Ukraine statt Litauen / US-Magazin spekuliert über eine polnisch-ukrainische Union in der Tradition der polnisch-litauischen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-23 vom 19. Mai 2023

Polen
Die Ukraine statt Litauen
US-Magazin spekuliert über eine polnisch-ukrainische Union in der Tradition der polnisch-litauischen
Bodo Bost

Der Weg der Ukraine nach Europa begann eigentlich 1386, alss vor mehr als 600 Jahren, als mit der Union von Krevo die polnisch-litauische Rzeczpospolita begründet wurde, die von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte und weite Teile der heutigen Staaten Litauen, Polen, Weißrussland und Ukraine umfasste. Der derzeitige Krieg hat die Ukraine wieder näher an sein westliches Nachbarland Polen geführt. 

Beim Staatsbesuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjs in Polen im April war erstmals von einem gemeinsamen Staatsprojekt die Rede. Schon jetzt sind geflohene Ukrainer in Polen polnischen Bürgern mit Ausnahme des Wahlrechts gleichgestellt. Kein anderes ukrainisches Staatsoberhaupt hat es je derart gut verstanden, die Menschen im Nachbarland Polen zu begeistern, wie Selenskyj es gegenwärtig schafft. „In Zukunft wird es keine Grenzen zwischen unseren Völkern geben: wirtschaftliche, politische und historische“, schrieb Selenskyj Anfang April auf Twitter. Derartige Bekundungen fanden in Polen wie in der Ukraine viel Zuspruch. 

Union von Krevo

Doch es bleibt nicht bei bloßen Gesten. Immer mehr wird in beiden Ländern daran erinnert, dass die Union von Krevo dazu beitrug, weite Teile Osteuropas einschließlich der Länder der ehemaligen Kiewer Rus’ mit dem westlichen Christentum zu verbinden. Der Gegner war damals jedoch weniger Russland als der Deutschordensstaat.

„Die polnisch-litauische Gemeinschaft wurde zu einem der größten Staaten Europas und zu einem Laboratorium für politische Regierungsführung, das sogar von den Gründervätern der Vereinigten Staaten eingehend studiert wurde“, schrieb unlängst die renommierte US-Zeitschrift „Foreign Policy“ („FP“). Nach dem Sturz der Jagiellonendynastie entwickelte sich das Land zu einer Wahlmonarchie, die den italienischen Stadtstaaten ähnelte. Die Union basierte auf dem parlamentarischen Prinzip der Einstimmigkeit, der Freiheit, die der Adel im Gegensatz zu den absolutistischen Monarchien Westeuropas genoss. „Foreign Policy“ fragte nun: „Was wäre, wenn es für die Probleme, mit denen die Ukraine und Polen heute konfrontiert sind, eine ähnliche politische Lösung gäbe?“ 

Eine politische Union zwischen den beiden Ländern wäre nicht von Nostalgie, wie bei Putins Traum von einem auf Gewalt basierenden Großrussland, sondern von gemeinsamen Interessen der Menschen beider Nationen getragen. Die heutige Ukraine (und Weißrussland) hätten aufgrund ihrer 400-jährigen gemeinsamen Geschichte innerhalb der polnisch-litauischen Union viel mehr mit Polen gemeinsam als mit Russland, ungeachtet gegenteiliger Behauptungen russischer Propagandisten und der Tatsache, dass die Beziehungen oft sehr kompliziert gewesen seien, argumentiert das Magazin.

Angebliche Vorteile einer Union

Beide Staaten haben schlechte Beziehungen zu Russland. Polen ist heute Mitglied der EU und der NATO, und die Ukraine möchte beiden Organisationen beitreten. Selbst wenn der Krieg zwischen der Ukraine und Russland mit einem ukrainischen Sieg und der Vertreibung der russischen Streitkräfte aus dem Land endet, stehe 

Kiew ein möglicherweise jahrzehntelanger Kampf bevor, um der EU und der NATO beizutreten, so die Einschätzung von „FP“. 

Was würde passieren, wenn Polen und die Ukraine nach dem Ende des Krieges einen gemeinsamen Bundesstaat oder eine Konföderation mit gemeinsamer Außen- und Verteidigungspolitik bilden würden und die Ukraine fast sofort, wie einst Mitteldeutschland nach der Vereinigung mit Westdeutschland, in die EU und die NATO brächte, fragt „FP“. „Eine polnisch-ukrainische Union würde zum zweitgrößten Land in der EU und wahrscheinlich zu ihrer größten Militärmacht werden und ein mehr als ausreichendes Gegengewicht zum deutsch-französischen Tandem bilden“, spekuliert „FP“.

Durch einen solchen Staatenbund bekäme Polen auch einen Großteil der in der Zwischenkriegszeit annektierten Gebiete östlich der Curzon-Linie zurück, die es 1945 hatte zurückgeben müssen. Dann könnten die aus den dortigen Gebieten stammenden Polen in Schlesien und Pommern wieder in die Ukraine zurückkehren. Eine polnisch-ukrainische Union böte auch Verhandlungsmasse für Friedensverhandlungen mit Russland, denn die Krim oder der Donbass gehörten nie zur Rzeczpospolita.