Wie Otto Lilienthal, der am 23. Mai 1848 im Pommerschen Anklam zur Welt kam, war auch sein Vater mathematisch und technisch begabt. Viele hungrige Mäuler hatte dieser indes zu stopfen – Otto war das erste von insgesamt acht Kindern des Kaufmanns und dessen Ehefrau –, und die Familie geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Ehe sie in Amerika ihr Glück versuchen konnte, starb der Vater. Trotzdem gelang es der Mutter, den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen.
Bei ihrem Ältesten folgte dem Besuch des Gymnasiums in Anklam und der Gewerbeschule in Potsdam schließlich ein erfolgreiches Maschinenbaustudium an der Gewerbeakademie in Charlottenburg. Nach der Teilnahme als „Einjährig-Freiwilliger“ am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 arbeitete er als angestellter Ingenieur.
Mit dem von ihm erfundenen Schlangenrohrkessel gelang dem innovativen Geist schließlich der Durchbruch. 1881 machte er sich mit der Produktion von auf dieser Entwicklung fußenden Kleinmotoren erfolgreich selbstständig.
Wirtschaftlich unabhängig konnte er sich nun systematisch seiner Leidenschaft widmen: der Fliegerei. Zudem ergab sich ein reizvoller Synergieeffekt, konnte er doch als Fabrikant seine Entwicklungen gleich selbst vermarkten.
Bereits ab 1874 hatte er mit seinem Bruder Gustav wissenschaftliche Versuchsreihen zum Auftrieb an ebenen und gewölbten Flächen durchgeführt. Die Ergebnisse und Erkenntnisse flossen in sein 1889 veröffentlichtes Standardwerk „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ ein.
Mit diesen Erkenntnissen machte sich Lilienthal – nun ohne seinen Bruder Gustav – daran, Gleitflieger zu entwickeln, selbst in Flugversuchen zu testen, zu optimieren und schließlich teilweise in seiner Dampfkessel- und Maschinenfabrik Otto Lilienthal für den Markt zu produzieren. Sein sogenannter Normalsegelapparat gilt als das erste in Serie produzierte Flugzeug der Welt.
Einer seiner Flugversuche wurde Lilienthal schließlich zum Verhängnis. Am 9. August 1896 stürzte er bei Stölln am Gollenberg aus etwa 15 Metern Höhe ab. Seine anschließenden Worte: „Ist nicht so schlimm, kann mal vorkommen. Ich muss mich etwas ausruhen, dann machen wir weiter“ waren leider eine Fehleinschätzung. Einen Tag später erlag er seinen Verletzungen.