19.05.2024

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Folge 20-23 vom 19. Mai 2023 / Afghanistan / Eine mutige einsame Kämpferin / Die Afghanin Zarifa Ghafari erzählt ihre Erlebnisse als Bürgerin eines Landes, dessen jüngste Geschichte von Kriegen und Gewalt geprägt ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-23 vom 19. Mai 2023

Afghanistan
Eine mutige einsame Kämpferin
Die Afghanin Zarifa Ghafari erzählt ihre Erlebnisse als Bürgerin eines Landes, dessen jüngste Geschichte von Kriegen und Gewalt geprägt ist
Manuela Rosenthal-Kappi

Zarifa Ghafari ist eine außergewöhnliche Frau, der es gelungen ist, in Afghanistan als erste Frau Bürgermeister einer Provinzstadt zu werden. 1994 in Kabul zur Zeit des Bürgerkriegs als Tochter eines Soldaten geboren, wuchs sie während des ersten Taliban-Regimes auf. Erwachsen wurde Ghafari nach der auf 2001 folgenden Zäsur, „als eine vermutlich demokratische Regierung von westlichen Armeen, Hilfsorganisationen und Milliarden von Dollar gestützt wurde“, wie sie sagt. Allen traditionellen Fesseln zum Trotz verfolgt Ghafari zielstrebig ihren Weg. Sie geht zum Studieren nach Indien. Dort erlebt sie einige unbeschwerte Jahre. Die Erfahrung, dass in Indien Männer und Frauen in der Öffentlichkeit miteinander sprechen dürfen und Bildung für Frauen gefördert wird, erfüllt sie mit großen Plänen für ihre Heimat.

Nach ihrer Rückkehr gründet sie einen Radiosender in Paktia, mit dem Ziel, sich um die Rechte von Frauen zu kümmern. Da ihre Mission in Nachbarschaft der Talibangebiete stattfindet, lebt Ghafari stets in Gefahr. Dennoch bewirbt sie sich um das Amt des Bürgermeisters in der Provinz Wardak. Anwärter werden nicht gewählt, sondern müssen sich Prüfungen unterziehen. Diese besteht sie mit Bravour. Vom ersten Tag ihrer Ernennung an ist sie mit Widerstand konfrontiert. Der Gouverneur bekämpft sie ebenso offen wie die radikalen Moslems. Wardak, westlich von Kabul gelegen, ist das Zentrum der Taliban. Deren Gebiet begann nur anderthalb Kilometer von Ghafaris Büro in Maidan Schar entfernt.

Dreimal entging sie von militanten Moslems verübten Mordanschlägen. Als Afghanistan im August 2021 erneut in die Hände der Taliban fiel, floh Ghafari auf abenteuerliche Weise und begann  ein neues Leben in Deutschland.

Ihre Bilanz nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan fällt düster aus: Die Situation sei immer gleich gewesen: Die Taliban auf der einen Seite, die USA auf der anderen, dazwischen das schuldlose afghanische Volk. Von den USA ist sie enttäuscht: „All die Gespräche über Friedensabkommen ... waren nur schöne Worte, um zu verschleiern, was das hier wirklich war: eine Niederlage.“

Das Einfrieren afghanischen Vermögens führte dazu, dass alles, was noch im Land war, in die Hände der Taliban fiel. Die Folge ist bittere Armut in der Bevölkerung. Problematisch sei der Alltag vor allem für Witwen, sagt Ghafari, denn sie dürfen nicht arbeiten, erhalten aber auch keinerlei Unterstützung. Um ihr Schicksal zu erleichtern, schuf Ghafari von Deutschland aus ein Hilfsprojekt für Frauen. 

Zarifa Ghafari mit Hannah Lucinda Smith: „Zarifa Afghanistan. Meine Heimat. Meine Geschichte“,  dtv, München 2022, gebunden, 319 Seiten, 22 Euro