18.05.2024

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Folge 21-23 vom 26. Mai 2023 / Kommentare / Das Gericht als Basar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-23 vom 26. Mai 2023

Kommentare
Das Gericht als Basar
Hermann Müller

Bereits als im Jahr 2009 verfahrensbeendende Absprachen in die deutsche Strafprozessordung eingeführt wurden, warnten Kritiker, die sogenannten Deals würden zu einem Vertrauensverlust in den Rechtsstaat führen. Mit dem Urteil im Prozess zum Juwelenraub aus dem Dresdner Grünen Gewölbe hat diese Diskussion nun neue Nahrung erhalten. Im November 2019 waren aus dem Grünen Gewölbe in Dresden 21 Schmuckstücke mit Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von 116,8 Millionen Euro gestohlen worden. Zudem verursachten die Täter über eine Million Euro Schaden, indem sie einen Stromkasten und in der Tiefgarage eines Dresdner Wohnhauses ein Fluchtauto in Brand setzten.

Am 16. Mai verhängte das Landgericht Dresden nun gegen fünf Angeklagte Freiheitsstrafen von bis zu sechs Jahren und drei Monaten. Teilweise wurden dabei vorherige Bewährungsstrafen einbezogen. Ein sechster Angeklagter wurde freigesprochen, er hatte für die Tatnacht ein Alibi. Mit dem Urteil setzte das Gericht zugleich auch die Haftbefehle gegen vier Angeklagte unter Meldeauflagen außer Vollzug. Damit konnten diese Verurteilten vom Gerichtsaal nach Hause, gegebenenfalls müssen sie später eine Reststrafe absitzen. Lediglich einem der Angeklagten im Dresdner Juwelendiebstahl versagte das Gericht eine Haftverschonung. Der 24-Jährige sitzt wegen des Diebstahls einer Goldmünze aus dem Berliner Bodemuseum nämlich bereits eine Jugendstrafe ab.

Ein Teil der Beute ist zurück

Das Strafmaß für den Jahrhundertraub fiel für die fünf verurteilten jungen Männer aus dem Berliner Remmo-Clan bemerkenswert niedrig aus. Immerhin hat sie das Dresdner Gericht wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahl mit Waffen, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Brandstiftung für schuldig befunden. Allein für schwere Brandstiftung sieht das Gesetz mindestens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr vor, die Höchststrafe liegt sogar bei 15 Jahren.

Grundlage des vergleichsweise milden Urteils war ein sogenannter Deal, eine Verständigung zwischen Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Vier der Angeklagten hatten vor Gericht zugegeben, an dem Einbruch im Grünen Gewölbe beteiligt gewesen zu sein. Kurz vor Weihnachten 2022 war zudem ein Teil der Beute, 18 teils beschädigte Schmuckstücke, zurückgegeben worden. 

Mit Blick auf den Handel sagte Andreas Ziegel, der Vorsitzende Richter am Landgericht Dresden: „Der Kammer war bewusst, dass ohne die Verständigung die als unersetzlich eingeschätzten Schmuckstücke wohl nie ins Grüne Gewölbe zurückkehren würden.“ 

In der Tat waren mehrere Durchsuchungsaktionen der Ermittler in Berlin erfolglos verlaufen. Die Hoffnungen, dass das Grüne Gewölbe den Sächsischen Staatsschatz jemals zurückerhalten würde, waren nach den Durchsuchungen bereits geschwunden. 

Ein attraktives Geschäftsmodell

Sehr skeptische Töne zum Deal kamen dagegen aus Berlin: Ralph Knispel, Vorsitzender der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, kommentierte mit Blick auf die ausgehandelte Verständigung: „Das der rechtstreuen Bevölkerung zu vermitteln, ist eine schwierige Aufgabe.“ Knsipel zeigte sich zudem besorgt, dass vom Dresdner Urteil ein Signal ausgeht, „das sich sehr negativ auswirken kann“: „Das wird solchen Kreisen Auftrieb geben“, so der Oberstaatsanwalt gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb).

Andere Beobachter warnen zudem, dass mit dem Dresdner Urteil Kriminellen eine Idee zur Risikominderung bei Straftaten geliefert worden sei. In der Tat ist ein Teil der Beute aus dem Juwelenraub noch immer verschwunden. Im Zuge der Verständigung zurückgegeben wurden Schmuckstücke, die aus Sicht von Experten wegen ihrer Bekanntheit von den Tätern ohnehin kaum verkauft werden konnten. Besonders wertvolle Stücke wurden von den Tätern nicht zurückgegeben. Mit Blick auf den Ausgang des Dresdner Prozesses könnten Täter auf die Idee kommen, von vornherein einen Teil ihrer Beute als Verhandlungsmasse zu reservieren, falls sie sich für ihren Raub oder Diebstahl vor Gericht verantworten müssen. Dieser Teil der Beute würde dann faktisch eine Art von Versicherungsprämie sein, die im Fall eines Prozesses das Strafmaß senkt.