18.05.2024

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Folge 22-23 vom 02. Juni 2023 / Kinokritik / Neapel jenseits des Vesuv / Oscar-nominiertes Filmjuwel aus Italien – „Nostalgia“ dringt tief ins Herz des Problemviertels Sanità ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-23 vom 02. Juni 2023

Kinokritik
Neapel jenseits des Vesuv
Oscar-nominiertes Filmjuwel aus Italien – „Nostalgia“ dringt tief ins Herz des Problemviertels Sanità ein
H. Tews

Hätte die unter deutscher Regie produzierte internationale Co-Produktion „Im Westen nichts Neues“ bei der diesjährigen Oscar-Verleihung nicht auch den Oscar für den besten internationalen Film erhalten, dann wäre vielleicht der italienische Film „Nostalgia“ zum Zuge gekommen. Nominiert war er, und verdient hätte er es gehabt. Vom 8. Juni an kann man sich in den Kinos davon überzeugen, einem kleinen Filmjuwel beigewohnt zu haben.

Erzählt wird die Geschichte des Neapolitaners Felice, der nach 40 Jahren in seine Heimatstadt zurückkehrt, nachdem der Katholik in einem arabischen Staat eine Muslimin geheiratet hat und zum Islam konvertiert war. Im nördlich am Stadtzentrum angrenzenden Sanità-Viertel besucht er seine betagte Mutter, pflegt und wäscht sie kurz vor ihrem Tod auf würdevolle Weise. Nach und nach wird enthüllt, was der Grund für seine lange Abwesenheit war: ein tragisch geendeter Hauseinbruch mit seinem Jugendfreund Oreste, der 40 Jahre später das Sanità als Camorra-Boss beherrscht. Dieser ist auch der Erzfeind des Priesters Don Luigi Rega, der aufopferungsvoll dafür sorgt, die Jugendlichen in dem Problemviertel von der Straße fernzuhalten. Er wird zu einem Freund Felices, der Pater zum Beichtvater des gläubigen Moslem.

Doch es gibt noch eine weitere Hauptfigur des Films: Das ist das Sanità mit seinen Menschen selbst. Regisseur Mario Martone dringt auch mithilfe einer Handkamera ähnlich tief in das Herz Neapels ein, wie es der Verbrecher Oreste mit einem Messer in jenes einer seiner Opfer tun wird. Postkartenbilder der Stadt mit dem Vesuv hätten nur gestört. Den Vulkan lässt Martone nur kurz zu Beginn von einem Hotelfenster aus sehen. Stattdessen erleben wir ein liebevolles Portrait der Bewohner bei ihren Tätigkeiten in Werkstätten, auf Touren mit dem Motorroller, beim Herumlungern auf den Straßen, beim Gottesdienst vor der Kirche oder beim Erforschen der Katakomben, über denen Teile des Sanità erbaut sind.

Das Heimweh, das Felice zurück nach Neapel getrieben hat, wird durch diese elegische Stimmung auch für den Zuschauer spürbar. Mit viel Empathie fügen sich die Schauspieler nahtlos in diese außergewöhnliche Kulisse ein.