18.05.2024

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Folge 23-23 vom 09. Juni 2023 / Bildstarke Gefühlswelten / Die Schweinfurter Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ ist ihrerseits ein höchst attraktiver Vorbote auf das Friedrich-Jahr 2024

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-23 vom 09. Juni 2023

Bildstarke Gefühlswelten
Die Schweinfurter Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ ist ihrerseits ein höchst attraktiver Vorbote auf das Friedrich-Jahr 2024
Veit-Mario Thiede

Das künstlerische Credo Caspar David Friedrichs (1774–1840) lautete: „Nicht die treue Darstellung von Luft, Wasser, Felsen und Bäumen ist die Aufgabe des Bildners, sondern seine Seele, seine Empfindung soll sich darin spiegeln.“ 

Der berühmte Romantiker malte Landschaften, in denen der Sonnenuntergang oder der Vollmond für eine besondere Stimmung sorgen, die auf den Betrachter einwirken soll. Seine Stimmungslandschaften haben Vorläufer, und auch mit Friedrich befreundete Maler schufen welche, wie uns Wolf Eiermann veranschaulicht. Der Leiter des Schweinfurter Museums Georg Schäfer stellt 41 Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen Friedrichs 60 Werke anderer Künstler gegenüber.

Die mit Hauptwerken Friedrichs bestückte Ausstellung geht zahlreichen weiteren voraus, mit denen der im nächsten Jahr bevorstehende 250. Geburtstag des berühmtesten romantischen Malers gefeiert wird. Greifswald, wo er als Sohn eines Seifensieders zur Welt kam, kündigt eine Sonderausstellung im Pommerschen Landesmuseum an. Ebenso wird Friedrich in Dresden geehrt, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte. Wie die Dresdner Gemäldegalerie Neue Meister besitzen auch die Nationalgalerie Berlin und die Hamburger Kunsthalle bedeutende Friedrich-Sammlungen und bereiten Ausstellungen vor. Zunächst aber bereichern sie die Schweinfurter Schau um erlesene Leihgaben.

Eines der attraktivsten Werke hat das Kunst Museum Winterthur nach Schweinfurt geschickt: „Kreidefelsen auf Rügen“. Caspar David Friedrich schuf es 1818, im Jahr seiner Heirat mit Caroline Bommer. Die Hochzeitsreise führte das Paar bis nach Rügen. Und möglicherweise spielt das Gemälde auf ein dortiges Erlebnis an. Die im hellen Sonnenlicht leuchtenden Kreidefelsen rahmen den Ausblick auf das sich in kleinen Wellen kräuselnde Meer. Der rechts vorn stehende Mann hat sich nah an den Abgrund gewagt und blickt in die Ferne. Die links sitzende Dame zeigt in die Tiefe. Das aber hat den in der Mitte dargestellten Mann dazu gebracht, Hut und Wanderstock ins Gras zu legen, auf die Knie zu gehen und sich über den Abgrund zu beugen. Das Geschehen bleibt für uns rätselhaft. Und das ist typisch für Friedrich, wie Eiermann urteilt: „Friedrich erzählt uns nichts, er klärt nicht auf.“

Über seinen künstlerischen Anspruch schrieb der Maler: „So ist es doch schon ein großes Verdienst und vielleicht das Größte eines Künstlers, geistig anzuregen und in dem Beschauer Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu wecken und wären sie auch nicht die seinen.“

Mit stimmungsvollen Werken warten auch die Vorboten der Romantik auf. Aert van der Neer zelebriert eine „Kanallandschaft im Mondschein“ (nach 1650). Von vergangener Größe kündet die von Gillis Neyts gemalte „Landschaft mit Burgruine“ (1666). Jan Aselijns „Südliche Hafenlandschaft bei Sonnenuntergang“ (um 1647) erstrahlt in Gelborange. Und auf Claude Lorrains Gemälde „Die Furt“ (1632–1634) hat es eine Gruppe von Männern und Frauen eilig, vor Einbruch der Nacht nach Hause zu kommen. 

Beachtenswert sind auch die Beiträge zweier Freunde von Friedrich. Der Arzt, Naturwissenschaftler und Hobbymaler Carl Gustav Carus offenbart eine ausgesprochene Vorliebe für Vollmondbilder. Und dem Malerkollegen Gerhard von Kügelgen verdanken wir ein außerordentlich lebendig wirkendes Portrait Caspar David Friedrichs (um 1806).

Friedrichs Phantasie-„Watzmann“

Im Unterschied zu den Bildern seiner Vorläufer, auf denen die Figuren aktiv sind, zeigt Friedrich zumeist passive Gestalten. Als Rückenfiguren sind sie gleichsam unsere Stellvertreter im Bild. Spektakulärstes Beispiel ist der „Wanderer über dem Nebelmeer“ (um 1817). Der Gipfelstürmer blickt auf die Welt hinab – und sieht nur einige Bergspitzen. Es ist nämlich neblig. Der von Eiermann zum Erfinder der Nebelbilder erklärte Friedrich äußerte: „Wenn eine Gegend sich in Nebel hüllt, erscheint sie größer, erhabener und erhöht die Einbildungskraft und spannt die Erwartung, gleich einem verschleierten Mädchen.“

Die Ausstellung besticht mit vielen weiteren attraktiven und hinsichtlich Motiv oder Farbstimmung ungewöhnlichen Gemälden Caspar David Friedrichs. Den hinter verschattetem Vordergrund im hellen Licht funkelnden „Watzmann“ (1824/25) verklärt Friedrich zur majestätischen alpinen Erscheinung. Mit eigenen Augen gesehen hat er den so realitätsnah erscheinenden Bergriesen allerdings nie. Eine faszinierende Vision am geheimnisvoll beleuchteten Nachthimmel ist die aus den Wolken aufsteigende „Kathedrale“ (1818). Es ist sein einziges Gemälde, in dem Engel auftreten. Viele Gemälde zeigen die ihm seit seiner Kindheit vertraute Küstenlandschaft. Gern in Abendstimmung. Sein „Mondaufgang am Meer“ (1822) zeigt zwei Frauen und einen Mann, die auf einem Felsbrocken sitzen. Im Widerspruch zum Bildtitel betrachten sie jedoch die in lila Gewölk untergehende Sonne. Sie verabschiedet sich mit gleißendem Widerschein auf dem Wasser – und man rätselt, wie der Mann und die Frauen nach dem unmittelbar bevorstehenden Sonnenuntergang heimfinden sollen.

Bis 2. Juli im Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20, Schweinfurt, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, dienstags bis 20 Uhr, Eintritt: 10 Euro. Weitere Station ist vom 26. August bis 19. November das Kunst Museum Winterthur in der Schweiz. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet 39,90 Euro

www.museumgeorgschaefer.de