18.05.2024

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Folge 23-23 vom 09. Juni 2023 / Kunst / Altmeisterlicher Jugendstilkünstler / Ritterschlag durch Rilke – Museum Wiesbaden stellt den Leipziger Maler Oskar Zwintscher vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-23 vom 09. Juni 2023

Kunst
Altmeisterlicher Jugendstilkünstler
Ritterschlag durch Rilke – Museum Wiesbaden stellt den Leipziger Maler Oskar Zwintscher vor
Claus-M. Wolfschlag

Nach Jahren der Vergessenheit des Malers scheint sich eine kleine Zwintscher-Renaissance anzukündigen. Im letzten Jahr präsentierte das Dresdner Albertinum eine größere Schau über Oskar Zwintscher. Und nun legt das Museum Wiesbaden mit der Ausstellung „Weltflucht und Moderne“ zu Werk und Umfeld des sächsischen Jugendstilkünstlers nach.

1870 als Sohn eines Klavierpädagogen in Leipzig geboren, zog Zwintscher nach dem Studium in Leipzig und Dresden als freischaffender Künstler nach Meißen. Zahlreiche Stadtansichten malte er dort. Bestritt Zwintscher anfänglich seinen Lebensunterhalt als Karikaturist, so gelang ihm der Durchbruch zu einem größeren Publikum 1898 im Rahmen einer Ausstellung, die öffentliches Interesse erregte. Eine Art künstlerischer Ritterschlag war zudem der Besuch der damals bekannten Künstlerkolonie Worpswede 1902 nach einer Einladung Rainer Maria Rilkes. 1903 erfolgte die Berufung zum Professor an der Dresdner Kunstakademie.

Auffallend in Zwintschers Werk sind seine außergewöhnliche Malweise von Landschaftsbildern und sein immer wieder auftretendes Modell. Die Natur- und Stadtpanoramen weisen typische dekorative Elemente des Jugendstil auf, also das tendenziell zweidimensionale Erscheinungsbild, die sommerlich-kräftige Farbigkeit, die oft ins geometrische gleitende Wolkenstruktur. Die Bilder stehen symbolisch für den Aufbruch, den die künstlerische Jugend um 1900 verspürte. 

Als Modell seiner Gemälde hingegen tritt immer wieder – teils als Akt, teils in unterschiedlichster Kostümierung –Zwintschers Gattin Adele auf, deren Altern über zwei Jahrzehnte man auf den Gemälden anschaulich miterleben kann. Zwintscher arbeitete sich regelrecht an seiner Ehefrau künstlerisch ab.

Dass er aber auch ganz anders konnte, zeigt das 1901 entstandene Doppelbild „Porträt meiner Eltern“ mit hell abgesetzten Gesichtern vor dunklem Hintergrund. Das Werk ist deutlich von der altmeisterlichen deutschen Renaissancemalerei in der Tradition Cranachs, Dürers und Holbeins inspiriert. Auch in Zwintschers Beschäftigung mit dem Tod, der bisweilen als Skelett in seinen Bildern auftaucht, zeigt sich eine bisweilen ins düster-symbolistische reichende Tendenz. Womöglich war es eine Vorahnung auf das eigene Schicksal, denn Zwintscher starb 1916 im Alter von nur 45 Jahren.

Ergänzend zu dem von ihm hinterlassenen Werk zeigt das Museum Wiesbaden viele Bilder aus seinem zeitgenössischen künstlerischen Umfeld, das vor allem in Dresden wirkte. So werden die Verbindungen beispielsweise zu Hans Unger, Sascha Schneider, Heinrich Vogeler oder Paula Modersohn-Becker deutlich. 

„Weltflucht und Moderne. Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900“ bis 23. Juli im Museum Wiesbaden, Friedrich-Ebert-Allee 2, Wiesbaden, zu sehen. Geöffnet täglich außer montags von 11 bis 19 Uhr (Dienstag, Donnerstag), 11 bis 17 Uhr (Mittwoch, Freitag) und 11 bis 18 Uhr (Sonnabend, Sonntag), Eintritt: 12 Euro.

www.museum-wiesbaden.de