18.05.2024

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Folge 23-23 vom 09. Juni 2023 / Reichsflotte / Die erste gesamtdeutsche Marine / Als Reaktion auf die dänische Seeüberlegenheit im Schleswig-Holsteinischen Krieg beschloss die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vor 175 Jahren die Aufstellung eigener Seestreitkräfte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-23 vom 09. Juni 2023

Reichsflotte
Die erste gesamtdeutsche Marine
Als Reaktion auf die dänische Seeüberlegenheit im Schleswig-Holsteinischen Krieg beschloss die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche vor 175 Jahren die Aufstellung eigener Seestreitkräfte
Bernhard Knapstein

Als Heinrich von Gagern am 14. Juni 1848 in der Frankfurter Paulskirche unter den Bravo-Rufen der erhobenen Abgeordneten der Nationalversammlung eine „an Stimmeneinhelligkeit grenzende Majorität“ feststellt, ist damit nicht weniger geschehen als die Begründung der ersten gesamtdeutschen Parlamentsstreitkräfte zur See. Sechs Millionen Taler bewilligt das Parlament zum „Zweck der Begründung eines Anfangs für die deutsche Marine“, wie es im Beschluss heißt.

Hintergrund der Debatte vor 175 Jahren in der Paulskirche ist der deutsch-dänische Konflikt in den beiden Herzogtümern Schleswig und Holstein, wo die Deutschen eine provisorische Regierung gebildet und eine eigene Armee aufgestellt haben. Der Deutsche Bund hatte gegen Dänemark den Bundeskrieg erklärt, war aber nicht in der Lage, den Dänen zur See wehrhaft entgegenzutreten. 

Im April hatte der sogenannte Siebzehnerausschuss des Bundestags bereits aufgefordert, eine Kriegsmarine aufzubauen, später auch der Fünfzigerausschuss. Zudem hat der Deutsche Marinekongress mit Sitz in Hamburg die Nationalversammlung aufgefordert, ein Marineministerium zu gründen.

Als von Gagern schließlich im Parlament das Thema aufruft, ereifern sich die Abgeordneten. „Man spricht vom nahen Frieden. Sind das etwa die Anzeichen, wenn täglich preußische und andere deutsche Schiffe in Kopenhagen als gute Beute erklärt werden?“, fordert der Schleswiger Abgeordnete Karl Phillipp Francke in der Paulskirche nach dem Aufbringen zahlreicher preußischer Handelsschiffe durch Dänemark eine Bundesmarine. Der Beschluss ist fast einstimmig. Fehlenden Patriotismus will sich niemand vorwerfen lassen. Doch was simpel klingt, ist es nicht. Der Deutsche Bund ist komplex, mit Hannover, Schleswig, Holstein und Luxemburg sind auch Briten, Dänen und die Niederlande mit im Bund vertreten.

Und auch der Name der Flotte bleibt lange unklar. Marineminister Arnold Duckwitz schreibt 1849 von einer „Deutschen Kriegsmarine“, in der Ernennungsurkunde des Admirals ist hingegen von „Reichs-Marine“ die Sprache, in der Verfassung von „Kriegsflotte“. 

Ungeachtet solcher Petitessen ist es bemerkenswert, dass es dem Bremer Kaufmann Duckwitz als Mitglied der von der Nationalversammlung eingesetzten gesamtdeutschen Regierung in den Wirren von Revolution und Gegenrevolution überhaupt gelingt, eine Kriegsmarine auf die Beine zu stellen. Mehrere kleinere Schiffe werden erworben und aufgerüstet. Die Flagge der Reichsflotte ist schwarz, rot, gold und zeigt den schwarzen Reichsadler auf gelbem Grund in der oberen linken Ecke.

An der Aufstellung der Flotte beteiligt ist der gebürtige Leipziger und seekriegserfahrene Offizier Karl Rudolph Bromme, der sich selbst Brommy nennt. Dieser steht 1848 zwar noch als Fregattenkapitän in den Diensten Griechenlands, das ihn allerdings beurlaubt. Im März 1849 übernimmt Brommy zunächst als Oberbefehlshaber die preußische Nordseeflottille. Sein Flaggschiff ist die SMS Barbarossa in Brake. Im April 1849 wird er im Range eines Kapitäns zur See in Bremerhaven Leiter der Seezeugmeisterei. 

Zudem unterstützt Prinz Adalbert von Preußen, jüngster Bruder König Friedrich-Wilhelms III., beratend den Aufbau der Flotte. Eigentlich Artillerist, entwickelte er früh seine Leidenschaft für die Seekriegsführung. Thema solcher Beratungen ist unter anderem die Errichtung eines Nord-Ostsee-Kanals, um die Flotte geschützt zwischen den Meeren verlegen zu können.

Der überschaubare Erfolg der aufgebauten Flotte besteht aus neun seetüchtigen Raddampfern, zwei Segelschiffen und 27 Ruderkanonenbooten. An Seeoffizieren allerdings mangelt es, sodass Brommy Briten und Belgier anwirbt. Die ungelöste Herausforderung der provisorischen Reichsregierung besteht zudem darin, dass weder der Bund selbst noch die Bundesstaaten nachhaltig in die Finanzierung der Flotte einsteigen wollen. Und auch die deutschen Fürsten unterstellen ihre Flotten, soweit vorhanden, dem Bund nicht direkt, wie es die Reichsverfassung eigentlich vorsieht. Lediglich die Schleswig-Holsteinische Marine fährt unter der Flagge des Deutschen Bundes, agiert aber selbstständig.

Zur Feuertaufe kommt am 4. Juni 1849. Brommy, zu dem Zeitpunkt noch im Range eines Kapitäns zur See, ist mit der Dampf-Fregatte „Barbarossa“ und den beiden Dampfkorvetten „Hamburg“ und „Lübeck“ ausgelaufen, um die dänische Seeblockade auszukundschaften. Vor Helgoland trifft der Verband auf die dänische Segelkorvette „Valkyrien“ und einen Raddampfer. 

Laut Brommys Bericht ans Reichsmarineministerium eröffnen die beiden Verbände aufeinander das Feuer, wobei die Kanonade der Dänen Brommys Verband aufgrund zu großer Entfernung nicht erreicht. Technisch sind die Deutschen dem Gegner voraus, doch auch das deutsche Feuer kann bei den Dänen keinen größeren Schaden anrichten. Brommy muss das Gefecht schließlich abbrechen, da zum einen weitere dänische Schiffe den deutschen Verband in die Zange zu nehmen drohen und zudem die Briten von Helgoland aus Warnschüsse abfeuern – ein Gefecht auf neutralem Boden bedeutet diplomatisches Ungemach.

Das Seegefecht bei Helgoland sollte das einzige große Gefecht der Marine des Deutschen Bundes bleiben. Drei Wochen zuvor beharken sich sieben schleswig-holsteinische und drei dänische Schiffe ergebnislos bei Bülk. Beteiligt waren unter anderem küstennah patrouillierende Ruderkanonenboote.

Die Geschichte dieser ersten gesamtdeutschen Marine – noch dazu als Parlamentsmarine – bleibt indessen nur von kurzer Dauer. Die Reichsverfassung der Paulskirche verpufft, der preußische König lehnt die Kaiserkrone ab. Viele Revolutionäre verlassen mit der Gegenrevolution der Fürsten das Land und entziehen sich dem polizeilichen Zugriff durch 

Auswanderung.

Der Bundestag beschließt am 2. April 1852 in Frankfurt die Auflösung der Flotte. Die Schiffe werden noch im selben Jahr weit unter Wert versteigert, Preußen übernimmt zwei der moderneren Schiffe. Ende März 1853 muss Brommy den Auflösungsbefehl aller Marinebehörden unterzeichnen. Damit ist die kurze Geschichte der ersten deutschen Flotte vorbei. Nur der Stolz ist geblieben: Die Bundeswehr feiert am 14. Juni in der Paulskirche das Ereignis vor 175 Jahren.