18.05.2024

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Folge 23-23 vom 09. Juni 2023 / Pazifik / US-Kolonie statt Unabhängigkeit / Vor 125 Jahren ließ sich die philippinische Unabhängigkeitsbewegung von den USA instrumentalisieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-23 vom 09. Juni 2023

Pazifik
US-Kolonie statt Unabhängigkeit
Vor 125 Jahren ließ sich die philippinische Unabhängigkeitsbewegung von den USA instrumentalisieren
Manuel Ruoff

Seit nunmehr 200 Jahren ist die Monroe-Doktrin US-amerikanische Staatsdoktrin. Die nach dem von 1817 bis 1825 amtierenden fünften US-Präsidenten James Monroe benannte Doktrin lautet: Amerika den Amerikanern, und meint: (zumindest) Amerika den US-Amerikanern. Damit gerieten die USA auf kurz oder lang in Konflikt mit Spanien, das im 19. Jahrhundert noch nennenswerte koloniale Besitzungen in Amerika besaß, darunter auch die Philippinen. 

Getreu dem sich durch die US-Außenpolitik ziehenden Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ suchten die USA also die Verbindung zum antispanischen, antikolonialen Widerstand auf den Philippinen. Im Exil des Führers der phi­lippinischen Unabhängigkeitsbewegung, Emilio Aguinaldo, in Hongkong gab es Gespräche zwischen dem Unabhängigkeitskämpfer und US-Diplomaten, in denen Letztere ihre Sympathie für den philippinischen Wunsch nach Unabhängigkeit bekundeten.

Nachdem am 23. April 1898 der sogenannte Spanisch-Amerikanischen Krieg zwischen den USA und der europäischen Kolonialmacht ausgebrochen war und am 1. Mai das US-amerikanische Asiengeschwader in der Schlacht in der Bucht von Manila die spanische Pazifikflotte vernichtet hatte, kehrte Aguinaldo am 19. Mai auf die Philippinen zurück, um mit seinen Mitstreitern gemeinsam mit den US-Amerikanern die Spanier zu Lande zu bekämpfen. Nach gemeinsamen Erfolgen seiner Unabhängigkeitsbewegung und der USA gegen Spanien hielt Aguinaldo die Zeit für gekommen, seine Heimat für unabhängig zu erklären. Das war vor 125 Jahren, am 12. Juni 1898. Auch dieses Jahr wird die Republik der Philippinen diesen Tag wieder als ihren Unabhängigkeitstag begehen.

Die Stunde der Wahrheit kam nach der spanischen Niederlage, als der philippinische Mohr seine Schuldigkeit getan hatte. Der am 10. Dezember geschlossenen Vertrag von Paris, der den Spanisch-Amerikanischen Krieg beendete, machte offenbar, dass entgegen ihrer Kriegspropaganda nicht die Befreiung der spanischen Kolonien in Amerika das Kriegsziel der USA gewesen war, sondern die Ersetzung der spanischen Fremdherrschaft durch eine US-amerikanische. Neben Puerto Rico und Guam musste Spanien in dem Vertrag auch die Philippinen an die USA abtreten. Am 6. Februar ratifizierten die USA den Pariser Frieden und erklärten die Philippinen offiziell zur Kolonie.

Ein Paradebeispiel US-amerikanischer Verlogenheit ist die Argumentation, mit welcher der damalige republikanische US-Präsident William McKinley die Annexion als moralisch-sittlich geboten und alternativlos verteidigte:

„In Wahrheit wollte ich die Philippinen nicht, und als wir sie als Geschenk der Götter bekamen, wusste ich nichts mit ihnen anzufangen. Ich lief Abend für Abend bis Mitternacht im Weißen Haus umher; und ich schäme mich nicht zu gestehen, dass ich niederkniete und den Allmächtigen mehr als einmal um Licht und Führung anging. Und eines Abends spät dämmerte es mir … dass wir sie nicht einfach sich selbst überlassen konnten; sie waren nicht reif für die Selbstregierung, sie hätten dort bald Anarchie und eine schlimmere Misswirtschaft gehabt, als es die spanische war; viertens, dass uns nichts übrig blieb, als die Filipinos zu erziehen, sie emporzuheben, zu zivilisieren und zu christianisieren und mit Gottes Gnade das Beste für sie zu tun wie für unsere Mitmenschen, für die Christus ebenso gestorben ist. Dann ging ich zu Bett und schlief ein und hatte einen gesunden Schlaf. Am nächsten Morgen ließ ich dann den Chefingenieur des Kriegsministeriums, unseren Kartographen, rufen und befahl ihm, die Philippinen auf die Landkarte der Vereinigten Staaten zu setzen, und dort sind sie, und dort werden sie bleiben, solange ich Präsident bin.“

Wenigstens etwas ehrlicher argumentierte McKinleys Parteifreund Senator Albert J. Beveridge für die Annexion: „Geradewegs hinter den Philippinen liegen Chinas schier unermessliche Märkte. Wir werden unseren Teil in der Mission unserer von Gott geschützten Rasse bei der Zivilisierung der Erde beitragen. Wo werden wir die Abnehmer unserer Produkte finden? Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am Tor zum Osten“

Doch nicht alle US-Amerikaner waren Imperialisten. Gegen die Annexion sprach sich beispielsweise Mark Twain aus: „Da sind wir in einen Schlamassel geraten, einen Sumpf, aus dem es mit jedem neuen Schritt immens schwieriger wird, hinauszukommen. Ich würde wirklich gerne wissen, was wir davon haben und was das für uns als Nation alles bedeutet.“

Die philippinische Unabhängigkeitsbewegung hatte nicht unter Opfern die spanische Kolonialherrschaft bekämpft, um nun widerstandslos eine US-amerikanische zu akzeptieren. So war es nur eine Frage der Zeit, bis der Konflikt zum Krieg eskalierte. Am 4. Februar 1899 brach der sogenannte Philippinisch-Amerikanische Krieg aus. Wie zuvor die Spanier waren auch die Filipinos nicht in der Lage, die USA zu besiegen. Im offenen Kampf den US-Amerikanern militärisch hoffnungslos unterlegen, gingen sie im November des ersten Kriegsjahres zum Untergrundkampf über, welcher die neuen Kolonialherren jedoch nicht zermürbte. 

Da es nie eine allgemeinverbindliche Kapitulation der Untergrundbewegung gab, ist es schwer, das Ende des Krieges an einem Datum festzumachen. Nach dem Ende der Präsidentschaft von McKinley erklärte dessen Amtsnachfolger Theodore Roosevelt am ersten Independence Day seiner Amtszeit, den 4. Juli 1902, den Krieg für beendet. Erst über eine Generation später, an ihrem eigenen Unabhängigkeitstag des Jahres 1946, entließen die USA die Philippinen in die Unabhängigkeit.