Auf wohl keinem politischen Feld wird häufiger eine neue Sau durchs Dorf getrieben als in der Bildungspolitik. In den 1980er Jahren geißelte die CDU eine „übersteigerte Verwissenschaftlichung“ in der Bildungspolitik. Bildung und Erziehung müssten wieder in den Vordergrund gerückt werden.
Seither hat sich nicht viel geändert. Bildungspolitische Experimente feiern immer neue Urständ. Das „Schreib wie Du sprichst“-Experiment an Grundschulen wurde als grandioses Desaster wieder weitgehend eingestellt. Betroffene Fünftklässler können das Defizit in der Rechtschreibung kaum aufholen. Das Wegbrechen von Förderschulen für mehr Inklusion bremst bis heute leistungsstarke Schüler aus. Lehrer sind mit den unterschiedlichen Lernniveaus in einer Klasse erst recht überfordert. Mit Corona kam dann noch der Isolations-Unterricht am Bildschirm hinzu.
Die neueste Sau im Dorfe ist das „Abitur im eigenen Takt“, das einige Bundesländer umsetzen wollen. Ziel ist demnach, die Schüler dann zu prüfen, wenn sie dazu bereit sind. Der Philologenverband hat bereits scharfe Kritik geäußert. Dann kämen die Lehrer aus dem Dauerstress der nicht enden wollenden Prüfungen kaum mehr heraus. Selbst Schülervertretern kommen Zweifel auf, ob es sinnvoll ist, Abiturienten, die im späteren Studium mit Leistungsdruck klarkommen müssten, die Reifeprüfung durch Verlängerung der Oberstufe zur Wohlfühloase zu machen.
Es wundert wenig, dass Unternehmer über fehlende Ausbildungsfähigkeit von Schulabsolventen und Professoren über fehlende Studienreife von Abiturienten klagen. Während in Asien Schulen Leistungen fordern und erhalten, wird in Deutschland der Begabtenförderung längst weniger Aufmerksamkeit geschenkt als der Toilette für das dritte Geschlecht.