Ist Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereit, aus Solidarität mit Osteuropa der deutschen Industrie massiven Schaden zuzufügen? Diese Frage stellt sich nach Äußerungen des Grünen-Politikers auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow. Dort war Habeck in einer Rede am 13. Juni auf das Auslaufen der Gastransitverträge zwischen Russland und der
Ukraine eingegangen. Trotz des Krieges gelten die Vereinbarungen zum Gastransit weiter. Habeck sagte, noch sei unklar, ob die Verträge 2024 verlängert werden. Bislang werden durch Gaslieferungen, die über ukrainisches Gebiet laufen, hauptsächlich Österreich, die Slowakei und andere osteuropäische Staaten versorgt.
Mit Blick auf eine mögliche Nichtverlängerung der Transitvereinbarung und ausbleibende Gaslieferungen in Osteuropa machte Habeck auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum eine brisante Aussage: „Bevor die Leute dort frieren, müssten wir unsere Industrie drosseln oder gar abschalten.“ Die deutsche Industrie muss Habecks Ankündigung wie ein Alarmsignal verstehen: Schon jetzt sind die Preise für den Energieträger Gas in der EU wesentlich höher als in den USA. Wenn jetzt durch den Wirtschaftsminister auch noch infrage gestellt wird, ob für die Industrie überhaupt Gas zur Verfügung gestellt werden kann, dann ist dies möglicherweise eine Zumutung zu viel.
Wie schlecht die Stimmung in der Wirtschaft ist, wurde beim Tag der Industrie deutlich. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sagte: „Momentan beschäftigen sich immer mehr Unternehmen bis weit in den Mittelstand damit, einen Teil ihrer Wertschöpfung aus Deutschland weg zu verlagern.“ Der BDI-Chef forderte die Bundesregierung auf, schnell Voraussetzungen zu schaffen, damit die Unternehmen zu wettbewerbsfähigen Preisen mit Energie versorgt werden. Zudem mahnte Russwurm: „Der Strom muss
24 Stunden am Tag fließen – auch bei Dunkelflaute.“
Habecks Ankündigung, notfalls der Industrie die Gasversorgung abzuschalten, sendet nicht nur der deutschen Wirtschaft ein völlig falsches Signal. In Moskau kann die Aussage des deutschen Wirtschaftsministers wie ein Gratis-Rezept zur Schädigung der deutschen Wirtschaftskraft verstanden werden: Bleiben eure Gaslieferungen aus, dann fahren wir unserer Industrie runter, so eine mögliche Deutung von Habecks Botschaft aus Sicht des Kreml. Mit seiner Aussage hat Habeck allerdings auch der ukrainischen Regierung ein starkes Mittel in die Hand gegeben, Druck auf Deutschland und die Abnehmerländer des russischen Gases auszuüben.
Schon jetzt gibt es aus Kiew Signale, den Transitvertrag nicht zu verlängern. Nach Angaben von Gerhard Roiss, dem ehemaligen Chef des österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV, soll der stellvertretende ukrainische Energieminister ihm gegenüber gesagt haben, der Vertrag werde zwar erfüllt, aber nicht verlängert, darauf habe man sich vorzubereiten. Mit einer solchen Entwicklung würde die Bedeutung der TurkStream-Gaspipeline steigen, die Gas unter dem Schwarzen Meer hindurch auf das europäische Gebiet der Türkei und weiter nach Südosteuropa leitet. H.M.