18.05.2024

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Folge 25-23 vom 23. Juni 2023 / Analyse / Das Erbe des „Cavalliere“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-23 vom 23. Juni 2023

Analyse
Das Erbe des „Cavalliere“
Peter Entinger

Am Grab des verstorbenen Medienzaren und früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi vermieden Weggefährten und politische Gegner gleichermaßen Spekulationen über das Erbe des „Cavalliere“. In dem nach wie vor sehr katholisch geprägten Land gehört diese Zurückhaltung zum guten Ton. Doch damit dürfte es bald vorbei sein. Denn nach dem Tod des Parteigründers geht es vor allem um die Frage, wie es mit seiner 1994 aus der Taufe gehobenen „Forza Italia“ weitergeht. 

Zweifelsohne waren die besten Zeiten der konservativen Berlusconi-Truppe längst vorbei. Bei den Wahlen im vergangenen Herbst kam sie noch auf acht Prozent und war damit der kleinste Teil des nun regierenden Mitte-Rechts-Bündnisses. Wichtig blieb Berlusconi aber vor allem als Stabilisator. 

Angefangen hatte er in den 1990ern als Anführer einer neuen italienischen Zeitrechnung – die Altparteien waren gerade in einem Strudel des Mafia-Sumpfes versunken. Geendet ist er als ruhender Pol zwischen dem aufbrausenden Lega-Führer Matteo Salvini und der Regierungschefin Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia. 

Die Forza Italia war von Beginn an eine Berlusconi-Show. Noch während des letzten Parteitages im Mai wurde der todkranke 86-Jährige vom Krankenzimmer aus zugeschaltet. Er hat sich nie wählen lassen, seine Stellvertreter wurden ernannt und wieder ausgetauscht. An seiner Seite tauchten immer wieder neue Kronprinzen auf und verschwanden in der Versenkung. Immerhin fünf Minister stellt die Forza Italia in der amtierenden Regierung, der bekannteste ist der stellvertretende Ministerpräsident und Außenminister Antonio Tajani. 

Zerreißt Forza Italia?

Der 69-Jährige gilt derzeit als die Nummer 2 der Partei, gewählt wurde auch er nie. „Berlusconi hat uns einen Weg gezeigt, wir müssen in die Zukunft blicken, um ihn zu ehren und sein Projekt fortzuführen“, sagte der gebürtige Römer, „wir haben die Pflicht, weiterzumachen, und ich werde alles tun, damit unser politisches Projekt weiterhin eine Hauptrolle in der italienischen Politik spielen kann. Er wollte, dass die Regierung Meloni weiter macht, dass sie den Bürgern Antworten gibt. Dazu verpflichten wir uns.“ Ob es ihm gelingt, die Partei zusammenzuhalten, ist fraglich. Kenner der italienischen Szene hatten zuletzt spekuliert, Berlusconi könne den Parteivorsitz an seine letzte, 53 Jahre jüngere Lebensgefährtin Marta Fascina vererben. Sie sitzt seit der letzten Wahl im Parlament, spielte dort bisher aber eher die Rolle einer Hinterbänklerin. 

Einst hatte die Forza Italia die Nachfolge der Christdemokraten angetreten, doch Berlusconis Plan einer großen nationalkonservativen Volkspartei nach US-amerikanischem Vorbild konnte nie umgesetzt werden. Der Kampf um seine Nachfolge dürfte die Partei zerreißen und die Regierung vor eine große Belastung stellen. Auffallend offensiv hatte Meloni ihre Fratelli d’Italia Richtung Mitte gerückt und Einpeitschern vom rechten Rand die rote Karte gezeigt. Ihr sollte vor allem daran gelegen sein, Tajani und seine Getreuen mit ins Boot zu nehmen, um die eher liberal-konservativen Wähler zu sichern. Dass der EU-freundliche Außenminister irgendwann auf ein Fratelli-Ticket umbuchen wird, bezweifeln italienische Medien jedoch. 

Wer erbt Berlusconis Wähler?

Außer Frage steht, dass Lega-Chef Salvini, der zuletzt augenscheinlich unter der Harmonie zwischen Meloni und Berlusconi litt, nun mehr Einfluss fordern wird. Der Föderalist kämpft um sein politisches Überleben, doch den reichen Unternehmern im Norden, die bis zuletzt Berlusconi die Stange hielten, gilt er als zu vulgär. Und im Süden haben die Armen nie vergessen, dass es die Lega war, die sie vor Jahren noch als „Erdfresser“ beschimpft hatte. „Wenn ich wetten müsste, würde ich sagen, dass Ber­lus­conis acht Prozent großteils zu Meloni gehen und nur ein kleiner Teil zu Salvini“, sagte der römische Politik-Professor Lorenzo Castellani der Medienplattform Euractiv. 

Doch das Konkurrenzdenken herrscht nicht nur auf der rechten Seite vor. Der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi, heute Chef der Zentrumspartei Italia Viva, lobte Berlusconi auffällig als großen Staatsmann und Europäer. Über eine Übernahme von Mandaten zu reden, verbiete sich aufgrund des Respekts vor dem toten Berlusconi, sagte er vor der Beerdigung am vorletzten Mittwoch.