18.05.2024

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Folge 25-23 vom 23. Juni 2023 / Atomspionage / Justizmord im Kalten Krieg / Vor 70 Jahren wurde das kommunistische Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg in Sing Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-23 vom 23. Juni 2023

Atomspionage
Justizmord im Kalten Krieg
Vor 70 Jahren wurde das kommunistische Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg in Sing Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet
Wolfgang Kaufmann

Weil die angeblichen Atomspione Julius Rosenberg und seine Ehefrau Ethel geborene Greenglass jüdischer Herkunft waren, wurde ihre Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl, die am späten Abend des 19. Juni 1953, einem Freitag, erfolgen sollte, „aus Rücksichtnahme“ noch vor Sonnenuntergang und damit dem Beginn des Sabbat durchgeführt. Zuerst jagte Joseph Francel, der Henker im Staatsgefängnis von Sing Sing in Ossining bei New York, um 20.06 Uhr drei Stromstöße durch den Körper von Julius Rosenberg, der anschließend für tot erklärt wurde. Dann ereignete sich eine gespenstische Szene: Nachdem die kleine und zierliche Ethel Rosenberg um 20.11 Uhr ebenfalls drei Elektroschocks erhalten hatte, stellten die anwesenden Ärzte Harold Kipp und George McCracken fest, dass ihr Herz weiterhin schlug. Das versagte erst nach zweimaligem erneuten Einschalten des Stroms, wobei zuletzt Rauchwolken aus dem Kopf der Frau aufstiegen.

Das Paar diente als Sündenbock

Zumindest im Fall von Ethel Rosenberg handelte es sich um einen Justizmord. Zwar war ihr Ehemann tatsächlich seit 1942 daran beteiligt gewesen, dem sowjetischen Geheimdienst vertrauliche Informationen über US-amerikanische Rüstungsprojekte zu liefern, sie selbst aber nur auf absolut nebensächliche Weise darin involviert. Zudem ist mehr als fraglich, ob die Schwere der Vergehen des Radiotechnikers Julius Rosenberg ein Todesurteil gemäß Absatz 2 des Espionage Act von 1917 rechtfertigte. So eigneten sich weder die Querschnittsskizze von der über Nagasaki abgeworfenen Atombombe „Fat Man“ noch die weiteren fragmentarischen Informationen über das US-Nuklearprogramm, die Rosenberg von seinem Schwager David Greenglass erhalten und im September 1945 an den NKWD-Mitarbeiter Alexander Feklisow weitergeleitet hatte, dazu, den sowjetischen Kerntechnikern das Geheimnis der Atombombe zu offenbaren. Dass die UdSSR es vermochte, am 29. August 1949 ihre erste eigene Nuklearwaffe zu zünden, resultierte eher aus dem Verrat von Physikern wie Theodore Alvin Hall und Klaus Fuchs. 

Allerdings erfolgte die Verhaftung der Rosenbergs im Juli 1950 zu einem Zeitpunkt, wie er kaum ungünstiger für das Ehepaar hätte sein können, denn der Kalte Krieg eskalierte. In den Vereinigten Staaten herrschte nach wie vor Hysterie, weil die Sowjetunion seit dem Vorjahr ebenfalls die Bombe besaß. Die antikommunistische MacCarthy-Ära von 1947 bis 1956 war auf ihrem Höhepunkt. Und seit dem 25. des Vormonats führte die Supermacht einen Stellvertreterkrieg gegen die andere. Vor diesem Hintergrund dienten die Rosenbergs, die beide der Kommunistischen Partei der USA angehörten, als Sündenböcke. 

Späte Enthüllungen

Der Prozess gegen Julius und Ethel Rosenberg begann am 6. März 1951 vor dem United States District Court for the Southern District of New York und endete am 5. April 1951 mit Todesurteilen für beide Angeklagte wegen der Preisgabe von Informationen von wesentlicher Bedeutung für die Verteidigung der Vereinigten Staaten an eine ausländische Regierung. Zur Begründung seiner Entscheidung sagte der Richter Irving Kaufman: „Ich halte Ihre Verbrechen für schlimmer als Mord. Ich glaube, dass Ihr Verhalten, den Russen die Atombombe in die Hand zu geben, und zwar – wie unsere besten Wissenschaftler voraussagten – Jahre bevor Russland selbst die Bombe hätte fertig stellen können, meiner Meinung nach die kommunistische Aggression in Korea bewirkt hat. Und als Ergebnis kam es zu über 50.000 Toten und wer weiß, wie viele Millionen Unschuldiger mehr möglicherweise den Preis für Ihren Verrat werden zahlen müssen.“

Eine vergleichbar kompromisslose Härte legte Präsident Dwight D. Eisenhower an den Tag, als er das Gnadengesuch der Rosenbergs trotz aller Proteste und der Bitten von Papst Pius XII. ablehnte: „Die Hinrichtung zweier menschlicher Wesen ist eine ernste Angelegenheit. Aber noch ernster ist der Gedanke an die Millionen Toten, die den Taten dieser Spione möglicherweise direkt zuzuschreiben sein werden.“

Als direkte Antwort hierauf schrieb der Schriftsteller Jean-Paul Sartre am Tag nach der Hinrichtung in der französischen Tageszeitung „Libération“: „Sie, die Sie sich als Herren der Welt bezeichnen, hatten die Gelegenheit, zu beweisen, dass Sie zuerst Herren über sich selbst sind. Sie zogen es jedoch vor, Ihrer kriminellen Torheit nachzugeben. Dieselbe Torheit könnte uns morgen in einen Vernichtungskrieg hineinkatapultieren.“

Erst deutlich später trat zutage, wie stark die Untersuchungen und der Prozess gegen die Rosenbergs manipuliert worden waren. So sagte der Staatsanwalt Roy Cohn 1986, die Ermittler hätten Beweise „hergestellt“. Dann gab Eisenhowers Justizminister William P. Rogers zu Protokoll, dass die Verurteilung von Ethel Rosenberg als Druckmittel dienen sollte, um ihren Mann dazu zu bringen, weitere Atomspione der Russen zu verraten. 

Und im Jahre 2008 wurde ein bis dahin unter Verschluss gehaltenes Interview mit Richard Nixon publik gemacht, in dem Eisenhowers Vizepräsident von „erheblichen Fehlern“ im Prozess und präpariertem Beweismaterial sprach. Hätten er und Eisenhower 1953 davon gewusst, hätten sie zumindest Ethel Rosenberg vor dem Tod auf dem elektrischen Stuhl bewahrt. 

Angesichts all dessen bemühten sich die beiden Söhne des Ehepaares, Robert und Michael, die nach der Hinrichtung von der Familie Meeropol adoptiert worden waren, in den Jahren 2015 und 2017 um eine formelle Rehabilitierung ihrer Mutter. In beiden Fällen erfolgte jedoch keine Reaktion der Administration, und das obwohl die Vereinigten Staaten damals nicht einen Parteifreund von Eisenhower und Joseph McCarthy zum Präsidenten hatten, sondern den Demokraten Barack Obama.





Zeitgenössische US-Spitzenpolitiker

Senator Joseph McCarthy wurde bekannt durch den von ihm von 1950 bis 1954 geführten Kampf gegen Kommunisten in Staat und Gesellschaft.

Der Republikaner Dwight D. Eisenhower löste am 20. Januar 1953 den Demokraten Harry S. Truman als US-Präsident ab. Er amtierte bis zum 20. Januar 1961.

William P. Rogers wurde 1953 der Stellvertreter und 1957 der Nachfolger von Herbert Brownell junior in dessen Funktion als Justizminister.