18.05.2024

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Folge 25-23 vom 23. Juni 2023 / Winzer des Nordens / Wein aus Pommern und Zeugnisse davon in Stettin / Bischof Ottokar brachte einst die Weinstöcke nach Pommern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-23 vom 23. Juni 2023

Winzer des Nordens
Wein aus Pommern und Zeugnisse davon in Stettin
Bischof Ottokar brachte einst die Weinstöcke nach Pommern
Brigitte Stramm

Nördliche Weinanbaugebiete versetzen uns immer wieder in Erstaunen. Man vermutet sie hier nicht. Dass es in Pommern schon seit der zweiten Pilgerreise des Bischofs Ottokar einen Weinanbau im Odertal gab, ist sicher nicht vielen bekannt. Man liest bei Johann Jakob Sell in seiner „Geschichte des Herzogthums Pommern“, Berlin 1819: „Der Bischof Otto brachte, als er zum zweitenmale nach Pommern kam, ein Kuppe (Fass) mit Weinreben nach Pommern, welche er einpflanzen ließ, damit wenigstens soviel Wein gebauet würde, als zum Gebrauche beim Hl. Abendmahle nöthig war. Seit der Zeit wurden auf den Bergen längs der Oder oberhalb Stettin bis Garz und unterhalb der Grabow, Frauendorf und Gotzlow Weinberge angelegt. Aus den hier gewachsenen Trauben wurde weißer und rother Wein gepresst, der bei der herzoglichen Tafel getrunken wurde.“

Später schrieb Theodor Fontane, der seine frühe Jugendzeit von 1827 bis 1832 in Swinemünde verbrachte, in seinem autobiografischen Roman „Meine Kinderjahre“: „Auf allen Tafeln hielt man streng zum Stettiner Rotwein, der alte Flemming aber bezog ihn direkt aus Bordeaux, was ihm viele Kosten und wenig Dank einbrachte.“ Weiterhin wurde auch aus Pyritz im Weizackergebiet vom Weinanbau berichtet. Der „Weinberg“, auf dem einst das Lehrerseminar in Pyritz stand, deutete darauf hin. Angemerkt wurde jedoch: „Die Trauben sind aber doch wohl zu sauer gewesen.“

In Pommerns einstiger Hauptstadt Stettin gab es seinerzeit Weinstuben, Lagerhäuser und Keltereien, die auch im heutigen Stettin bei speziellen Stadtführungen gerne gezeigt werden. Zweifelsohne ist der prächtigste Hinweis auf Wein in Stettin an dem Palais Velthusen, auch Wolkenhauer-Haus genannt, zu sehen. 1778 erwarb der Kaufmann Georg Ch. Velthusen (1742–1803) das Grundstück und ließ darauf das heute noch existierende, nach ihm benannte Palais errichten. 

Velthusen wurde 1742 in Wismar geboren und war niederländischer Abstammung. 1769 kam er nach Stettin. In dem Palais richtete er einen Weinhandel mit Kellerei ein und belieferte seinerzeit ganz Pommern, Nordpolen und die Niederlande. Im erhaltenen Giebeldreieck weisen Szenen um die Weinverarbeitung auf die frühere Nutzung des Gebäudes hin. Später hatten hier unter anderem der Klavierbauer Wolkenhauer und von 1922 bis 1943 die Pommersche Provinzbank ihren Sitz.

1943 bis auf die Außenmauern zerstört, wurde es Anfang der 1960er Jahre wiederaufgebaut. Die ursprünglichen Philosophen, die sich zur Zierde an der Fassade befanden, wurden durch Komponisten wie den Stettiner Carl Loewe, Chopin, Smetana, Strawinski und Verdi ersetzt. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und ist eine der Sehenswürdigkeiten Stettins. Heute beherbergt es die Feliks-Nowomiejski-Musikschule. 

Natürlich fragt man sich, wie es denn jetzt mit dem Weinanbau an der Oder und in Vorpommern aussieht. Ja, dieser erlebt eine wahre Renaissance, sodass im November 2021 das erste Westpommersche Weinfestival im Schloss der Stettiner Herzöge stattfand. Neun Winzereien präsentierten an diesem Tag ihre Erzeugnisse.